Ehegattentestament; Scheidungsklausel; Grundbuch; Erbschein

Amtlicher Leitsatz:

Der Senat hält daran fest, dass eine in einem öffentlichen Ehegattentestament enthaltene Scheidungsklausel, wonach u.a. bereits der Antrag auf Scheidung oder Aufhebung der Ehe die Unwirksamkeit des Testaments zur Folge haben sollen, für sich keine Zweifel an dem behaupteten Erbrecht zu begründen vermag, die das Verlangen des Grundbuchamts nach Vorlage eines Erbscheins rechtfertigen könnten (Fortführung von Senat, Beschluss vom 13. November 2012 - 1 W 382/12 - FamRZ 2013, 1073; entgegen OLG München, ZEV 2016,401; OLG Naumburg, FamRZ 2019, 1656).

KG (1. Zivilsenat), Beschluss vom 29.10.2020 – 1 W 1463/20

BGB §§ 2077, 2268
GBO § 35

I. Einführung

Der Beteiligte und seine im Jahr 2019 verstorbene Ehefrau sind seit dem Jahr 1982 zu je 1/2 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.

Die Eheleute errichteten im Jahr 2006 ein notarielles Testament, worin sie sich gegenseitig zu „alleinigen Vollerben“ einsetzten. Unter IV. der Urkunde heißt es wörtlich:

Für den Fall, dass unsere Ehe vor dem Tode eines Ehegatten aufgelöst oder Klage auf Aufhebung erhoben oder die Scheidung der Ehe beantragt wurde oder im Falle der Zustimmung zur Scheidung durch den Erblasser selbst, sollen die hier getroffenen Verfügungen ihrem ganzen Inhalt nach unwirksam sein, und zwar unabhängig davon, wer von uns beiden den Antrag auf Scheidung gestellt oder Klage auf Aufhebung erhoben hat.

Im Jahr 2020 hat der Beteiligte unter Beifügung beglaubigter Ablichtungen des Eröffnungsprotokolls des Nachlassgerichts die Berichtigung des Grundbuchs beantragt. Das Grundbuchamt hat die Vorlage eines Erbscheins erfordert. Die Tatsache, dass die Ehe weder aufgelöst noch Scheidungsklage eingereicht wurde und damit das Testament unwirksam ist, lasse sich mit grundbuchtauglichen Mitteln nicht nachweisen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten, der das Grundbuchamt nicht abgeholfen hat.

II. Problem

Das Kammergericht erachtete die Beschwerde als zulässig und auch in der Sache als erfolgreich. Die angefochtene Zwischenverfügung des Grundbuchamts sei nicht veranlasst, weil das darin aufgezeigte Eintragungshindernis nicht bestehe.

Die Berichtigung einer unrichtigen Grundbucheintragung erfolgt auf Antrag, § 13 Abs. 1 GBO, wenn die Unrichtigkeit durch öffentliche Urkunden, § 29 GBO, nachgewiesen werde, § 22 Abs. 1 GBO. Bei Unrichtigkeit des Grundbuchs wegen des Todes eines Berechtigten sei der Nachweis der Erbfolge grundsätzlich durch einen Erbschein zu führen, § 35 Abs. 1 S. 1 GBO.

Beruhe die Erbfolge aber auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, genüge es in der Regel, wenn an Stelle des Erbscheins die Verfügung und die Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung vorgelegt werden, § 35 Abs. 1 S. 2 HS 1 GBO. Das Grundbuchamt habe eine solche Verfügung von Todes wegen dahingehend zu überprüfen, ob sich aus ihr das von dem Antragsteller behauptete Erbrecht ergibt. Es habe die Verfügung in eigener Verantwortung auszulegen, auch wenn es sich um die Klärung rechtlich schwieriger Fragen handelt. Die Pflicht zu eigener Auslegung entfalle allerdings dann, wenn für diese erst zu ermittelnde tatsächliche Umstände maßgebend sind (vgl. KG, Beschluss vom 23. Juni 2020 - 1 W 1276/20).

Entfernte abstrakte Möglichkeiten, die das aus der Verfügung hervorgehende Erbrecht nur unter ganz besonderen Umständen in Frage stellen, könnten hingegen das Verlangen nach Vorlegung eines Erbscheins wiederum nicht rechtfertigen (Demharter, GBO, 31. Aufl., § 35, Rdn. 39). Das werde im Rahmen der in §§ 2268 Abs. 1, 2077 Abs. 1 BGB enthaltenen gesetzlichen Auslegungsregeln angenommen (Krause, in: Meikel, GBO, 11. Aufl., § 35, Rdn. 119; DNotI-Report 2006, 181, 182). Danach werde ein gemeinschaftliches Testament seinem ganzen Inhalt nach unwirksam, wenn die Ehe vor dem Tod des Erblassers aufgelöst worden ist oder der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes unter jeweils bestimmten weiteren Voraussetzungen die Scheidung der Ehe beantragt, ihr zugestimmt oder den Antrag auf Auflösung der Ehe gestellt hatte. Würden keine konkreten Anhaltspunkte für eine Scheidung oder ihr gleichstellende Anträge vorliegen, könne das Grundbuchamt keinen Erbschein verlangen. Ansonsten wäre verheirateten Personen ein Nachweis im Rahmen des § 35 Abs. 1 S. 2 GBO nicht möglich (DNotI-Report, a.a.O.).

Das KG hatte bereits entschieden, dass dies bei einer sich an den Voraussetzungen der §§ 268 Abs. 1, 2077 Abs. 1 BGB orientierenden Scheidungsklausel in einem Ehegattentestament nicht anders ist (KG, FamRZ 2013, 1073, 1074). Das ist von anderen Oberlandesgerichten bei solchen Klauseln anders gesehen worden, die von gesetzlichen Auslegungsregeln des § 2077 Abs. 1 BGB - erweiternd - abweichen. Da Ehescheidungen alles andere als selten vorkämen, sei die Stellung eines Antrags auf Scheidung keine ganz entfernte, bloß auf theoretischen Überlegungen beruhende Möglichkeit (OLG München, ZEV 2016, 401, 402; OLG Naumburg, FamRZ 2019, 1656, 1657).

Eine solche erweiternde Klausel lag hier nach Ansicht des KG vor, denn das gemeinschaftliche Testament sollte u.a. bereits bei einer Klage auf Aufhebung oder einem Antrag auf Scheidung der Ehe seinem ganzen Inhalt nach unwirksam sein. Dies gehe über § 2077 Abs. 1 S. 2 oder 3 BGB hinaus. Nach den gesetzlichen Auslegungsregeln hingegen genügen entsprechende Anträge allein nicht. Zusätzlich müssten die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe im Zeitpunkt des Todes des Erblassers gegeben sein, § 2077 Abs. 1 S. 2 BGB, bzw. der Erblasser zur Zeit seines Todes berechtigt gewesen sein, die Aufhebung der Ehe zu beantragen, § 2077 Abs. 1 S. 3 BGB. Der Entscheidung des KG vom 13. November 2012 (a.a.O.) lag inhaltlich keine andere Scheidungsklausel zugrunde. Dort sollten ebenfalls allein Anträge auf Scheidung bzw. Aufhebung der Ehe die Unwirksamkeit des notariellen gemeinschaftlichen Testaments zur Folge haben.

Das KG hielt jedoch nach nochmaliger Prüfung an seiner in der Entscheidung vom 13. November 2012 zum Ausdruck gekommenen Auffassung fest. Allein der Umstand hoher Scheidungsquoten ändere nichts daran, dass es auch bei einer Scheidungsklausel wie der vorliegenden konkreter Anhaltspunkte für die Unwirksamkeit des Ehegattentestaments bedarf. Hohe Scheidungsquoten würden auf entsprechenden gerichtlichen Entscheidungen beruhen, § 1564 BGB. Solche Quoten würden aber nicht den Schluss auf entsprechend hohe Zahlen von Anträgen zulassen, in denen es letztlich nicht zur Scheidung gekommen ist, sei es etwa wegen Antragsrücknahme oder Erledigung durch den Tod eines der Ehegatten. Solche Verfahren würden in den Statistiken des Statistischen Bundesamtes unberücksichtigt bleiben (vgl. Genesisonline, Statistik 12631). Zwar könne nicht ausgeschlossen werden, dass während einer bestehenden Ehe ein solcher Antrag einmal gestellt worden ist. Gleichwohl handele es sich doch immer noch um nicht mehr als eine abstrakte Möglichkeit, die den durch § 35 Abs. 1 S. 2 GBO zum Ausdruck kommenden Wert eines notariellen Testaments nicht zu schmälern vermag (Reymann, in: jurisPK-BGB, 2020, § 2268, Rdn. 23; Weber, MittBayNot 2017, 163, 165; Volmer, ZEV 2016, 402, 403).

Es bedürfe keiner weiteren Begründung, dass nichts Anderes gelten kann, wenn eine Scheidungsklausel den Inhalt der gesetzlichen Auslegungsregeln lediglich wiederholt.

Im vorliegenden Fall würden konkrete Anhaltspunkte weder für eine Auflösung der Ehe vor dem Tod der Ehefrau des Beteiligten noch für die Stellung eines Scheidungs- oder Aufhebungsantrags durch einen von ihnen vorliegen.

III. Fazit

Das Erfordernis der Vorlage eines Erbscheins im grundbuchrechtlichen Verfahren bei einer in öffentlichen Ehegattentestamenten enthaltene Scheidungsklausel beschäftigt weiterhin die obergerichtliche Rechtsprechung. Bedauerlicherweise hat sich bisher keine einheitliche Linie entwickelt.

Das Kammergericht hält vorliegend an seiner Rechtsprechung fest und verneint ein entsprechendes Erfordernis. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. Bei der erbrechtlichen Beratung gilt es weiterhin, insbesondere bei erheblichem Grundvermögen, die mit der Erbscheinserteilung verbundenen Kosten bei der Beratung zu berücksichtigen.  


Rezension des Beschlusses des KG  v. 29.10.2020 - 1 W 1463/20; „Ehegattentestament / Scheidungsklausel / Grundbuch / Erbschein", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr. 4 April 2021, S.224 f


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