FamFG, Zuständigkeit, Verweisung aus wichtigem Grund

Leitsatz:

Zu den Voraussetzungen einer Verweisung an ein anderes Nachlassgericht aus wichtigem Grund gemäß § 343 Abs. 3 S. 2 FamFG (im Anschluss an OLG Köln FGPrax 2016, 136; KG FGPrax 2016, 86)

OLG München, Beschluss vom 12.04.2018 - 31 AR 52/18

FamFG § 343 Abs. 3

I. Einführung

Der Erblasser war Miteigentümer eines in Deutschland (Erding) gelegenen Grundstücks. Der Erblasser war nicht Deutscher. Er war kirgisischer Staatsangehöriger. Sein letzter gewöhnlicher Aufenthalt war Talas/Kirgistan. Dort ist er auch am 16.09.2016 verstorben. Er hatte nie einen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.

Das Oberlandesgericht München war gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, Abs. 2 FamFG zur Entscheidung des zwischen den Amtsgerichten Schöneberg und Erding bestehenden Streits über die örtliche Zuständigkeit berufen.

II. Problem

Das OLG München entschied, dass gemäß § 343 Absatz 3 Satz 1 FamFG das Amtsgericht Schöneberg in Berlin zuständig ist.

Dessen Zuständigkeit sei gegeben, wenn der Erblasser Deutscher ist oder sich Nachlassgegenstände im Inland befinden. Gemäß § 343 Absatz 3 Satz 2 FamFG könne das Amtsgericht Schöneberg die Sache aber aus wichtigem Grund an ein anderes Nachlassgericht verweisen.

Nachdem eine örtliche Zuständigkeit eines deutschen Nachlassgerichts gemäß § 343 Absatz 1 und Absatz 2 FamFG nicht begründet sei, sei gemäß § 343 Absatz 3 Satz 1 FamFG grundsätzlich das Amtsgericht Schöneberg in Berlin örtlich zuständig, da sich Nachlassgegenstände (Grundstück) im Inland befinden würden.

Ein wichtiger Grund, aufgrund dessen das Amtsgericht Schöneberg in Berlin die Nachlasssache an ein anderes Nachlassgericht – hier das Amtsgericht Erding – verweisen könnte, sei nicht ersichtlich.

Das Amtsgericht Schöneberg habe das Nachlassverfahren ohne jede einzelfallbezogene Zweckmäßigkeitsprüfung an das Amtsgericht Erding, in dessen Bezirk sich ein Nachlassgegenstand befindet, verwiesen. Diese Praxis stehe in offensichtlichem Widerspruch zur grundsätzlichen Zuständigkeitsverteilung nach § 343 Absatz 3 Satz 1 FamFG, das für den Fall, dass der Erblasser sich nicht in Deutschland aufgehalten hat, die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Schöneberg unter anderem gerade daran anknüpft, dass sich ein Nachlassgegenstand im Inland befindet. Ein wichtiger Grund für diese Verweisung liege nicht vor. Weder der Umstand, dass sich das Amtsgericht Schöneberg entlasten will, noch das bloße Befinden eines Nachlassgegenstandes – hier des Grundstücks – in einem anderen Gerichtsbezirk, würden einen wichtigen Grund für eine Verweisung darstellen (KG FGPrax 2016, 86 Keidel/Zimmermann, § 343 Rn. 80). Die pauschale, dem Gesetz in dieser Form widersprechende Begründung des Amtsgerichts Schöneberg in seinem Beschluss („Nachlassgegenstände befinden sich im dortigen Bezirk“) reiche zur Begründung einer Verweisung aus wichtigem Grund nicht aus.

Das Amtsgericht Erding sei auch nicht durch bindende Wirkung des Verweisungsbeschlusses (§ 3 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 343 Abs. 3 S. 2 FamFG) zuständig geworden. Die Bindungswirkung trete nicht ein, wenn es dem Verweisungsbeschluss an jeder rechtlichen Grundlage fehlt, so dass er objektiv willkürlich erscheint (vgl. Keidel/Zimmermann, FamFG, aaO § 343 Rn. 81). So liege der Fall hier.

Woraus sich ein Verweisungsgrund ergeben soll, habe das Amtsgericht Schöneberg nicht mitgeteilt. Die Gründe des Beschlusses würden sich auf die bereits vom OLG Köln (FGPrax 2016, 136) als auch vom KG (aaO) beanstandete formelhafte Wendung „Die Nachlassgegenstände befinden sich im dortigen Gerichtsbezirk“ beschränken. Darüber hinaus lasse die Begründung in keiner Weise erkennen, mit welchen Erwägungen das Amtsgericht Schöneberg die Voraussetzungen einer Verweisung nach § 343 Abs. 3 S. 2 FamFG als gegeben angesehen habe. Schließlich komme hinzu, dass selbst das tatsächliche Vorhandensein wichtiger Gründe zwar notwendige, keineswegs aber hinreichende Bedingung für eine auf § 343 Abs. 3 S. 2 FamFG gestützte Verweisung sei. Denn unter den dort normierten Voraussetzungen könne das Amtsgericht Schöneberg die Sache an ein anderes Gericht verweisen. Es habe deshalb nach pflichtgemäßem Ermessen zu prüfen, ob gleichwohl überwiegende Gründe dafür sprechen, von einer Verweisung abzusehen. Dem angefochtenen Beschluss sei nicht zu entnehmen, dass dem Nachlassrichter des Amtsgerichts Schöneberg dieses Ermessen überhaupt bewusst gewesen ist; erst recht sei nicht zu erkennen, dass er es ausgeübt hat.

Da nach all dem bislang keine bindende Entscheidung im Sinne des § 3 Abs. 3 S. 2 FamFG getroffen worden sei, ergebe sich die Zuständigkeit aus den gesetzlichen Vorschriften. Zuständig sei demnach gemäß § 343 Abs. 3 S. 1 FamFG das Amtsgericht Schöneberg.

III. Fazit

Vorliegend hatte sich erneut ein Gericht mit einer Verweisung des Amtsgerichts Schöneberg im Rahmen einer Nachlasssache zu beschäftigen.

Wie schon zuvor erfolgte die Verweisung nach § 343 Abs. 3 S. 2 FamFG mit einer viel zu pauschalen und den Anforderungen der Norm nicht genügenden Begründung. Es wurde lediglich ausgeführt, dass sich Nachlassgegenstände im Bezirk des anderen Gerichts befinden. Die Ausübung einer Ermessensentscheidung war nicht ersichtlich.

Nach dem OLG Köln und dem Kammergericht hat nun auch das OLG München in diesem Sinne entschieden. Warum es weiterhin noch zu diesen Fällen kommt, bleibt unverständlich.


Rezension des Beschlusses des OLG München v. 12.04.2018 - 31 AR 52/18 „FamFG / Zuständigkeit / Verweisung aus wichtigem Grund", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.7 Juli 2018, S.389 f


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