Beschwerdebefugnis; Eigenerben des Vorerben, Ausschlagung
Leitsatz:
Den Eigenerben eines Vorerben, die für sich in Anspruch nehmen, an dessen Stelle wirksam die (Vor-) Erbschaft ausgeschlagen zu haben, steht gegen einen Feststellungsbeschluss für die Erteilung eines Erbscheins, der die durch den Tod des Vorerben eingetretene Nacherbfolge ausweisen soll, eine Beschwerdebefugnis nicht zu.
OLG Hamm, Beschluss vom 14.02.2017 - 15 W 31/17
FamFG § 59 Abs. 1
GNotKG § 40 Abs. 1, § 61 Abs. 1,
I. Einführung
Die Erblasserin war in zweiter Ehe mit H verheiratet. Die zweite Ehe der Erblasserin war kinderlos. Aus ihrer ersten Ehe hatte sie zwei Kinder, die Beteiligten zu 1) und 2). Herr H hatte aus einer ersten Ehe ebenfalls Kinder, die Beteiligten zu 3) bis 6).
Die Erblasserin errichtete 2007 ein handschriftliches Testament mit folgendem Inhalt:
„1. Das bisherige Testament hebe ich hiermit vollständig auf.
- Als Erben für mein Barvermögen bzw. für mein festgelegtes Geld erkläre ich nach Abzug aller Kosten, die mit meiner Beerdigung verbunden sind, zu je einem Drittel meinen Ehemann H, meinen Sohn P und meine Tochter O.
- Mein Mann H soll lebenslanges Wohn- und Nutzungsrecht im Haus haben. Erst nach seinem Tod sollen meine Kinder zu gleichen Teilen erben.“
Die Erblasserin verstarb 2016, sodann verstarb ihr zweiter Ehemann.
Die Beteiligten zu 1) und 2) haben nach dem Tod ihres Stiefvaters die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie (mit Wirkung ab dem Ableben ihres Stiefvaters) als Nacherben nach ihrer Mutter ausweisen soll. Sie vertreten die Auffassung, das Testament der Erblasserin müsse dahingehend ausgelegt werden, dass eine Vor- und Nacherbschaft angeordnet sei, die sich effektiv aber nur auf das Hausgrundstück erstrecke, weil das übrige Vermögen im Wege eines Vorausvermächtnisses ihrem Stiefvater und ihnen zu je 1/3 zugewandt worden sei.
Die Beteiligten zu 3) bis 6) sind die Erben ihres Vaters. Als Erbeserben haben sie die Vorerbschaft nach der Erblasserin ausgeschlagen. Sie vertreten insoweit die Auffassung, dass die Ausschlagungsfrist nicht zu laufen begonnen habe, da ihrem Vater die nur im Wege der Auslegung feststellbare Konstruktion einer Vor- und Nacherbschaft nicht bewusst gewesen sei, er also nichts von dem Anfall einer Erbschaft gewusst habe. Auch ihnen sei diese Möglichkeit erst durch die Übersendung des Schriftsatzes der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) und 2) bewusst geworden. Die Beteiligten zu 3) bis 6) beabsichtigen, den Pflichtteilsanspruch ihres Vaters geltend zu machen.
Das Amtsgericht hat einen Feststellungsbeschluss entsprechend dem Antrag der Beteiligten zu 1) und 2) erlassen. Hiergegen wenden sich die Beteiligten zu 3) bis 6) mit ihrer Beschwerde.
II. Problem
Das OLG Hamm erachtete die Beschwerde als unzulässig, da die Beteiligten zu 3) bis 6) durch den angefochtenen Beschluss nicht in ihren Rechten beeinträchtigt seien, mithin nicht im Sinne des § 59 Abs. 1 FamFG beschwert seien.
Durch die Erteilung eines Erbscheins sei grundsätzlich nur derjenige beschwert, der ein von dem Inhalt abweichendes Erbrecht für sich in Anspruch nimmt oder geltend macht, selbst zu Unrecht als Erbe aufgeführt zu sein, also in keinem Fall ein Pflichtteilsberechtigter (OLG Köln, FGPrax 2013, 268). Die Rechtswirkung des Erbscheins beschränke sich nämlich auf die mit öffentlichem Glauben ausgestattete Bezeugung der Erbenstellung der Beteiligten zu 1) und 2). Diese würden die Beteiligten zu 3) bis 6) für sich aber nicht in Anspruch nehmen. Sie würden sie auch nicht bestreiten. Das rechtliche Interesse der Beteiligten zu 3) bis 6) sei vielmehr allein darauf gerichtet, als Rechtsnachfolger ihres Vaters den möglicherweise ursprünglich ihm zustehenden Pflichtteilsanspruch durchzusetzen. Dieses Interesse werde durch den Inhalt des Erbscheins nur indirekt insoweit berührt, als in diesem der Tod ihres Vaters als Eintritt des Nacherbfalls bezeichnet wird, der Inhalt des Erbscheins also geeignet sei, den Eindruck zu erwecken, dass ihr Vater Vorerbe und damit nicht pflichtteilsberechtigt war. Dieser Anschein stelle aber keine Rechtsbeeinträchtigung im Sinne des § 59 Abs. 1 FamFG dar. Für die Geltendmachung des Pflichtteils seien die Angaben im Erbschein hinsichtlich des Bestehens einer Vorerbschaft in keiner Weise präjudizierend.
III. Fazit
Die Entscheidung des OLG Hamm beschäftigt sich mit der Beschwerdebefugnis im Rahmen von § 59 Abs. 1 FamFG und den Rechtswirkungen eines Erbscheins.
Danach fehlt den Eigenerben eines Vorerben, die für sich in Anspruch nehmen, die Erbschaft des Vorerben wirksam ausgeschlagen zu haben, gegen einen Feststellungsbeschluss bzgl. der Erteilung eines Erbscheins, der die durch den Tod des Vorerben eingetretene Nacherbfolge ausweisen soll, die Beschwerdebefugnis. Die bloßen ggf. nachteiligen Indizwirkungen des Erbscheins sind hierfür nicht ausreichend.
Die Entscheidung ist insbesondere im Sinne einer einheitlichen Rechtsprechung zu begrüßen. An seiner früheren, gegenteiligen Auffassung hält das OLG Hamm ausdrücklich nicht mehr fest.
Rezension des Beschlusses des OLG Hamm v. 14.02.2017 - 15 W 31/17 „Beschwerdebefugnis / Eigenerben des Vorerben / Ausschlagung", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.9 September 2017, S.528