Fassung des Erbscheins bei Nacherbfolge

Leitsatz:

  1. Zur Fassung des Erbscheins nach Eintritt der Nacherbfolge. (amtlicher Leitsatz)
  2. Ist dem Vorerben als Vorausvermächtnis der bewegliche Nachlass und ein Teil des Grundbesitzes zugewandt, muss auch der nach Eintritt der Nacherbfolge erteilte Erbschein angeben, dass sich das Erbrecht auf diese Gegenstände nicht erstreckt. Das kann - wie beim Erbschein für den Vorerben - positiv oder negativ ausgedrückt werden. (amtlicher Leitsatz)
  3. Die zusätzliche Berechnung und Ausweisung des anteiligen Werts des Vorausvermächtnisses im Verhältnis zum Gesamtnachlass ist nicht erforderlich. Das gilt sowohl für den Erbschein für den Vorerben als auch für den Erbschein nach Eintritt der Nacherbfolge. (amtlicher Leitsatz)

OLG München, Beschluss vom 01.10.2014 - 31 Wx 314/14

BGB §§ 2353, 2363

I. Einführung

Gegenstand der Beschwerde war die Frage, wie der Erbschein nach Eintritt der Nacherbfolge zu fassen ist.

Der nach dem Tod des Erblassers erteilte Erbschein vom 10.12.2003 lautete:

J.  (=Erblasser) ist beerbt worden von Ma.  (=Ehefrau) allein.

Nacherbfolge ist angeordnet bezüglich 7/10 des Nachlasses. Das Recht der Nacherben erstreckt sich nur auf das Anwesen H. Die Nacherbfolge tritt ein beim Tode des Vorerben. Nacherben sind Mo. (=Tochter, Beteiligte zu 2), H. (=Sohn, Beteiligter zu 3)“.

Nach dem Tod der Vorerbin hat das Nachlassgericht folgenden Erbschein erteilt „J. ist mit dem infolge Todes der Vorerbin Ma. eingetretenen Nacherbfall beerbt worden von

1. Ma. (= Ehefrau) zu 3/10
2. Mo. (= Tochter) zu 7/20
3. H. (= Sohn) zu 7/20“.

Mit Beschluss vom 6.6.2014 hat das Nachlassgericht den Erbschein dahin berichtigt, dass es hinsichtlich der 3/10 bei der Alleinerbenstellung der Ma. aus dem Erbschein vom 10.12.2003 bleibe.

Der Beschwerdeführer beanstandet, dass die Quoten im Erbschein nicht nachvollziehbar seien. Lege man die Werte zugrunde, die eine Sachverständige 2004 im Hinblick auf Pflichtteilsansprüche ermittelt habe, mache der Wert des Anwesens H. nur 44% aus. Nur auf dieses Grundstück erstrecke sich das Recht der Nacherben.

II. Problem

Die zulässige Beschwerde war auch begründet. Nach der Ansicht des Beschwerdegerichts brachte der Erbschein vom 13.11.2013 auch in der berichtigten Fassung die Erbrechtslage nach Eintritt des Nacherbfalls nicht zutreffend zum Ausdruck.

Das Recht der Nacherben beziehe sich nicht auf den gesamten Nachlass. Aus dem Testament ergebe sich, dass sich das Recht der Nacherben auf das Hausgrundstück H. beschränken solle. Das bedeute, dass sich die Nacherbfolge nicht auf das bewegliche Vermögen und nicht auf die übrigen Grundstücke erstrecke.

Der Erbschein habe diese Beschränkung der Nacherbenrechte mit dem Zusatz „Das Recht der Nacherben erstreckt sich nur auf das Anwesen H.“ richtig wiedergegeben. Damit sei zugleich zum Ausdruck gebracht, dass die als Alleinerbin eingesetzte Ehefrau das gesamte übrige Vermögen (im Wege des Vorausvermächtnisses) unbeschwert durch die Nacherbfolge erworben habe.

In gleicher Weise müsse der nach Eintritt des Nacherbfalls zu erteilende Erbschein eindeutig zum Ausdruck bringen, wer jetzt zu welchem Anteil (Nach-)Erbe sei und inwieweit das (Nach-)Erbrecht beschränkt sei. Nacherben seien hier nur die Beteiligten zu 2) und 3) zu gleichen Teilen. Ihr Erbrecht als Nacherben beschränke sich auf das Anwesen H.

Dies gehe aus dem Erbschein vom 13.11.2013 auch nach dessen Berichtigung nicht hervor. Er weise als Erbin nach eingetretenem Nacherbfall die inzwischen nachverstorbene Vorerbin zu 3/10 aus mit dem Hinweis, dass es insoweit an ihrer Alleinerbenstellung aus dem Erbschein vom 10.12.2003 verbleibe, daneben als Miterben die Beteiligten zu 2) und 3) zu je 7/20. Die Quoten würden sich offenbar daraus ergeben, dass bei Erteilung des Erbscheins vom 10.12.2003 der anteilige Wert des Anwesens H. im Verhältnis zu den nicht der Nacherbfolge unterliegenden Nachlassbestandteilen berechnet und in den Erbschein aufgenommen worden war („Nacherfolge ist angeordnet bezüglich 7/10 des Nachlasses. Das Recht der Nacherben erstreckt sich nur auf das Anwesen H. ...“). Dabei sei das vereinfachte Sachwertverfahren angewendet worden, das zu anderen Werten geführt habe als das Gutachten der Sachverständigen.

Die zusätzliche Angabe des anteiligen Wertverhältnisses sei hier überflüssig und irreführend, denn der Erblasser habe für die Nacherbfolge bzw. die Ausnahme davon nur auf bestimmte Vermögensgegenstände abgestellt und nicht auf deren anteiligen Wert am Gesamtvermögen. Der Umfang der Nacherbfolge könne durch Angabe des betreffenden Vermögensgegenstandes im Erbschein eindeutig bestimmt und abgegrenzt werden.

Die gegenteilige Auffassung (Graf, Nachlassrecht, 10. Aufl. 2014, Rdnr. 4.283 ohne nähere Begründung) orientiere sich offenbar an der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 17.12.1965 (BayObLGZ 1965, 458465). Diese Entscheidung befasse sich im Wesentlichen mit der Auslegung eines Testaments und gebe unter Ziffer IV. Hinweise zur weiteren Sachbehandlung durch das Landgericht, unter anderem zur Fassung des Erbscheins. Bei der angegebenen Formulierung handele es sich um einen Vorschlag für eine mögliche Fassung. In diesem Zusammenhang werde die Formulierung vorgeschlagen „Bezüglich eines x-tels des Nachlasses ist Nacherbfolge angeordnet. Das Recht der Nacherben erstreckt sich nur auf das Anwesen.“ Aus dieser Anregung zur Fassung des Erbscheins im damals entschiedenen Fall lasse sich aber nicht herleiten, dass bei einer Beschränkung der Rechte des Nacherben auf einen bestimmten Nachlassgegenstand im Erbschein stets sowohl der Gegenstand als auch dessen quotaler Anteil am Nachlasswert anzugeben seien.

Nichts anderes ergebe sich aus der vom Bayerischen Obersten Landesgericht zitierten Entscheidung des Kammergerichts vom 25.01.1940 (JFG 21, 122125). Danach müsse die unmittelbare erbrechtliche Wirkung des Vorausvermächtnisses auf den Umfang der nach § 2363 BGB im Erbschein anzugebenden Nacherbfolge im Erbschein ebenso bezeugt werden wie wenn der Erbe hinsichtlich eines Bruchteils mit der im Übrigen angeordneten Nacherbschaft nicht beschwert sei. Diese Ausführungen würden indes deutlich machen, dass Vorausvermächtnis einerseits und Beschränkung der Nacherbfolge auf einen Bruchteil andererseits zwei unterschiedliche Fallgestaltungen seien, die jeweils die Angabe im Erbschein erfordern würden, dass sich darauf das Recht des Nacherben nicht erstrecke. Die Umrechnung des Vorausvermächtnisses in einen Bruchteil des Nachlasswerts vermenge die beiden Fallgestaltungen.

Es bestehe folglich regelmäßig kein Anlass, für die Gegenstände eines Vorausvermächtnisses, auf die sich das Recht des Nacherben nicht erstreckt, zusätzlich deren wertmäßigen Anteil am Gesamtnachlass zu berechnen und im Erbschein auszuweisen. Es genüge vielmehr, den Umfang des Vorausvermächtnisses - positiv oder negativ - zu bezeichnen (vgl. Fröhler BWNotZ 2005, 16).

Das Nachlassgericht hatte deshalb den Erbschein vom 13.11.2013 einzuziehen und entsprechend dem geänderten Antrag der Beteiligten einen Erbschein entsprechend des Tenors des vorliegenden Urteils zu erteilen:

J. ist mit dem infolge Todes der Vorerbin A. eingetretenen Nacherbfall beerbt worden von

  1. Mo. (= Tochter) zu 1/2
  2. H. (= Sohn) zu 1/2

Das Erbrecht erstreckt sich nur auf das Anwesen H. in ... (Grundbuch ... Bd. ... Bl. ...)

III. Fazit

Die Entscheidung beschäftigt sich mit der Fassung des Erbscheins bei Vor- und Nacherbfall, wenn der Vorerbe bereits ein Vorausvermächtnis erhalten hat.

Das OLG München stellt hier klar, dass die Angabe und Berechnung des Wertverhältnisses zwischen Vorausvermächtnis und Gesamtnachlass nicht zwingend notwendig ist. Ausreichend und oftmals zweckmäßiger ist vielmehr eine Abgrenzung nach konkreten Gegenständen. Diese kann wiederum in positiver oder negativer Weise erfolgen. Der teilweise in der Literatur geäußerten abweichenden Ansicht wird vorliegend nicht gefolgt.

In der Praxis erleichtert dies die Formulierung der Erbscheine für Vor- und Nacherben oftmals erheblich und kann entsprechende Auskünfte von Sachverständigen entbehrlich machen.


Rezension des Beschlusses des OLG München v. 01.10.2014 - 31 Wx 314/14 zu „Fassung des Erbscheins bei Nacherbfolge", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.1 Januar 2015, S. 63 f

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