Einsetzung eines Nachlasspflegers; Beteiligte; Beschwerdeverfahren; Aufwendungen
Leitsätze:
- Auch die möglichen Erben können in einem Verfahren bezüglich der Einsetzung eines Nachlasspflegers gemäß § 1960 BGB „Beteiligte“ i.S.v. § 7 Abs. 2 Nr. 2 FamFG sein.
- Erwachsen den möglichen Erben im Beschwerdeverfahren notwendige Aufwendungen, so können diese als Kosten i.S.v. § 80 FamFG gegen den unterlegenen Beschwerdeführer festgesetzt werden.
OLG Bremen, Beschluss vom 30.08.2017 - 5 W 10/17, 5 W 11/17
FamFG §§ 7 Abs. 1 u. 2, 24 Abs. 1, § 80 Abs. 1, 81 Abs. 1, 85, 345 Abs. 4
ZPO §§ 91 Abs. 2, 568 S. 1, 569, 576 Abs. 2
BGB §§ 1793, 1915 Abs. 1, 1960, 1961
I. Einführung
Die Beteiligten zu 3) bis 5), die Geschwister des Erblassers, und die Beschwerdeführerin zu 1), die Ehefrau des Erblassers, streiten um die Rechtsnachfolge nach dem Erblasser.
Die weiteren Beteiligten wandten sich an das Amtsgericht - Nachlassgericht - und regten die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft an. Nach Anhörung der Beschwerdeführerin zu 1) und des vom Erblasser als Generalbevollmächtigten eingesetzten Beschwerdeführers zu 2) ordnete das Nachlassgericht die Nachlasspflegschaft an und bestellte einen Nachlasspfleger. Hiergegen wandten sich beide Beschwerdeführer mit dem Rechtsmittel der Beschwerde.
Der Senat wies die Beschwerden zurück und legte beiden Beschwerdeführern die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte auf.
Mit Kostenfestsetzungsanträgen beantragten die weiteren Beteiligten zu 3) bis 5) die Festsetzung der Kosten ihrer rechtsanwaltlichen Vertretung im Beschwerdeverfahren gegen die Beschwerdeführer. Die Beschwerdeführer widersprachen der Kostenfestsetzung unter Hinweis darauf, dass der Beschluss keinen Ausspruch zu den außergerichtlichen Kosten enthalte und diese im Verfahren nach dem FamFG nicht zwangsläufig zu erstatten seien. Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten sei auch nicht notwendig gewesen. Das Nachlassgericht setzte die Kosten antragsgemäß fest.
Gegen diese Beschlüsse haben die Beschwerdeführer zu 1) und 2) sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie im Wesentlichen ihre bisherige Rechtsauffassung weiterverfolgen.
Das Nachlassgericht hat den Beschwerden nicht abgeholfen und die Rechtsmittel dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Problem
Die sofortige Beschwerde war nach Ansicht des Senats zwar statthaft aber im Ergebnis erfolglos. Zu Recht habe das Nachlassgericht den Beschwerdeführern die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 3) bis 5) auferlegt.
Der Anspruch der Beteiligten zu 3) bis 5) auf Kostenerstattung gegenüber den Beschwerdeführern scheitere insbesondere nicht daran, dass sie etwa gar nicht Beteiligte im Rechtssinne des vorangegangenen Beschwerdeverfahrens waren.
Nach § 81 Abs. 1 FamFG könne das Gericht die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Kosten seien gem. § 80 Abs. 1 FamFG die Gerichtskosten und die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Auslagen der Beteiligten. Kostengläubiger könne also nur derjenige sein, der als materiell Beteiligter oder aufgrund einer sonstigen Beschwerdebefugnis berechtigt war, am Beschwerdeverfahren teilzunehmen (BayObLG, FamRZ 2001, S. 380, 381 m.w.N.; Zimmermann in: Keidel, FamFG, § 84 Rn. 14). Wer als „Beteiligter“ eines Verfahrens nach dem FamFG anzusehen ist, bestimme § 7 FamFG in Verbindung mit den für die jeweiligen Verfahren bestehenden Beteiligungskatalogen. Nach § 7 Abs. 1 FamFG sei der Antragsteller in einem Antragsverfahren Beteiligter. Bei der Einsetzung eines Nachlasspflegers gem. § 1960 BGB handele es sich - im Gegensatz zum Verfahren nach § 1961 BGB - nicht um ein Antrags-, sondern ein Amtsverfahren i.S.v. § 24 Abs. 1 FamFG (Sternal in: Keidel, FamFG, § 23 Rn. 5). In Amtsverfahren seien Beteiligte diejenigen, deren Rechte durch das Verfahren unmittelbar betroffen werden oder diejenigen, die aufgrund eines Gesetzes oder auf Antrag an dem Verfahren zu beteiligen sind (§ 7 Abs. 2 FamFG). Letzteres treffe auf die Beteiligten zu 3) bis 5) vorliegend nicht zu, denn die gesetzlichen Regelungen über die Bestellung eines Nachlasspflegers würden eine Beteiligung der mutmaßlichen Erben kraft Gesetzes oder auf Antrag nicht vorsehen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 345 Abs. 4 FamFG, da diese Vorschrift nur für das auf Antrag eines Gläubigers gem. § 1961 BGB einzuleitende Verfahren gilt (Zimmermann in: Keidel a.a.O: § 345 Rn. 67). Entgegen der Annahme der Beschwerdeführer würden die Beteiligten zu 3) bis 5) aber zum Kreise derer, deren Rechte durch das Verfahren unmittelbar betroffen werden (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 FamFG) gehören. Da die Beteiligten zu 3) bis 5) der Auffassung sind, das notarielle Testament sei unwirksam, so dass sie nach der gesetzlichen Erbfolge Miterben nach dem Erblasser geworden sind, würden sie durch die Bestellung des Nachlasspflegers in dieser behaupteten Rechtsstellung als Erbprätendenten unmittelbar beeinträchtigt (vgl. OLG Hamm, FGPrax 2011, 84; Staudinger/Mešina, § 1960 Rn. 30 m.w.N.; Meyer-Holz in: Keidel, FamFG, Rn. 83). Dies folge nicht nur daraus, dass der Nachlasspfleger in seinem Aufgabenkreis mit Wirkung unmittelbar für und gegen den Nachlass handelt (§§ 1960, 1915 Abs. 1, 1793 BGB), sondern auch aus dem Umstand, dass für die Vergütung des Nachlasspflegers die Erben haften (Palandt/Weidlich § 1960 Rn. 22 a.E. m.w.N.). Dass die Beteiligten zu 3) bis 5) seinerzeit selbst die Einsetzung eines Nachlasspflegers „beantragt“ hatten, sei in diesem Zusammenhang unerheblich, da es sich nicht um ein Antragsverfahren handele, so dass der „Antrag“ der Beteiligten zu 3) bis 5) nur die Qualität einer Anregung gehabt habe (vgl. OLG Frankfurt, MDR 2012, 1466). Da den vermeintlichen Erben die Befugnis zustehe, sich gegen die Anordnung zu beschweren bzw. gegen eine Ablehnung durch das Nachlassgericht selbst Beschwerde einzulegen (Meyer-Holz in: Keidel a.a.O; OLG Hamm a.a.O.), könne in dem hier vorliegenden Fall, in dem die Beschwerde gegen die Bestellung des Pflegers von dritter Seite eingelegt worden ist, für die Beteiligteneigenschaft der Erbprätendenten nichts anderes gelten, denn sie seien nicht gezwungen, den erstinstanzlichen Beschluss zu verteidigen.
In der Sache habe das Nachlassgericht den Beteiligten zu 3) bis 5) zu Recht einen Anspruch auf Ersatz der ihnen durch die Rechtsverfolgung in dem Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten zuerkannt. Allerdings folge aus der Nichterwähnung des § 91 Abs. 2 ZPO in § 80 FamFG, dass die gesetzlichen Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts nicht zwingend zu den erstattungsfähigen Kosten zählen (Zimmermann in: Keidel FamFG, § 80 Rn. 28 m.w.N.). Vielmehr komme es darauf an, ob die Kosten im Einzelfall notwendig waren (Keidel a.a.O.). Dabei könne der Umstand, dass es für den juristisch nicht Vorgebildeten oftmals nur schwer abzuschätzen ist, ob eine Sache so schwierig ist, dass eine Hinzuziehung eines Rechtsanwalts notwendig ist oder nicht, nicht zu seinen Lasten gehen. Demgemäß seien Kosten für die Beauftragung eines Rechtsanwalts dem Grunde nach nur bei ganz einfach gelagerten Sachverhalten oder wenn die Beauftragung für den Beteiligten erkennbar unnötig ist, als nicht notwendig anzusehen (OLG Brandenburg, FamRZ 2015, 1226). Vorliegend habe sich die Notwendigkeit der Beauftragung eines Rechtsanwalts einerseits unter dem Gesichtspunkt des Prinzips der Waffengleichheit (OLG Bremen, FamRZ 2010, 1362) aus dem Umstand, dass sich die Beteiligte zu 1) im Beschwerdeverfahren anwaltlich vertreten ließ und der Beteiligte zu 2) selbst von Beruf Rechtsanwalt ist, ergeben. Andererseits sei Gegenstand des Beschwerdeverfahrens insbesondere die Frage gewesen, ob es vor dem Hintergrund der testamentarischen Regelungen und der dem Beteiligten zu 2) erteilten Generalvollmacht überhaupt einer Nachlasspflegschaft bedurfte. Diese Frage hing wiederum von der Beurteilung der zum Gesundheitszustand des Erblassers im Zeitpunkt von Testaments- und Vollmachtserrichtung vorgelegten ärztlichen Atteste ab. Vor diesem Hintergrund könne nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um einen einfach gelagerten Sachverhalt handelte, der einer anwaltlichen Vertretung der Beteiligten zu 3) bis 5) nicht bedurfte.
III. Fazit
Die Entscheidung beschäftigt sich in anschaulicher Weise mit dem Beteiligtenbegriff des FamFG. Sie verdeutlicht, dass auch die möglichen Erben (Erbprätendenten) in einem Verfahren bezüglich der Einsetzung eines Nachlasspflegers gemäß § 1960 BGB „Beteiligte“ i.S.v. § 7 Abs. 2 Nr. 2 FamFG sein können.
Entscheidend ist insoweit, dass die möglichen Erben durch die Bestellung eines Nachlasspflegers in dieser behaupteten Rechtsstellung als Erbprätendenten unmittelbar beeinträchtigt werden. Folglich gehören sie zum Kreise derer, deren Rechte durch das Verfahren unmittelbar betroffen werden (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 FamFG). In der Folge können ihre notwendigen Aufwendungen, als Kosten i.S.v. § 80 FamFG gegen den unterlegenen Beschwerdeführer festgesetzt werden.
In der Praxis muss dieses Kostenrisiko auf Seiten des Beschwerdeführers unbedingt berücksichtigt werden.
Rezension des Beschlusses des OLG Bremen v. 30.08.2017 - 5 W 10/17, 5 W 11/17 „Einsetzung eines Nachlasspflegers / Beteiligte / Beschwerdeverfahren / Aufwendungen", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.1 Januar 2018, S.52 ff