§ 1371 BGB; güterrechtliche Qualifikation

Amtliche Leitsätze:

  1. Bei Erbfällen vor dem 17.8.2015 (Inkrafttreten der EuErbVO), bei denen das Erbrechts- und das Güterrechtsstatut auseinanderfallen, verbleibt es bei der vom BGH (ZEV 2015, 409ff) angenommenen güterrechtlichen Einordnung von § 1371 Abs. 1 BGB.
  2. Die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Mahnkopf (ZEV 2018, 205ff) ist für die Nachlassgerichte nur in Verfahren bindend, in denen der Anwendungsbereich der EuErbVO eröffnet ist.
  3. Ein Erbschein, der vor Inkrafttreten der EuErbVO unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH zur güterrechtlichen Qualifikation des § 1371 Abs. 1 BGB erteilt wurde, ist deswegen nicht unrichtig geworden und nicht einzuziehen.

OLG München (20. Zivilsenat), Endurteil vom 13.03.2019 - 20 U 1345/18

BGB § 2219

I. Einführung

Die kinderlose Erblasserin war griechische Staatsangehörige. Sie ist im Jahr 2015 verstorben.

Die Beteiligten zu 1) und 2), die Geschwister der Erblasserin, beantragen die Einziehung des vom Nachlassgericht am 26.2.2018 erteilten Erbscheins, der sie zu Erben nach ihrer Schwester zu je 1/8 und den nachverstorbenen Ehemann der Erblasserin zu 3/4 ausweist.

Dem liegt zugrunde, dass die Erblasserin zwar griechische Staatsangehörige war, sie aber mit ihrem Ehemann ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte, woraus das Nachlassgericht im Erbscheinserteilungsverfahren den Schluss gezogen hatte, dass auf den vorliegenden Fall griechisches Erb- und deutsches Güterrecht anzuwenden sei. Es hat deshalb den Erbteil des Ehemannes gemäß §§ 1937 Abs. 1, 1371 Abs. 1 BGB entsprechend erhöht.

Nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Mahnkopf (ZEV 2018, 205 ff) sind die Beschwerdeführer nunmehr der Ansicht, die vom EuGH angenommene erbrechtliche Qualifikation des § 1371 Abs. 1 BGB sei auf den vorliegenden Fall mit der Folge zu übertragen, dass der erteilte Erbschein unrichtig und deswegen einzuziehen sei.

Stattdessen sei ein Erbschein zu erteilen, der die Beschwerdeführer zu je 1/4 und den Ehemann zu 1/2 ausweist.

Das Nachlassgericht hat den erteilten Erbschein nicht eingezogen, es beruft sich im Wesentlichen darauf, dass die Grundsätze der Entscheidung des EuGH nicht auf Fälle vor Inkrafttreten der EuErbVO vom 17.8.2015 übertragbar seien.

II. Problem

Die nach Ansicht des OLG München zulässigen Beschwerden bleiben in der Sache ohne Erfolg. Zutreffend sei das Nachlassgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen für die Einziehung des erteilten Erbscheins gemäß § 2361 BGB nicht vorliegen.

Ein Erbschein sei einzuziehen, wenn sich nach der Erteilung seine Unrichtigkeit herausstellt. Unrichtig sei der Erbschein, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung entweder schon ursprünglich nicht gegeben waren oder nachträglich entfallen sind. Das Nachlassgericht habe sich bei der Entscheidung in die Lage zu versetzen, als hätte es den Erbschein erstmalig zu erteilen (BayObLGZ 1980, 72 (74); Gierl in: Burandt/Rojahn, 3. Auflage 2019, BGB § 2361 Rn. 4; Keidel/Zimmermann FamFG, 19. Auflage 2018 § 353 Rn. 3; Krätzschel in: Firsching/Graf, Nachlassrecht, 11. Auflage 2019, § 39 Rn. 2).

Allerdings würden die Voraussetzungen der Unrichtigkeit des Erbscheins im vorliegenden Fall nicht vor liegen, denn der BGH habe seine Rechtsprechung zur Qualifizierung von § 1371 Abs. 1 BGB nicht geändert, der Senat folge dieser Rechtsprechung und die Rechtsprechung des EuGH binde vorliegend den Senat nicht.

Deswegen brauche vorliegend nicht entschieden zu werden, ob sich die Unrichtigkeit des Erbscheins auch aus einer nachträglichen Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergeben kann, wofür spreche, dass der Erbschein der materiellen Rechtskraft nicht zugänglich ist (Krätzschel, a.a.O. Rn. 1).

Zutreffend sei das Nachlassgericht davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall griechisches Erbrecht zur Anwendung kommt, Art. 25 Abs. 1 EGBGB (in der bis zum 16.8.2015 geltenden Fassung), weil die Erblasserin griechische Staatsangehörige war und vor Inkrafttreten der EuErbVO verstorben ist. Entsprechend dem griechischen ZGB werde dabei der überlebende Ehegatte neben Verwandten der 2. Ordnung Erbe zu 1/2.

Zugleich würde deutsches Güterrecht Anwendung finden, weil die Ehegatten in Deutschland zum Zeitpunkt der Eheschließung ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten (vgl. Döbereiner in: Firsching/Graf, a.a.O. § 48 Rn. 54 (Griechenland)). Deswegen stehe dem überlebenden Ehegatten neben seinem gesetzlichen Erbteil von 1/2 gemäß § 1371 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns durch Erhöhung des gesetzlichen Erbteils um 1/4, mithin eine Gesamtquote von 3/4 zu.

Der Senat teilte im Hinblick auf diese Frage die Ansicht des BGH (ZEV 2015, 409 ff), wonach die Durchführung des pauschalen Zugewinns bei Auflösung der Ehe durch den Tod eines Ehegatten gemäß § 1371 BGB güterrechtlich zu qualifizieren ist.

Die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Mahnkopf (EuGH ZEV 2018, 205) rechtfertige im vorliegenden Verfahren keine abweichende Beurteilung. Soweit der EuGH die Vorschrift des § 1371 Abs. 1 BGB erbrechtlich qualifiziert, um ihn der EuErbVO zu unterwerfen und die Handhabung des Europäischen Nachlasszeugnisses (ENZ) zu erleichtern, könne dieses Argument im vorliegenden Fall schon deshalb nicht greifen, weil die Erteilung eines ENZ hier nicht in Betracht komme. Auch spiele die EuErbVO im vorliegenden Verfahren keine Rolle. Da der Anwendungsbereich der EuErbVO nicht eröffnet sei, sei der Senat an die Rechtsprechung des EuGH auch nicht gebunden.

Mithin sei der erteilte Erbschein nicht unrichtig, seine Einziehung komme nicht in Betracht.

Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen.

III. Fazit

Die Entscheidung beschäftigt sich mit den Folgen der EuGH-Entscheidung in der Sache Mahnkopf (FuR 2018, 276) und der dort vorgenommenen erbrechtlichen Qualifikation von § 1371 Abs. 1 BGB.

Wie das OLG München darstellt, verbleibt es für Erbfälle vor dem 17.8.2015 (Inkrafttreten der EuErbVO), bei der vom BGH (FuR 2015, 603) angenommenen güterrechtlichen Einordnung von § 1371 Abs. 1 BGB. Der Rechtsprechung des EuGH zu dieser Frage kommt danach nur im Anwendungsbereich der EuErbVO Bedeutung zu.

Zuvor und unabhängig von der EuErbVO erteilte Erbscheine, die unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH zur güterrechtlichen Qualifikation des § 1371 Abs. 1 BGB erteilt wurden, bleiben davon unbeeinflusst.


Rezension des Beschlusses des OLG München v. 24.09.2019 - 31 Wx 326/19 „§ 1371 BGB / Güterrechtliche Qualifikation", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.12 Dezember 2019, S.739 f


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