Anwendbares Recht; Thailand; unbewegliches Vermögen

Amtliche Leitsätze:

Für das unbewegliche Vermögen aus dem Nachlass gilt gem. § 37 des thailändischen IPRG das Recht des Ortes, an dem sich dieses befindet. Unbewegliches Eigentum auf deutschem Territorium unterliegt demnach deutschem Erbrecht.

OLG Hamm (10. Zivilsenat), Beschluss vom 10.08.2021 – 10 W 53/21

FamFG 59 Abs. 1
EuErbVO Art. 22 Abs. 1, 21 Abs. 1

I. Einführung

Der im Jahr 2019 verstorbene Erblasser war deutscher Staatsangehöriger. Im Zeitpunkt des Erbfalls war er geschieden. Der Beteiligte zu 1) ist das Kind des Erblassers und seiner geschiedenen Ehefrau. Die Beteiligte zu 2) ist eine Tochter des Erblassers aus einer früheren Beziehung.

Der Erblasser errichtete im Jahr 2016 in Thailand ein Testament, das maschinenschriftlich und sowohl in thailändischer als auch in deutscher Sprache verfasst war. Dort heißt es: „Ich bestimme, dass thailändisches Recht für dieses Testament Gültigkeit haben soll.“ Sodann ordnete der Erblasser unter Klausel 1. an, dass bestimmte in Thailand befindliche Vermögensgegenstände Fräulein C erbt. Weitere Vermögensgegenstände, insbesondere drei Eigentumswohnungen in Deutschland, sollte der Beteiligte zu 1) erben. Zu Gunsten der Beteiligten zu 2) war bestimmt, dass sie von dem Vermögen, das ihr Halbbruder erbt, einen Betrag in Höhe von 10.000,- € erhalten soll und danach keine weiteren Ansprüche auf den Nachlass haben soll. Unter Klausel 2. ernannte der Erblasser den Beteiligten zu 1) zu seinem Testamentsvollstrecker. Das Testament wurde vom Erblasser sowie von zwei Zeugen unterschrieben.

Der Erblasser hatte einen Wohnsitz in Thailand. Von Mai 2019 bis zu seinem Tod am Oktober 2019 hielt sich er sich in Deutschland auf. Ende Mai/Anfang Juni 2019 wurde bei ihm eine bereits fortgeschrittene Krebserkrankung festgestellt, die in der Folgezeit in Deutschland behandelt wurde.

Der Beteiligte zu 1) hat die Erteilung eines gegenständlich auf das im Inland befindliche unbewegliche Vermögen beschränkten Erbscheins beantragt. Er hat die Auffassung vertreten, dass thailändisches Erbrecht Anwendung findet. Hierzu hat er vorgetragen, der Erblasser sei bereits vor 15 Jahren nach Thailand ausgewandert sei. Seit ca. 10 Jahren habe er dort mit einer Thailänderin, die im Testament begünstigte Frau C, sowie mit deren Kind zusammengelebt. Er habe in Thailand eine Eigentumswohnung und weiteres Vermögen besessen. In Deutschland sei der Erblasser nur weiter gemeldet gewesen, damit seine Schwester für ihn wichtige Post entgegennehmen konnte. Er sei im Mai 2019 nach Deutschland zurückgekehrt, um dort Urlaub zu machen und Verwandte zu besuchen. Nur wegen der dann festgestellten schweren Krebserkrankung, die mit einer Chemotherapie habe behandelt werden müssen, sei er vor seinem Tod nicht mehr nach Thailand zurückgekehrt, was er eigentlich beabsichtigt habe. Nach dem hier anzuwendenden thailändischem IPR käme es für die in Deutschland belegenen Immobilien zu einer Rückverweisung, mit der Folge, dass die in Deutschland gelegenen Eigentumswohnungen sich nach deutschem Recht vererbten. Hierauf beziehe sich nicht die im Testament angeordnete Testamentsvollstreckung.

Diesem Antrag ist die Beteiligte zu 2) entgegengetreten. Sie hat gemeint, die Rechtsnachfolge richte sich nach deutschem Recht. Hierzu hat sie behauptet, der Erblasser habe weiter seinen letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland gehabt. Er habe sich nur zeitweise in Thailand aufgehalten und weiter in Deutschland gelebt. Dort sei sein Lebensmittelpunkt gewesen, die thailändische Sprache habe er nicht beherrscht und in Thailand sei er auch nicht sozial integriert gewesen. Seine Aufenthalte in Thailand hätten nur zur Erholung gedient. Nach Deutschland sei er regelmäßig zurückgekehrt. Hier sei er auch ärztlich betreut worden.

Das Nachlassgericht hat die Tatsachen, die zur Begründung des Antrags des Beteiligten zu 1) erforderlich sind, für festgestellt erachtet. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antragsteller sei hinsichtlich des in Deutschland belegenen unbeweglichen Vermögens Alleinerbe aufgrund testamentarischer Erbfolge geworden. Die Erbfolge bestimme sich nach den Vorschriften der europäischen Erbrechtsverordnung. Nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO gelte hier thailändisches Recht, weil der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Thailand gehabt habe. Dort habe er in einer gefestigten Beziehung gelebt und Vermögen erworben. Er habe schon 2012 gegenüber der Deutschen Botschaft Thailand als seinen Wohnort angegeben und in seinem Testament von 2016 die Geltung thailändischen Rechts gewollt. Hieran ändere sich nichts dadurch, dass er regelmäßig nach Deutschland zurückgekehrt sei, um Verwandte zu besuchen und die dort belegenen Immobilien zu verwalten. Nach thailändischem Recht käme es wegen der in Deutschland gelegenen Eigentumswohnungen zu einer Nachlassspaltung. Diese vererbten sich nach deutschem Recht. Nach dem rechtswirksam in Thailand errichten Testament sei der Antragsteller insoweit Alleinerbe geworden. Die im Testament angeordnete Testamentsvollstreckung sei zur Verwaltung des eigenen Nachlasses gegenstandslos und deshalb im Erbschein nicht aufzunehmen.

Gegen diesen Beschluss hat die Beteiligte zu 2) form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt. Wegen des widersprüchlichen Vortrags zum letzten Aufenthaltsort des Erblassers hätte das Nachlassgericht weiter recherchieren müssen. Es sei streitig, für wie viele Monate sich der Erblasser jeweils in Thailand und in Deutschland aufgehalten habe. Auch besondere, enge Verbindungen nach Thailand seien nicht belegt. Die thailändische Sprache habe er nicht beherrscht. Er habe nicht nur Immobilien, sondern auch Konten in Deutschland besessen und sei hier krankenversichert gewesen. Bis zu seinem Tod sei er nicht mehr nach Thailand zurückgekehrt. Seine angebliche Lebensgefährtin habe ihn auch nicht mehr besucht. Selbst die Trauerfeier habe in Deutschland stattgefunden. Deshalb sprächen die Gesamtumstände dafür, dass der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt habe.

Der Beteiligte zu 1) verteidigt den ergangenen Beschluss.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II. Problem

Das OLG Hamm erachtete die Beschwerde als zulässig, aber in der Sache als erfolglos.

Die Tatsachen, die zur Begründung des Antrages auf Erteilung eines gegenständlich beschränkten Erbscheines erforderlich sind, seien zutreffend festgestellt worden.

Nach den Vorschriften der europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) richte sich die Erbfolge nach dem Erblasser nach thailändischem Recht. Dies folge zwar nicht aus der vom Erblasser in seinem Testament getroffenen Rechtswahl, da der Erblasser nicht die thailändische Staatsangehörigkeit besaß. Art. 22 Abs. 1 EuErbVO erlaubt für die Rechtsnachfolge von Todes wegen nur die Wahl des Rechtes des Staates, dem ein Erblasser im Zeitpunkt der Rechtswahl oder des Todes angehört. Deshalb sei hier Art. 21 Abs.1 EuErbVO einschlägig. Danach finde das Erbrecht des Staates Anwendung, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dies sei hier der Wohnsitz des Erblassers in Thailand, wo er die letzten Jahre vor seinem Tod lebte.

Der Begriff des „gewöhnlichen Aufenthalts“ sei der Daseinsmittelpunkt einer Person, der unter Gesamtberücksichtigung der jeweiligen Lebensumstände, wie Dauer und Regelmäßigkeit von Aufenthalten, einer besonders engen Bindung an einen Staat, der Sprachkenntnisse, der Lage des Vermögens, für die letzten Jahren vor und beim Erbfall zu ermitteln sei (OLG Hamm, 10 W 108/18; Keidel-Zimmermann, § 343 FamFG Rz. 62). Unter Zugrundelegung dieser Kriterien sei hier festzustellen, dass der Erblasser schon lange vor seinem Versterben seinen Lebensmittelpunkt von Deutschland nach Thailand verlagert hat.

Die vorliegenden Kopien aus seinem Reisepass würden belegen, dass der Erblasser sich bereits seit 2008 in Thailand aufgehalten hat. Bereits im Jahr 2012 habe er bei Ausstellung eines Reisepasses gegenüber der Deutschen Botschaft in Bangkok als Wohnort einen Ort in Thailand angegeben. Auch das vorliegende Testament sei dort im Jahr 2016 errichtet worden. Dabei habe der Erblasser wiederum als Wohnsitz seine Adresse in Thailand angegeben. Unter dieser Adresse habe der Erblasser mehrere Eigentumswohnungen besessen, von denen er eine zusammen mit seiner Lebensgefährtin Frau C bewohnte. Frau C, die vom Erblasser in seinem Testament großzügig bedacht worden sei, sei dort auch als seine „Lebensgefährtin“ bezeichnet. Zusätzlich habe der Beteiligte zu 1) diese Beziehung durch eine Vielzahl von Fotos und Chatprotokollen belegen können. Dass der Erblasser seinen Daseinsmittelpunkt nach Thailand verlagert hatte, werde weiter dadurch deutlich, dass er dort ein Auto und ein Motorrad besessen habe. Hierfür habe er bereits im Jahr 2009 einen thailändischen Führerschein erworben. Demgegenüber sei in Deutschland kein Fahrzeug mehr auf ihn zugelassen gewesen. Auch habe er dort keine eigene Wohnung unterhalten. Sofern er sich in Deutschland aufhielt, habe er eher notdürftig in einem als Wohnraum eingerichteten Kellerraum im Haus seiner Schwester gelebt, in dem es noch nicht einmal fließendes Wasser gab. Allein der Umstand, dass er regelmäßig seine in Deutschland lebenden Verwandten besuchte und sich vor Ort um die bereits im Jahr 1989 erworbenen Eigentumswohnungen kümmerte, zeige lediglich, dass er noch Bindungen zu seinem Heimatland pflegte. Sein Lebensmittelpunkt sei aber in der gesamten Zeit in Thailand, wo er seine maßgeblichen sozialen Bindungen unterhielt, geblieben. Dies werde anschaulich durch die bis kurz vor seinem Versterben im Oktober 2019 mit seiner Lebensgefährtin geführte Chatprotokolle belegt. Hieraus sei deutlich erkennbar, dass der Erblasser sich lediglich zum Abschluss einer dort begonnenen Chemotherapie noch in Deutschland aufhielt. Dass er diese Behandlung letztendlich nicht überlebte und im Jahr 2019 in Deutschland verstarb, vermöge seinen bereits Jahre zuvor begründeten Aufenthaltsort in Thailand nicht mehr aufzuheben. Insoweit komme es auch nicht darauf an, ob der Erblasser die thailändische Sprache gut beherrschte. Durch die vorgenannten Dokumente sei hinreichend belegt, dass er sich mit seiner thailändischen Lebensgefährtin verständigen konnte und in Thailand gut zurechtkam. Der Umstand, dass in Deutschland eine Trauerfeier für den Erblasser stattgefunden hat, zeige lediglich auf, dass es hier noch Bindungen zu Angehörigen gegeben hat. Dem weiteren Vortrag des Beteiligten zu 1), wonach der Erblasser später auf seinen eigenen Wunsch hin in Thailand beigesetzt worden ist, habe die Beschwerdeführerin nicht widersprochen.

Das somit hier anzuwendende thailändische Recht erfasse auch das in Thailand geltende internationale Privatrecht einschließlich etwaiger Rückverweisungen, Art. 34 Abs.1 EuErbVO. Für das unbewegliche Vermögen aus dem Nachlass gelte gem. § 37 IPRG das Recht des Ortes, an dem sich dieses befindet. Unbewegliches Eigentum auf deutschem Territorium unterliege demnach deutschem Erbrecht (vgl. Ferid/ Firsching/ Hausmann, Internat. Erbrecht, Thailand Grdz. C Rz. 23). Damit komme es hier bezüglich der drei in Deutschland gelegenen Eigentumswohnungen des Erblassers zu einer Nachlassspaltung. Dieser Teil des Nachlasses des Erblassers vererbe sich nach deutschem Recht.

Aufgrund der in dem Testament getroffenen Anordnungen sei der Beteiligte zu 1) Alleinerbe der drei Eigentumswohnungen geworden.

Das in Thailand errichtete Testament sei rechtsgültig errichtet worden und schließe die gesetzliche Erbfolge aus. Über Art. 75 Abs. 1 EuErbVO sei das Haager Testamentsformübereinkommen anwendbar, das für die Formwirksamkeit die Ortsform genügen lasse, Art. 1 Abs. 1 a Haager Testamentsformübereinkommen. Die vorliegende letztwillige Verfügung sei formwirksam nach thailändischem Recht errichtet worden. Gem. § 1656 Thailändisches ZGB könne ein Testament auch maschinengeschrieben sein, wenn es mit Datum versehen und vom Testator in Anwesenheit von zwei Zeugen signiert wird. Diese Formvorgaben seien hier ausweislich der vorliegenden beglaubigten Kopie des Testaments eingehalten worden.

Damit habe der Antragsteller die drei in Deutschland gelegenen Eigentumswohnungen des Erblassers geerbt. Da er insoweit alleiniger Rechtsnachfolger geworden ist, sei die vom Erblasser zur Teilung des Nachlasses angeordnete Testamentsvollstreckung gegenstandslos und nicht in dem gegenständlich beschränkten Erbschein aufzunehmen.

III. Fazit

Die Entscheidung behandelt einen aufschlussreichen Fall eines deutsch-thailändischen Erbfalls und beleuchtet interessante Aspekte hinsichtlich der Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts i.S.v. Art. 21 Abs. 1 EuErbVO.

Zur Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthalts betrachtet das OLG Hamm hier insbesondere die durch Reisepasskopien nachgewiesenen Aufenthaltszeiten, die Adressangaben gegenüber Behörden (hier etwa der deutschen Botschaft), die Lage von Grundeigentum, sowie den Erwerb einer Fahrerlaubnis und durch Chatprotokolle dargelegte persönliche Beziehungen. Die Bedeutung von ausgeprägten Sprachkenntnissen wurde hingegen als eher gering eingeschätzt. Nach den Ausführungen des Gerichts kommt daneben auch den Wünschen des Erblassers hinsichtlich seiner Beisetzung eine gewisse Bedeutung zu.


Rezension des Beschlusses des OLG Hamm  v. 10.08.2021 - 10 W 53/21; „Anwendbares Recht / Thailand / unbewegliches Vermögen", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr. 12  Dezember 2021, S.682 ff


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