Familiengerichtliche Genehmigung; Erbausschlagung; Ermittlungen; Überschuldung

Leitsätze:

  1. Das Verfahren zur familiengerichtlichen Genehmigung einer Erbausschlagung nach § 1643 Abs. 2 BGB ist eine Kindschaftssache nach § 151 Abs. 1 Nr. 1 FamFG (vgl. Hammer in: Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl. 2018, § 151 FamFG, Rn. 7). (Rn. 8)
  2. Zur Frage der Erbausschlagung für ein minderjähriges Kind bedarf es über gerichtsinterne Nachfragen hinaus weiterer Ermittlungen (§ 26 FamFG). Dazu gehören neben der Beiziehung der Nachlassakten eine sorgfältige Prüfung einer möglichen Überschuldung sowie die Ermittlung der Gründe bereits erfolgter vorrangiger Erbausschlagungen (vgl. Prütting in: Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl. 2018, § 26 FamFG, Rn. 35b). (Rn. 8)
  3. Eine die gerichtliche Ermittlungspflicht des Gerichts nach § 26 FamFG möglicherweise einschränkende Obliegenheit zur Glaubhaftmachung eines Ausschlagungsgrundes sieht das FamFG indessen in Nachlasssachen für die Entgegennahme von Erklärungen (§ 342 Abs. 1 Nr. 5 FamFG), anders als etwa in Erbscheinsverfahren (§ 352 ff FamFG) oder in Erbauseinandersetzungsverfahren (vgl. § 363 Abs. 3 FamFG), für den Fall einer Erbausschlagung wegen Nachlassüberschuldung nicht vor. (Rn. 9)
  4. Schlagen vor der Beschwerdeführerin berufene und dem Erblasser näherstehende gesetzliche Erben die Erbschaft wegen Überschuldung aus, kann dies eine Indizwirkung für eine Überschuldung schaffen (vgl. OLG Rostock NotBZ 2017, 278 Rn. 4). (Rn. 10)
  5. Da nahe Angehörige eines Verstorbenen in der Regel zuverlässige Erkenntnisquellen darüber haben, wie es um den Nachlass tatsächlich bestellt ist, hat das Familiengericht diese Personen in seine Ermittlungen einzubeziehen, bei ihnen etwa die den Erbausschlagungen zugrunde liegende Kenntnisse nachzufragen und sie gegebenenfalls - wenn durch eine Nachfrage auf schriftlichem Wege keine ausreichenden Erkenntnisse gewonnen werden können - persönlich anzuhören (vgl. OLG Zweibrücken, FamRZ 2017, 296 Rn. 19). (Rn. 10)

OLG Brandenburg (4. Senat für Familiensachen), Beschluss vom 11.09.2018 - 13 WF 114/18

FamFG §§ 26, 151, 342 Abs. 1 Nr. 5
BGB § 1643 Abs. 2

I. Einführung

Das beschwerdeführende, minderjährige Kind begehrt die gerichtliche Genehmigung einer für es erklärten Erbausschlagung in einer Nachlassangelegenheit.

Die alleinsorgeberechtigte Kindesmutter hat nach Versterben des Erblassers, des Großonkels des Kindes väterlicherseits, nachdem neben weiteren möglichen Erben auch der Kindesvater die Erbschaft wegen Überschuldung ausgeschlagen hatte, die Erbschaft für das Kind ebenfalls wegen Überschuldung ausgeschlagen und hierfür die familiengerichtliche Genehmigung erbeten.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht die Genehmigung versagt, da die gesetzliche Vertreterin eine Überschuldung des Nachlasses in Ansehung eines zum Nachlass gehörenden Anspruchs über 3.816,69 € aus einer Risikolebensversicherung nicht nachgewiesen habe.

Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Amtsgericht mit Nichtabhilfebeschluss dem OLG Brandenburg vorgelegt.

Die Beschwerdeführerin erbittet zuletzt die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht nach § 69 Abs. 1 S. 3 FamFG.

II. Problem

Die nach § 58 ff statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts, hatte nach Ansicht des OLG Brandenburg vorläufig dahingehend Erfolg, dass die Sache aufgehoben und an das Amtsgericht zurückverwiesen wurde, § 69 Abs. 1 S. 3 FamFG.

Die Erbausschlagung sei genehmigungsbedürftig nach § 1643 Abs. 2 S. 1 BGB, da die alleinsorgeberechtigte Kindesmutter außerhalb des Erbganges stehe, sodass die Ausnahmevoraussetzungen einer Genehmigungsfreiheit nach S. 2 fehlen. Die Ausschlagung eines überschuldeten Nachlasses entspreche regelmäßig sowohl dem Kindeswohl als auch den Vermögensinteressen des Kindes.

Das Verfahren des Amtsgerichts, nach dessen Standpunkt es auf eine Überschuldung des Nachlasses ankommt, leide an einem wesentlichen Mangel, weil es diesen von ihm selbst für erheblich gehaltenen Umstand nicht ausreichend aufgeklärt hat. Das Verfahren zur familiengerichtlichen Genehmigung einer Erbausschlagung nach § 1643 Abs. 2 BGB sei eine Kindschaftssache nach § 151 Abs. 1 Nr. 1 FamFG (vgl. Hammer in: Prütting/Helms, FamFG, § 151 FamFG, Rn. 7); in diesen Verfahren gelte der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG). Das Familiengericht sei deshalb verpflichtet, den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären und hierbei sämtliche Umstände zu ermitteln, die ihm eine Prüfung und Gesamtwürdigung der entscheidungserheblichen Umstände ermöglichen. Dabei müsse das Gericht zwar nicht jeder nur denkbaren Möglichkeit nachgehen. Der Umfang der einzuleitenden und durchzuführenden Amtsermittlung sei aber so weit auszudehnen, wie es die Sachlage erfordert. Richtung und Umfang der Ermittlungen, die sich stets an der Lage des Einzelfalls orientieren müssten, würden durch die Tatbestandsmerkmale der anzuwendenden materiell-rechtlichen Vorschriften bestimmt und begrenzt. Zur Frage der Erbausschlagung für ein minderjähriges Kind bedürfe es über gerichtsinterne Nachfragen hinaus weiterer Ermittlungen. Dazu würden neben der Beiziehung der Nachlassakten eine sorgfältige Prüfung einer möglichen Überschuldung sowie die Ermittlung der Gründe bereits erfolgter vorrangiger Erbausschlagungen gehören (vgl. Prütting in: Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl. 2018, § 26 FamFG, Rn. 35b).

Das Amtsgericht sei demgegenüber verfahrensfehlerhaft davon ausgegangen, die Erteilung der Genehmigung hinge von der Glaubhaftmachung eines Ausschlagungsgrundes ab. Eine die gerichtliche Ermittlungspflicht des Gerichts möglicherweise einschränkende Obliegenheit zur Glaubhaftmachung eines Ausschlagungsgrundes sehe das FamFG indessen in Nachlasssachen für die Entgegennahme von Erklärungen (§ 342 Abs. 1 Nr. 5 FamFG), anders als etwa in Erbscheinsverfahren (§ 352 ff FamFG) oder in Erbauseinandersetzungsverfahren (vgl. § 363 Abs. 3 FamFG), für den Fall einer Erbausschlagung wegen Nachlassüberschuldung nicht vor.

Die insoweit geltenden Grundsätze habe das Amtsgericht unbeachtet gelassen. Vorliegend hätten schon zahlreiche vor der Beschwerdeführerin berufene und dem Erblasser näherstehende gesetzliche Erben die Erbschaft wegen Überschuldung ausgeschlagen, was bereits eine Indizwirkung für eine Überschuldung schaffen könne (vgl. OLG Rostock NotBZ 2017, 278 Rn. 4). Da nahe Angehörige eines Verstorbenen in der Regel zuverlässige Erkenntnisquellen darüber hätten, wie es um den Nachlass tatsächlich bestellt ist, habe das Familiengericht diese Personen in seine Ermittlungen einzubeziehen, bei ihnen etwa die den Erbausschlagungen zugrunde liegenden Kenntnisse nachzufragen und sie gegebenenfalls - wenn durch eine Nachfrage auf schriftlichem Wege keine ausreichenden Erkenntnisse gewonnen werden können - persönlich anzuhören (vgl. OLG Zweibrücken, FamRZ 2017, 296 Rn. 19).

Die unterlassene Aufklärung führte, um der Beschwerdeführerin keine Tatsacheninstanz zu entziehen, zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht, damit dieses die notwendigen Ermittlungen (§ 26 FamFG) nachholen kann.

III. Fazit

Die Entscheidung verdeutlicht die Bedeutung und die Anforderungen des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 26 FamFG) im Verfahren zur familiengerichtlichen Genehmigung einer Erbausschlagung nach § 1643 Abs. 2 BGB.

Eine Obliegenheit zur Glaubhaftmachung des Ausschlagungsgrundes besteht in diesem Verfahren gerade nicht. Etwas anderes gilt aber etwa im Erbscheinsverfahren (§ 352 ff FamFG) oder im Erbauseinandersetzungsverfahren (vgl. § 363 Abs. 3 FamFG).

Zu den notwendigen Ermittlungen gehört etwa die Beiziehung der Nachlassakten, die sorgfältige Prüfung einer möglichen Überschuldung und beispielsweise die Ermittlung der Gründe bereits erfolgter vorrangiger Erbausschlagungen durch schriftliches Nachfragen oder persönliche Anhörung der Ausschlagenden.


Rezension des Beschlusses des OLG Brandenburg v. 11.09.2018 - 13 WF 114/18 „Familiengerichtliche Genehmigung / Erbausschlagung / Ermittlungen / Überschuldung", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.1 Januar 2019, S.57 ff


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