Erbschein / Angabe Berufungsgrund

Amtliche Leitsatz:

Im Erbschein ist der Berufungsgrund grundsätzlich auch dann nicht anzugeben, wenn dies beantragt ist.

BGH (IV. Zivilsenat), Beschluss vom 08.09.2021 – IV ZB 17/20

BGB § 2353

I. Einführung

Die Beteiligten sind die Söhne der Erblasserin; ein weiterer Sohn verstarb im Jahr 2013 kinderlos.

Mit notariellem gemeinschaftlichem Testament aus dem Jahr 1982 hatten sich die Erblasserin und ihr Ehemann, der im Jahr 1984 verstarb, gegenseitig als Alleinerben sowie die Beteiligten als Erben zu gleichen Teilen nach dem Überlebenden eingesetzt. Sie hatten außerdem angeordnet, dass der Überlebende über das ererbte und sein eigenes Vermögen unter Lebenden und von Todes wegen frei verfügen könne.

Die Erblasserin errichtete sodann im Jahr 2015 ein weiteres notarielles Testament. Danach sollte es grundsätzlich bei der hälftigen Erbeinsetzung der Beteiligten verbleiben, wobei detaillierte Regelungen zur Erbauseinandersetzung, insbesondere im Hinblick auf das vom Beteiligten zu 2) bewohnte Hausgrundstück, erfolgten. Nach dem Tod der Erblasserin wurden im Jahr 2018 beide Testamente eröffnet.

Der Beteiligte zu 1) hat gestützt auf das Testament aus dem Jahr 1982 die Erteilung eines Erbscheins mit dem Inhalt beantragt, dass er und der Beteiligte zu 2) aufgrund gewillkürter Erbfolge Erben zu je 1/2 seien. Er hat behauptet, die Erblasserin sei im Jahr 2015 nicht mehr testierfähig gewesen.

Das Nachlassgericht hat die für die Erteilung des Erbscheins zugunsten der Beteiligten als Erben zu je 1/2 erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet, ohne in seinem Beschluss festzustellen, auf welchem Testament die Erbfolge beruht. Dagegen hat der Beteiligte zu 1) Beschwerde mit dem Antrag erhoben zu beschließen, dass der Erbschein aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments aus dem Jahr 1982 erteilt werde. Daraufhin hat das Nachlassgericht den Beschluss dahingehend ergänzt, dass im Erbschein der Eintritt der Erbfolge „aufgrund testamentarischer Verfügung“ festzustellen sei. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Beschwerde zurückgewiesen.

Es hat ausgeführt, dass das Nachlassgericht zu Recht offengelassen habe, ob es die zur Begründung des Antrags erforderlichen Tatsachen aufgrund des Testaments aus dem Jahr 1982 oder 2015 für festgestellt erachtet, weil nach beiden Testamenten die Beteiligten zu 1/2 Erben geworden seien. Eine Bindung des Nachlassgerichts an ein bestimmtes Testament enthalte die gesetzliche Regelung des § 352 FamFG nicht. Dem Beteiligten zu 1) gehe es um die Klärung der Frage, ob die Teilungsanordnung im Testament 2015 wirksam sei. Dieses auf die Auseinandersetzung der Miterben zielende Rechtsschutzziel sei aber kein tauglicher Gegenstand des Erbscheinsverfahrens.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1), mit der er seinen Erbscheinsantrag in der Fassung der Beschwerde weiterverfolgt.

II. Problem

Der BGH erachtete die Rechtsbeschwerde als zulässig, aber unbegründet.

Das Beschwerdegericht habe zutreffend angenommen, dass aus einem Erbschein nicht hervorgehe, auf welcher letztwilligen Verfügung er beruht. Der Beteiligte zu 1) könne daher einen Erbschein mit dem Inhalt, den er mit der Rechtsbeschwerde erstrebt, nicht erlangen. Im Erbschein sei der Berufungsgrund auch dann grundsätzlich nicht anzugeben, wenn dies beantragt wird.

Gemäß § 2353 BGB sei dem Erben auf seinen Antrag hin ein Zeugnis über sein Erbrecht, d.h. darüber, dass der im Erbschein so Bezeichnete Erbe ist, und (gegebenenfalls) über die Größe des Erbteils zu erteilen; außerdem seien Anordnungen zu nennen, die den Erben beschränken, vgl. § 2365 BGB. Eine Angabe des Berufungsgrundes sehe der Gesetzeswortlaut dagegen nicht vor. Er sei daher grundsätzlich nicht in den Erbschein aufzunehmen (vgl. Staudinger/Herzog, BGB (2016) § 2353 Rn. 426; MüKo-BGB/Grziwotz, § 2353 Rn. 46; BayObLGZ 1973, 28 unter II 2 b). Nur ausnahmsweise könne er anzugeben sein, etwa wenn dies bei mehrfachem Berufungsgrund (§§ 1951, 2088 BGB) zur Bezeichnung des Umfanges des Erbrechts notwendig ist (vgl. OLG Frankfurt am Main Rpfleger 1978, 17; Staudinger/Herzog, § 2353 Rn. 428; MüKo-BGB/Grziwotz, § 2353 Rn. 26).

Dieser beschränkte Inhalt entspreche dem Zweck des Erbscheins, den Erben durch die Richtigkeitsvermutung (§ 2365 BGB) zu legitimieren und den guten Glauben an seine Rechtsstellung zu schützen (§ 2366 BGB). Die Vermutung der Richtigkeit des Erbscheins nach § 2365 BGB - und damit auch dessen öffentlicher Glaube nach § 2366 BGB - gelte positiv nur für das bezeugte Erbrecht sowie negativ dafür, dass andere als die angegebenen Beschränkungen nicht bestehen (vgl. BGHZ 84, 196). Der gesetzliche Inhalt des Erbscheins sei strikt dahin begrenzt, dass er das Erbrecht des berufenen Erben und etwaige Einschränkungen desselben zu bezeugen hat (vgl. RGZ 64, 173, 178). Den Beteiligten stehe kein Recht zu, eine Ergänzung des Erbscheins zu fordern, die über den gesetzlichen Rahmen des Erbscheins hinausgeht und an dessen Rechtswirkungen nicht Teil hat (vgl. RGZ 64, 173, 178). Ein dennoch angegebener Berufungsgrund nehme nicht an der Vermutungswirkung der §§ 2365 ff. BGB teil (vgl. Staudinger/ Herzog, § 2353 Rn. 426; MüKo-BGB/Grziwotz, § 2365 Rn. 11).

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde erfordere daher auch eine Bindung an den Erbscheinsantrag keine Angabe des darin genannten Berufungsgrunds im Erbschein. § 352 FamFG regele den Inhalt des Antrags, nicht den Inhalt des Erbscheins. Soweit die herrschende Meinung davon ausgehe, dass dem Erbschein kein anderer als der beantragte Inhalt gegeben werden darf (vgl. BGHZ 36, 42; RGZ 156, 172, 180; BayObLG FamRZ 2003, 1590, 1592; MüKo-FamFG/Grziwotz, § 352e Rn. 6; Gierl in Burandt/Rojahn, Erbrecht § 352e FamFG Rn. 176), betreffe dies nur den gesetzlich bestimmten Inhalt des Erbscheins. Die danach erforderlichen Angaben müssten dem Antrag entsprechen oder er sei abzulehnen.

Auch § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO mache die Angabe des Berufungsgrundes im Erbschein nicht erforderlich. Nach dieser Vorschrift werde durch den Erbschein die Erbfolge gegenüber dem Grundbuchamt nachgewiesen. Darüberhinausgehende Nachweise zu Rechtsverhältnissen, die sich aus der zugrundeliegenden letztwilligen Verfügung ergeben, würden damit nicht erbracht. Falls der Erbe sein Recht durch Vorlage des Erbscheins nachweist, werde als Grundlage seiner Eintragung als neuer Eigentümer daher im Grundbuch auch nur der „Erbschein“ und nicht dessen Tenor oder eine zugrundeliegende letztwillige Verfügung angegeben.

Es könne offenbleiben, ob das Beschwerdegericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass ein Antragsteller seinen Erbscheinsantrag nicht mit Bindungswirkung für das Nachlassgericht auf eines von mehreren Testamenten, aus denen sich die Erbfolge ergeben könnte, beschränken kann. Es habe bereits deshalb im Ergebnis zu Recht die erforderlichen Tatsachen für die Erteilung eines Erbscheins, der die Beteiligten zu 1) und 2) als Erben zu je 1/2 ausweist, für festgestellt erachtet, weil die Beteiligten aufgrund des Testaments 1982 Erben geworden seien. Ein anderer Berufungsgrund kommt nicht in Betracht, ohne dass es auf die Wirksamkeit des Testaments 2015 ankomme.

Die Erblasserin und ihr Ehemann hätten in ihrem gemeinschaftlichen Testament 1982 die Beteiligten als Erben des Überlebenden zu gleichen Teilen eingesetzt. Diese Verfügung hätte die Erblasserin nicht aufgehoben oder durch eine andere ersetzt. Im Testament 2015 heiße es vielmehr, dass es bei der hälftigen Erbeinsetzung grundsätzlich verbleiben solle und die Erblasserin diese ausdrücklich wiederhole. Nach dem klaren Wortlaut der Testamente beruhe daher die Erbenstellung der Beteiligten, die in dem zu erlassenden Erbschein bezeugt wird, weiterhin auf der früheren Verfügung. Die sonstigen Anordnungen in dem späteren Testament seien dagegen nicht Gegenstand des Erbscheins.

III. Fazit

Die im Erbschein oder europäischen Nachlasszeugnis aufzunehmenden Angaben sind immer wieder Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen.

Die vorliegende Entscheidung des Bundesgerichtshofs trägt hier zur Rechtssicherheit bei und stellt klar, dass, abgesehen von Ausnahmefällen, in denen die Angabe zur Bestimmung des Umfangs des Erbrechts notwendig ist, der Berufungsgrund nicht im Erbschein aufzunehmen ist.

Offen gelassen hat der Bundesgerichtshof hingegen die Frage, ob ein Antragsteller seinen Erbscheinsantrag, mit Bindungswirkung für das Nachlassgericht, auf eines oder mehrere bestimmte Testamente, beschränken kann.


Rezension des Beschlusses des BGH  v. 08.09.2021 - IV ZB 17/20 - OLG Hamburg; „Erbschein / Angabe Berufungsgrund", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr. 2 Februar 2022, S.109 ff


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