Ausschluss der elterlichen Vermögensverwaltung; Ausschlagung der Erbschaft

Leitsatz:

Der durch Verfügung von Todes wegen angeordnete Ausschluss der elterlichen Vermögensverwaltung für vom Kind ererbtes Vermögen umfasst auch die Befugnis zur Ausschlagung der Erbschaft. Die in einem solchen Fall von einem ausgeschlossenen Elternteil im Namen des Kindes erklärte Ausschlagung ist mangels Vertretungsmacht unwirksam. (amtlicher Leitsatz)

BGH, Beschluss vom 29.06.2016 - XII ZB 300/15

BGB §§ 180, 1638 Abs. 1, 1909 Abs. 1

I. Einführung

Die Beteiligten streiten über die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft wegen Beschränkung der elterlichen Sorge durch Testament.

Das betroffene Kind wurde als Sohn der nicht verheirateten Beteiligten zu 1), der Mutter und des Erblassers geboren. Der Erblasser erkannte die Vaterschaft an, und die Eltern gaben Erklärungen über die gemeinsame elterliche Sorge ab.

In seinem Testament setzte der Erblasser seine Schwester (die Beteiligte zu 4) und seinen Sohn als Erben zu je 1/2 ein und ordnete Testamentsvollstreckung durch seine Schwester für den Fall an, dass der Sohn bei seinem Tod noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben sollte. Ferner bestimmte er, dass die Mutter von der Verwaltung sämtlicher Vermögensgegenstände, die der Sohn aufgrund des Testaments an dem Nachlass des Erblassers erwirbt, ausgeschlossen wird, falls der Sohn beim Tod des Erblassers noch nicht volljährig sein sollte.

Der Erblasser verstarb im Dezember 2013. Die Mutter erklärte im Namen des Sohnes die Ausschlagung der Erbschaft. Die Ausschlagung wurde familiengerichtlich genehmigt.

Im vorliegenden Verfahren hat das Amtsgericht hinsichtlich des vom betroffenen Kind von Todes wegen erworbenen Vermögens Ergänzungspflegschaft angeordnet und die Schwester des Erblassers zur Ergänzungspflegerin bestellt. Dagegen hat die Mutter im Namen des Sohnes Beschwerde eingelegt. Das Amtsgericht hat der Beschwerde teilweise abgeholfen und statt der Schwester des Erblassers die Beteiligte zu 2), eine Rechtsanwältin, als Ergänzungspflegerin bestellt. Das Oberlandesgericht hat die Beschlüsse des Amtsgerichts aufgehoben und Ergänzungspflegschaft wie folgt angeordnet: Für die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs hat es die Beteiligte zu 2) und hinsichtlich der Verwaltung des gesamten Vermögens, das das Kind aufgrund des Todes des Erblassers erwirbt, die Beteiligte zu 3), ebenfalls Rechtsanwältin, jeweils zur Ergänzungspflegerin bestellt.

Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Mutter, die sich gegen die Anordnung der Ergänzungspflegschaft für die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs und die diesbezügliche Pflegerbestellung wendet.

II. Problem

Die Rechtsbeschwerde hatte Erfolg.

Nach der Ansicht des BGH war die Mutter gegen die Anordnung der Ergänzungspflegschaft, die zugleich feststellt, dass insoweit die elterliche Vermögenssorge ausgeschlossen ist, nach § 59 Abs. 1 FamFG beschwerdeberechtigt, da durch den angefochtenen Beschluss in die elterliche Sorge als Bestandteil ihres Elternrechts nach Art. 6 Abs. 2 GG eingegriffen worden sei (vgl. BGH FamRZ 2008, 1156; MüKo-BGB/Huber, § 1638 Rn. 15).

Gemäß § 1909 Abs. 1 BGB erhalte, wer unter elterlicher Sorge oder unter Vormundschaft steht, für Angelegenheiten, an deren Besorgung die Eltern oder der Vormund verhindert sind, einen Pfleger. Er erhalte insbesondere einen Pfleger zur Verwaltung des Vermögens, das er von Todes wegen erwirbt, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung bestimmt hat, dass die Eltern oder der Vormund das Vermögen nicht verwalten sollen. Nach § 1638 Abs. 1 BGB erstrecke sich die Vermögenssorge nicht auf das Vermögen, welches das Kind von Todes wegen erwirbt, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung bestimmt hat, dass die Eltern das Vermögen nicht verwalten sollen.

Das Oberlandesgericht habe zutreffend darauf hingewiesen, dass § 1638 BGB auch den Pflichtteil umfasst und der Erblasser, demzufolge insoweit die Möglichkeit hat, das elterliche Sorgerecht zu beschränken (vgl. OLG Hamm FamRZ 1969, 662; Staudinger/Heilmann BGB, § 1638 Rn. 7 mwN).

Im vorliegenden Fall sei allerdings ein Pflichtteilsanspruch des Kindes mangels wirksam erklärter Ausschlagung nicht entstanden. Der Mutter fehlte aufgrund der testamentarischen Anordnung des Erblassers die gesetzliche Vertretungsmacht, um im Namen des Kindes wirksam die Ausschlagung erklären zu können.

Nach der überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur werde die Ausschlagung der Erbschaft von der Beschränkung der Vermögenssorge in § 1638 Abs. 1 BGB nicht erfasst (OLG Karlsruhe FamRZ 1965, 573 f.; OLG Düsseldorf FamRZ 2007, 2091, 2093; KG KGJ 48, 22; vgl. etwa auch Staudinger/Heilmann BGB, § 1638 Rn. 7, 16 mwN; MüKo-BGB/Huber, § 1638 Rn. 15; Palandt/Götz BGB, § 1638 Rn. 2; BGB-RGRK/Adelmann, § 1638 Anm. 10; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht § 61 Rn. 5; Ott NJW 2014, 3473, 3474).

Demgegenüber werde in der Literatur auch die Auffassung vertreten, die Anordnung nach § 1638 Abs. 1 BGB erfasse die Vermögenssorge hinsichtlich des Erbes insgesamt, sodass der Elternteil insoweit von der gesetzlichen Vertretung ausgeschlossen sei und nur ein Pfleger das Erbe für den Minderjährigen ausschlagen könne (Frenz DNotZ 1995, 908, 913 ff.; Reimann FS Hahne S. 455, 458; BGB-RGRK/Scheffler, § 1638 Anm. 7; Damrau Der Minderjährige im Erbrecht Rn. 103; Krug FPR 2011, 268, 270).

Der Bundesgerichtshof hat die Frage bislang offen gelassen (BGHZ 106, 96, 100 = NJW 1989, 984, 985). Im vorliegenden Fall war sie jedoch nun entscheidungserheblich.

Zutreffend sei die Auffassung, wonach den Eltern im Fall des Ausschlusses der Vermögenssorge gemäß § 1638 Abs. 1 BGB auch die gesetzliche Vertretung des Kindes bei der Ausschlagung der Erbschaft verwehrt ist. Gesetzliche Folge einer Beschränkung der elterlichen Sorge sei, dass die Vermögenssorge einschließlich der gesetzlichen Vertretung für das von Todes wegen erworbene Vermögen insgesamt ausgeschlossen ist (BGHZ 106, 96, 99 f. = NJW 1989, 984, 985). Dementsprechend fehle es im Fall des § 1638 Abs. 1 BGB bei jeglichen auf das ererbte Vermögen bezogenen Willenserklärungen an der elterlichen Vertretungsmacht.

Das Ausschlagungsrecht sei wie die Erbschaft vermögensrechtlicher Natur und unterfalle folglich der Sorgerechtsbeschränkung nach § 1638 Abs. 1 BGB. Als Gestaltungsrecht gebe es dem Erben die Rechtsmacht, den eingetretenen Erbschaftsanfall durch einseitige Willenserklärung rückgängig zu machen (MüKo-BGB/Leipold, § 1942 Rn. 13). Eine Zuordnung der Ausschlagung einer Erbschaft zur Personensorge widerspräche dieser Rechtsnatur des Ausschlagungsrechts als auf die Erbschaft bezogenes und folglich vermögensrechtliches Gestaltungsrecht. Auch mit der Begründung, die Ausschlagung habe einen "starken persönlichen Bezug" und sei ein dem Erben zustehendes "persönliches Recht" (so Staudinger/Heilmann BGB § 1638 Rn. 16), lasse sich das Ausschlagungsrecht nicht der Personensorge zuordnen. Die Erwägung, dass sich der Antritt der Erbschaft über die wirtschaftliche Bedeutung hinaus "entscheidend" auf die persönlichen Verhältnisse des Kindes auswirken könne (OLG Karlsruhe FamRZ 1965, 573, 574), stehe dem ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass die Entscheidung über Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft mehr oder weniger von persönlichen Motiven beeinflusst sein mag. Die Motivation liege außerhalb des rechtsgeschäftlichen Tatbestands und könne für dessen Einordnung nicht maßgeblich sein. Die Ausschlagung habe als Willenserklärung für das Kind dementsprechend keine personenrechtlichen, sondern vermögensrechtliche Folgen und sei daher der Vermögenssorge zuzuordnen (zutreffend Frenz DNotZ 1995, 908, 913 f.).

Dass sich die Anordnung nach § 1638 Abs. 1 BGB regelmäßig auch auf die Ausschlagung bezieht, werde zudem nicht dadurch infrage gestellt, dass in § 1638 Abs. 1 BGB und § 1909 Abs. 1 Satz 2 BGB von der Verwaltung des Vermögens die Rede ist. Daher greife das Argument nicht durch, dass eine Verwaltung im Fall der Ausschlagung gerade abgelehnt werde und die Ausschlagung im Vorfeld der Verwaltung liege (so OLG Karlsruhe FamRZ 1965, 573, 574; OLG Düsseldorf FamRZ 2007, 2091, 2093; Staudinger/Heilmann BGB [2016] § 1638 Rn. 7, 16; Ott NJW 2014, 3473, 3474). Es spreche bereits vieles dafür, dass durch den Begriff der Verwaltung die Ausübung der Vermögenssorge umschrieben werden soll (vgl. BayObLG OLGE 30, 78). Davon abgesehen habe der Ausschluss von der Vermögensverwaltung durch letztwillige Verfügung aber in jedem Fall zur Folge, dass die elterliche Sorge bezüglich des von Todes wegen erworbenen Vermögens in vollem Umfang ausgeschlossen sei (BGHZ 106, 96, 99 f. = NJW 1989, 984). Da der Ausschluss bereits mit dem Anfall der Erbschaft wirksam wird, fehle den Eltern in Bezug auf die Erbschaft von Anfang an die elterliche Sorge und mit dieser auch die gesetzliche Vertretungsmacht, um mit Wirkung für das Kind rechtsgeschäftlich handeln zu können (Frenz DNotZ 1995, 908, 913).

Auch das Elternrecht steht dieser Auslegung nicht entgegen. Dass durch die Verfügung von Todes wegen in das Elternrecht eingegriffen wird, entspricht vielmehr dem Zweck des § 1638 BGB.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den auf das ererbte Vermögen beschränkten Ausschluss der elterlichen Sorge bestünden daneben nicht, denn der Sorgerechtsausschluss bezieht sich allein auf das ererbte (Sonder-)Vermögen.

Da eine Genehmigung der ohne Vertretungsmacht erklärten Ausschlagung nicht möglich ist, sei die im vorliegenden Fall von der Mutter erklärte Ausschlagung unwirksam. Dass die Ausschlagung vom Familiengericht genehmigt worden ist, vermöge den Mangel der Vertretungsmacht nicht zu heilen.

Der angefochtene Beschluss wurde daher aufgehoben. Ein Pflichtteilsanspruch war mangels einer wirksamen Ausschlagung nicht entstanden.

Zur Klarstellung war auch die Anordnung der Ergänzungspflegschaft zur Verwaltung des Vermögens, das das Kind von Todes wegen erwirbt, aufzuheben.

III. Fazit

Die Frage, ob die Ausschlagung der Erbschaft von der Beschränkung der Vermögenssorge in § 1638 Abs. 1 BGB erfasst ist, wurde in Literatur und Rechtsprechung lange Zeit unterschiedlich beurteilt. Die Entscheidung des BGH schafft hier nun endlich Rechtssicherheit.

Danach erfasst ein durch Verfügung von Todes wegen angeordneter Ausschluss der elterlichen Vermögensverwaltung für vom Kind ererbtes Vermögen auch die Befugnis zur Ausschlagung der Erbschaft.

Die Anordnung nach § 1638 Abs. 1 BGB erfasst die Vermögenssorge hinsichtlich des Erbes insgesamt, sodass der Elternteil insoweit von der gesetzlichen Vertretung ausgeschlossen ist und nur ein Pfleger das Erbe für den Minderjährigen ausschlagen kann. Mithin fehlt es im Fall des § 1638 Abs. 1 BGB bei jeglichen auf das ererbte Vermögen bezogenen Willenserklärungen an der elterlichen Vertretungsmacht.

Das Ausschlagungsrecht ist der Vermögenssorge und gerade nicht der Personensorge zuzuordnen. Es ist wie die Erbschaft vermögensrechtlicher Natur und unterfällt folglich der Sorgerechtsbeschränkung nach § 1638 Abs. 1 BGB.


Rezension des Beschlusses des BGH v. 29.06.2016 - XII ZB 300/15 - OLG München  „Ausschluss der elterlichen Vermögensverwaltung / Ausschlagung Erbschaft", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.11 November 2016, S.667 ff


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