Erbeinsetzung; Ambulante Pflege; WTG-NRW

Leitsatz des Verfassers:

Eine testamentarische Erbeinsetzung einer Pflegekraft in der ambulanten Pflege durch die zu pflegende Person ist nicht gem. § 134 BGB iVm § 7 WTG-NRW NRW unwirksam.

OLG Köln (2. Zivilsenat), Beschluss vom 21.08.2019 - 2 Wx 216/19, 2 Wx 217/19

BGB § 134
FamFG §§ 58 Abs. 1, 63 Abs. 1, 63 Abs. 3 S. 1, 64 Abs. 1, 64 Abs. 2, 69 Abs. 1 S. 2, 70 Abs. 2
WTG-NRW §§ 3 Abs. 1, 3 Abs. 2, 7 Abs. 1, 9, 24 Abs. 1, 34 S. 1, 34 S. 2

I. Einführung

Der Erblasser ist im Jahr 2017 verstorben. Er war geschieden und hinterließ zwei Söhne, die Beteiligten zu 2) und 3).

Seit dem Frühjahr 2014 war der Erblasser wegen seiner Parkinsonerkrankung körperlich pflegebedürftig. Im Mai 2014 wurde er in die Pflegestufe I nach SGB XI eingeordnet. Im Haushalt unterstützte ihn zunächst eine Frau B. Ende des Jahres 2014 lernte der Erblasser die Beteiligte zu 1) kennen, die Frau B zunächst stundenweise und später tageweise vertrat und sich um den Haushalt des Erblassers kümmerte. Im Gutachten der Pflegezentrale wurde als pflegebegründende Diagnose u.a. eine „nicht näher bezeichnete Demenz“ angegeben. Als „Pflegeperson“ wurde Frau B aufgeführt. Im Mai 2016 suchte der jetzige Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1) den Erblasser mehrfach auf und beriet ihn wegen seines Nachlasses. Anlässlich einer weiteren Begutachtung durch die Pflegezentrale gab die Beteiligte zu 1), die in dem Gutachten als „Pflegeperson B“ bezeichnet wurde, der Gutachterin Auskunft, nachdem ein Antrag auf Anerkennung der Pflegestufe 2 nach SGB XI gestellt worden war. Im September 2016 schied Frau B als Pflegeperson aus, nachdem es zwischen ihr und der Beteiligten zu 1) zu einem Zerwürfnis gekommen war. Am 14.10.2016 schloss der Erblasser einen Heimvertrag mit der D GmbH und zog in das Altenzentrum E um. Den Heimvertrag unterschrieb der Erblasser, die Ermächtigung zur Verwaltung der persönlichen Barbeträge unterschrieb die Beteiligte zu 1) als Bevollmächtigte. Durch Beschluss des Betreuungsgerichts wurde der jetzige Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1) zum Betreuer des Erblassers mit den Aufgabenkreisen Gesundheitsfürsorge, Heimplatzangelegenheiten, Regelung des Postverkehrs, Vermögensangelegenheiten, Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern und Wohnungsangelegenheiten bestellt.

Der Erblasser errichtete ein Testament, in dem er die Beteiligte zu 1) als seine Erbin eingesetzt hat.

Nach dem Versterben des Erblassers hat die Beteiligte zu 1) zur Niederschrift des Nachlassgerichts die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie als Alleinerbin ausweist. Sie hat sich hierbei auf das vom Erblasser errichtete Testament gestützt.

Darauffolgend hat der Beteiligte zu 2) die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der ihn und seinen Bruder, den Beteiligten zu 3) als Miterben zu je ½-Anteil ausweist. Der Beteiligte zu 2) hat u.a. vorgetragen, dass die letztwillige Verfügung gemäß §§ 134 BGB, 7 Wohn- und Teilhabegesetz NRW (=WTG-NRW) nichtig sei.

Das Nachlassgericht hat die Tatsachen, die zur Begründung des Antrags des Beteiligten zu 2) erforderlich sind, für festgestellt erachtet und den Antrag der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Nachlassgericht ausgeführt, dass das Testament gemäß §§ 134 BGB, 7 WTG-NRW nichtig sei und deshalb die Beteiligten zu 2) und 3) die gesetzlichen Erben seien.

Gegen diesen Beschluss hat die Beteiligte zu 1) Beschwerde eingelegt. Sie hat vorgetragen, dass die Voraussetzungen gem. § 7 WTG-NRW nicht vorliegen würden. Zudem sei diese Vorschrift gem. § 34 WTG-NRW, den das Nachlassgericht übersehen habe, auf ambulante Dienste nur anwendbar, wenn sie Leistungen in Angeboten nach § 24 WTG-NRW erbringen würden, was hier aber nicht der Fall sei.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde der Beteiligten zu 1) nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, dass § 34 WTG-NRW teleologisch dahin zu reduzieren sei, dass § 7 WTG-NRW nicht von ihr erfasst werde.

II. Problem

Das OLG Köln erachtete die Beschwerde als erfolgreich. Das Testament sei nicht gem. §§ 134 BGB, 7 WTG-NRW nichtig.

Dabei könne offen bleiben, ob die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 WTG-NRW vorliegen, d.h. ob die Beteiligte zu 1) Leistungsanbieterin im Sinne von § 3 Abs. 2 WTG-NRW gewesen ist, Betreuungsleistungen im Sinne von § 3 Abs. 1 WTG-NRW für den Erblasser erbracht hat und sich für ihre Betreuungsleistungen Geld- oder geldwerte Leistungen über das vertraglich vereinbarte Entgelt hinaus hat versprechen oder gewähren lassen.

Leistungsanbieterin könne die Beteiligte zu 1) allenfalls in der Form eines ambulanten Dienstes gem. §§ 2 Abs. 2 Ziff. 4, 33 WTG-NRW gewesen sein. Auf ambulante Dienste seien die Regelungen des 2. Kapitels, d.h. die §§ 4-10 WTG-NRW, also auch § 7 WTG-NRW, gem. § 34 S. 1 WTG-NRW indes nur anwendbar, wenn sie ihre Leistungen in Angeboten gem. § 24 Abs. 1 WTG-NRW erbringen (Dickmann, WTG-NRW, 2. Aufl. 2016, § 7 Rn. 14 und § 34 Rn. 5, 6; Kassen/Fahnenstich/Esmeier, WTG-NRW, 2. Aufl. 2017, 676, 677), was hier bei den Leistungen der Beteiligten zu 1) für den Erblasser, der in der Zeit, in der er von der Beteiligten zu 1) betreut worden ist, allein in seinem eigenen Haushalt und nicht in einer Wohngemeinschaft mit älteren oder pflegebedürftigen Menschen oder mit Menschen mit Behinderungen gelebt hat, nicht der Fall gewesen sei. Die Anwendung des § 7 WTG-NRW sei hier daher gem. § 34 S. 1 WTG-NRW ausgeschlossen, so dass dahinstehen könne, ob die Beteiligte zu 1) einen ambulanten Dienst betrieben hat und die übrigen Voraussetzungen des § 7 WTG-NRW vorliegen.

Der Wortlaut des § 34 S. 1 WTG-NRW sei auch nicht teleologisch insoweit zu reduzieren, als § 7 WTG-NRW von § 34 S. 1 WTG-NRW nicht erfasst werde. Eine teleologische Reduktion habe das Ziel, den Anwendungsbereich einer Norm gegen ihren Wortlaut einzuschränken. Ebenso wie die Analogie setze die teleologische Reduktion allerdings eine planwidrige Regelungslücke voraus, wobei zu deren Feststellung von der in der Gesetzesbegründung niedergelegten gesetzgeberischen Absicht ausgegangen werden kann. Eine solche planwidrige Regelungslücke sei hier nicht ersichtlich. Gegen eine planwidrige Regelungslücke spreche schon der eindeutige Wortlaut von § 34 S. 1 WTG-NRW, der grundsätzlich keinen Raum für eine teleologische Reduktion lasse. Zudem ergebe sich aus dem Zusammenspiel von § 34 S. 1 WTG-NRW und § 34 S. 2 WTG-NRW, dass der Gesetzgeber in Bezug auf die Anwendbarkeit der Vorschriften des 2. Kapitels des WTG-NRW offensichtlich und eindeutig zwischen ambulanten Diensten, die Leistungen in Angeboten nach § 24 Abs. 1 WTG-NRW erbringen, und allen anderen ambulanten Diensten unterscheiden wollte. Während auf ambulante Dienste, die Leistungen in Angeboten nach § 24 Abs. 1 WTG-NRW erbringen, alle Vorschriften des 2. Kapitels, d.h. auch § 7 WTG-NRW, keine Anwendung finden sollen, werde für alle anderen ambulanten Dienste eine Vorschrift des 2. Kapitels ausdrücklich ausgenommen, und zwar § 9 WTG-NRW. Diese eindeutige Unterscheidung zwischen den verschiedenen ambulanten Diensten und das Herausgreifen einer konkreten Vorschrift zeige, dass der Gesetzgeber hier offenbar bewusst unterschieden und auch sämtliche Vorschriften des 2. Kapitels des WTG-NRW in den Blick genommen hat, so dass eine unbewusste Regelungslücke ausgeschlossen werden könne. Auch die Gesetzesbegründung lässt eine abweichende Schlussfolgerung nicht zu. Eine teleologische Reduktion von § 34 S. 1 WTG-NRW scheidet im vorliegenden Fall daher aus.

In einem obiter dictum wies das OLG Köln sodann noch darauf hin, dass eine Anwendung von § 7 WTG-NRW auf alle ambulanten Leistungen nicht unproblematisch wäre, weil in diesem Fall die Abgrenzung von ambulanten Leistungen zu Hilfeleistungen von Nachbarn, Freunden und Verwandten für einen im eigenen Haushalt lebenden pflegebedürftigen Menschen zu Schwierigkeiten führen würde, die der nordrhein-westfälische Gesetzgeber offenbar vermeiden wollte.

Die Rechtsbeschwerde wurde gem. § 70 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FamFG zugelassen.

III. Fazit

Erblasser entwickeln oftmals den Wunsch, Personen, die sich gerade gegen Ende ihres Lebens umfassend um sie gekümmert haben, testamentarisch zu bedenken.

Aufgrund der besonderen Nähe und des hierdurch oftmals auch bestehenden Abhängigkeitsverhältnisses, hat dem der Landes- und Bundesgesetzgeber aber Grenzen gesetzt. Die Entscheidung des OLG Köln schafft hier im Grenzbereich der ambulanten Pflege für das nordreinwestfälische  Wohn- und Teilhabegesetz Klarheit.

Danach kann der Erblasser Pflegekräfte in der ambulanten Pflege testamentarisch bedenken, ohne eine Unwirksamkeit der Verfügung gem. § 134 BGB iVm § 7 WTG-NRW NRW zu befürchten, wenn die ambulanten Dienste nicht in Angeboten gem. § 24 Abs. 1 WTG-NRW erbracht worden sind.


Rezension des Beschlusses des OLG Köln v. 21.08.2019 - 2 Wx 216/19/2 Wx 217/19  „Erbeinsetzung / Ambulante Pflege / WTG-NRW", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.02 Februar 2020, S.127 f


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