Anordnung der Nachlassverwaltung / Anfechtbarkeit / Beschwerde
Leitsatz:
Anfechtbarkeit der Anordnung der Nachlassverwaltung. Gegen den Beschluss, durch den die Nachlassverwaltung angeordnet worden ist, ist ausnahmsweise die Beschwerde statthaft, wenn der darauf gerichtete Antrag (hier durch einen Miterben ohne Mitwirkung der anderen gestellten) unwirksam ist (Muster mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). (amtlicher Leitsatz)
OLG Hamm, Beschluss vom 26.06.2015 - I-15 W 217/15
FamFG § 359 Abs. 1
I. Einführung
Die Beteiligten zu 1) bis 5) sind Miterben nach der verstorbenen X. Eine weitere Miterbin ist nachverstorben. Am 15.04.2015 beantragte die Beteiligte zu 1) die Anordnung einer Nachlassverwaltung. Mit Beschluss vom 23.04.2015 ordnete das Amtsgericht die Nachverwaltung an und bestimmte den Beteiligten zu 6) zum Nachlassverwalter. Die Bestellung erfolgte noch am selben Tag. Gegen den Beschluss legte die Beteiligte zu 4) Beschwerde ein, der der Rechtspfleger des Nachlassgerichts mit der Begründung nicht abhalf, dass gegen die Anordnung der Nachlassverwaltung kein Rechtsmittel gegeben sei und § 2062 BGB hier nicht anwendbar sei.
II. Problem
Das Oberlandesgericht stellte klar, dass entgegen der Auffassung des Amtsgerichts in der Nichtabhilfeentscheidung, die Beschwerde vorliegend ausnahmsweise zulässig ist. Zwar könne der Beschluss, durch den dem Antrag des Erben, die Nachlassverwaltung anzuordnen, stattgegeben wird, nach § 359 Abs. 1 FamFG nicht angefochten werden. Die Beschwerde sei entgegen dieser Vorschrift aber ausnahmsweise statthaft, wenn kein wirksamer Antrag des Erben vorlag. In diesem Fall stehe nach allgemeiner Auffassung jedenfalls den übergangenen Miterben ein Beschwerderecht zu (vgl. KG SeuffA 66, 344 [1911; Nr. 178]; LG Aachen, NJW 1960, 46/48; Keidel/Zimmermann, FamFG, 18. Aufl., § 359 Rn. 11; Bumiller/Harders, FamFG, 11. Aufl. § 359 Rn. 4; MüKo-FamFG/J. Mayer, 4. Aufl., § 359 Rn. 5; Prütting/Helms/Fröhler, FamFG, § 359 Rn. 14; Schulte-Bunert/Weinreich/Tschichoflos, FamFG, § 359 Rn. 13; Horndasch/Viefhues/Heinemann, FamFG, 3. Aufl., § 359 Rn. 22; Staudinger/Marotzke, BGB, Bearbeitung 2010, § 1981 BGB Rn. 36; MüKo-BGB/Küpper, 6. Aufl., § 1981 Rn. 7; Soergel/Stein, BGB [2002], § 1981 Rn. 1; Erman/Horn, BGB, 14. Aufl., § 1981 Rn. 9). § 359 FamFG wolle nur die auf Antrag des berechtigten Erben zu Recht angeordnete Nachlassverwaltung schützen; war der Erbe, wie hier, nicht antragsberechtigt, verdiene er diesen Schutz nicht (LG Aachen a. a. O.), weil die Anordnung einer gesetzlichen Grundlage entbehrt (KG a. a. O.).
Vorliegend habe es an einem wirksamen Antrag gefehlt: Der Antrag auf Bestellung eines Nachlassverwalters könne nach § 1981 Abs. 1 BGB nur von „dem Erben“ oder nach § 1981 Abs. 2 BGB von einem Nachlassgläubiger gestellt werden. Die Vorschrift des § 1981 Abs. 1 BGB ergänzt § 2062 BGB dahin, dass mehrere Erben ihr Antragsrecht nur gemeinsam ausüben können und auch dies nur vor Teilung des Nachlasses. Da die Beteiligte zu 1) ihr Recht auf Bestellung eines Nachlassverwalters darauf gründet, dass sie Miterbin der eingangs genannten Erblasserin ist, habe ihr die Befugnis, den Antrag alleine zu stellen, gefehlt.
Die Beschwerde war daher auch begründet. Die angeordnete Nachlassverwaltung war aufzuheben und der Beteiligte zu 6) aus seinem Amt zu entlassen.
III. Fazit
Grundsätzlich kann der Beschluss, durch den dem Antrag des Erben, die Nachlassverwaltung anzuordnen, stattgegeben wird, gem. § 359 Abs. 1 FamFG nicht angefochten werden. Eine Ausnahme besteht aber dann, wenn kein wirksamer Antrag vorlag. In diesem Fall steht jedenfalls den übergangenen Miterben ein Beschwerderecht zu.
Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn entgegen § 1981 Abs. 1 BGB und § 2062 BGB die Miterben ihr Antragsrecht nicht gemeinsam ausüben.
Rezension des Beschlusses des OLG Hamm v. 26.06.2015 - 15 W 217/15 „Anordnung der Nachlassverwaltung / Anfechtbarkeit/ Beschwerde",[nbsp]in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.3 März 2016, S.190