Gemeinschaftliches Testament; Änderungsvorbehalt; Zustimmung von Dritten

Leitsatz:

In einem gemeinschaftlichen Testament können die Eheleute einen Änderungsvorbehalt auch von der Zustimmung eines Dritten abhängig machen.

OLG Bremen, Beschluss vom 30.08.2017 - 5 W 27/16

BGB §§ 181, 2065 Abs. 1, 2270, 2271, 2361 S. 1

FamFG §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1, 64 Abs. 1, 84, 81 Abs. 1

I. Einführung

Die Beteiligten streiten um die Einziehung eines Erbscheins.

Die Beteiligten sind die Töchter des 2013 verstorbenen Erblassers aus seiner Ehe mit seiner 2007 vorverstorbenen Ehefrau.

Die Eheleute hatten mehrere gemeinschaftliche letztwillige Verfügungen hinterlassen, zuletzt hatte der Erblasser ein notarielles Testament errichtet.

Im Jahre 2000 errichteten die Eheleute ein drittes eigenhändig verfasstes gemeinschaftliches Testament. In diesem Testament setzten sich die Eheleute zunächst wechselseitig zu Erben des gesamten Nachlasses ein, bestimmten zu Erben des Letztversterbenden die Beteiligten zu 1) und 2) zu 40% und ihre Enkel zu 20%. Ferner heißt es darin: „Der Überlebende von uns kann dieses Testament in allen Punkten ändern und anderweitig letztwillig verfügen, jedoch nur in Übereinstimmung mit den Testamentsvollstreckern“. Das Testament schließt mit der Anordnung der Testamentsvollstreckung nach dem Tode des zuletzt Versterbenden und der Benennung von zwei für dieses Amt bestimmten Personen bzw. einer Ersatzperson.

Später errichtete der Erblasser ein notarielles Einzeltestament, in dem er die Beteiligten zu gleichen Teilen zu seinen alleinigen Erben einsetzte, für die Beteiligte zu 1) aber Nacherbschaft nach der Beteiligten zu 2) anordnete und die Beteiligte zu 2) zur Testamentsvollstreckerin bestimmte. In der Präambel der Urkunde erklärte der Erblasser, dass die im Testament aus dem Jahr 2000 enthaltene Formulierung, der Überlebende dürfe „nur in Übereinstimmung mit den Testamentsvollstreckern“ verfügen, lediglich die Erwartung der Eheleute zum Ausdruck bringen sollte, ein Einvernehmen mit den Testamentsvollstreckern herzustellen, ohne sich aber „deren Diktat“ zu unterwerfen. Eine Abstimmung des Inhalts dieses Testaments zwischen dem Erblasser und den als Testamentsvollstrecker benannten Personen hat nicht stattgefunden.

Gestützt auf dieses notarielle Testament beantragte die Beteiligte 2) die Erteilung eines Erbscheins als Vorerbin, sowie die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses. Die im Erbscheinsverfahren u.a. angehörte Beteiligte 1) stimmte der Erteilung zu, so dass der Erbschein erteilt wurde.

Mit weiterem Schreiben beantragte die Beteiligte 1) die Einziehung des Erbscheins. Sie ist der Meinung, dass das letzte Testament des Erblassers unwirksam sei, denn der Änderungsvorbehalt im Testament aus dem Jahre 2000 sei gemäß § 2065 BGB unwirksam, so dass der Erblasser gar nicht entgegen den Bestimmungen aus dem Testament habe testieren dürfen. Selbst bei Annahme der Wirksamkeit der Klausel sei die letztwillige Verfügung aber deswegen unwirksam, weil es dann an der Herstellung des nach der Klausel notwendigen Einvernehmens mit den Testamentsvollstreckern fehle.

Das Amtsgericht - Nachlassgericht – hat den Antrag der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat die Beteiligte zu 1) Beschwerde eingelegt. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Rechtsmittel dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II. Problem

Die Beschwerde hatte nach Auffassung des Senats Erfolg und führe zur Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses und zur Anweisung an das Nachlassgericht, den Erbschein einzuziehen. Der Erbschein gebe die Rechtsnachfolge nach dem Erblasser nicht zutreffend wieder.

Das notarielle Einzeltestament des Erblassers, welches die Grundlage der Rechtsnachfolge im Erbschein sei, sei gem. § 2271 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam.

Die in einem gemeinschaftlichen Testament enthaltenen wechselbezüglichen Anordnungen könnten entgegen § 2271 Abs. 1 S. 2 BGB ausnahmsweise dann durch eine neue letztwillige Verfügung des überlebenden Ehegatten widerrufen werden, wenn sich die Ehegatten durch einen sog. Änderungsvorbehalt ermächtigt haben, abweichend von den getroffenen Anordnungen zu verfügen und auch wechselbezügliche Verfügungen abzuändern (allg. Auffassung vgl. Weidlich in Palandt, § 2271, BGH NJW 1964, 2056; Staudinger/Rainer/Kanzleiter, § 2271, Rn. 56). Dieses Recht zur Abänderung könne von den Ehegatten mit beliebigen Einschränkungen erteilt werden (Staudinger/Kanzleiter a.a.O.).

Zutreffend seien das Nachlassgericht und die Beteiligten zunächst davon ausgegangen, dass es sich bei der Einsetzung der beiden Töchter der Erblasser und ihrer Enkel zu Erben um eine wechselbezügliche Verfügung i.S. der §§ 2270, 2271 BGB handelt. Daher habe der überlebende Erblasser nur dann wirksam anders verfügen können, wenn ihm dieses Recht durch einen Änderungsvorbehalt eingeräumt worden war. Einen solchen Änderungsvorbehalt enthalte das gemeinschaftliche Testament der Eheleute. Dort heiße es mit hinreichender Eindeutigkeit, dass der Überlebende das Testament „in allen Punkten ändern und letztwillig neu verfügen“ kann, wodurch klargestellt sei, dass der überlebende Ehegatte auch von Todes wegen neu verfügen können soll.

Soweit das Nachlassgericht und die Beschwerde allerdings wegen der Regelung in § 2065 BGB Bedenken gegen die Wirksamkeit dieses Änderungsvorbehalts vor dem Hintergrund hatten, dass die Testierenden diese Verfügungsbefugnis für den Überlebenden von der „Übereinstimmung“ der - zukünftigen - Testamentsvollstrecker abhängig gemacht haben, vermochte der Senat diese Bedenken nicht zu teilen.

Das Recht zur Abänderung der gemeinschaftlichen letztwilligen Verfügung könne von den Ehegatten mit beliebigen Einschränkungen versehen werden (Staudinger/Kanzleiter a.a.O.). Das lasse sich damit begründen, dass das Gesetz im Grundsatz von der Bindungswirkung der in einem gemeinschaftlichen Testament getroffenen wechselbezüglichen Verfügungen ausgeht. Der - vereinbarte - Änderungsvorbehalt stelle sich im Verhältnis dazu als eine Ausnahme von der gesetzlichen Regelung dar, die wegen der Testierfreiheit der Erblasser zu akzeptieren sei. Wenn aber die Testierenden dem Überlebenden schon die volle Freiheit einräumen könnten, die im gemeinschaftlichen Testament enthaltenen wechselbezüglichen Verfügungen zu beseitigen, dann könnten sie erst recht diese Freiheit auch wieder einschränken, denn dabei handele es sich um ein Minus im Verhältnis zur vollen Verfügungsfreiheit. Die Bindung der Änderungsbefugnisse an die Zustimmung eines Dritten erweise sich daher nicht als Fall des Verstoßes gegen das Gebot der Höchstpersönlichkeit bei der Abfassung von letztwilligen Verfügungen (§ 2065 Abs. 1 BGB), sondern als Einschränkung einer Rechtsposition, auf die der Betreffende von Gesetzes wegen ohnehin keinen Anspruch habe. Damit sei es den Testierenden grundsätzlich möglich, die Änderung von wechselbezüglichen Verfügungen - hier: die Einsetzung ihrer Kinder und Erben zu bestimmten Quoten - von der Zustimmung eines Dritten abhängig zu machen.

Die hier getroffene Regelung erweise sich auch nicht vor dem Hintergrund als bedenklich, dass die Testamentsvollstreckung nach der insoweit klaren Formulierung im Testament erst mit dem Tode des zuletzt Versterbenden einsetzen sollte. Zwar möge das in dem Fall, in dem der Testamentsvollstrecker in der letztwilligen Verfügung noch nicht benannt ist, problematisch sein, doch hätten die Testierenden hier ja die Personen im Testament - einschließlich einer Ersatzberufung - benannt, so dass auch in Ansehung des zwischenzeitlichen Versterbens des als Testamentsvollstrecker Vorgesehenen grundsätzlich die Möglichkeit bestand, den weiteren Testamentsvollstrecker und den Ersatzberufenen Testamentsvollstrecker anzusprechen.

Entgegen der Annahme der Beteiligten 2) könne die Beschränkung des Änderungsvorbehalts auch nicht als bloßes Mitteilungs- und Beratungserfordernis ausgelegt werden.

Fernerhin verfange auch das Argument nicht, die hier verfolgte Auslegung des Änderungsvorbehalts lasse eine Lösung für den Fall eines unlösbaren Entscheidungskonflikts zwischen den zu Testamentsvollstreckern bestimmten Personen vermissen. Tatsächlich führe diese Situation nämlich nicht zu einem Schwebezustand, sondern es komme eben nicht zur inhaltlichen Änderung des gemeinschaftlichen Testaments, weil es an der Zustimmung der Testamentsvollstrecker fehle.

Schließlich vermöge auch die Erklärung des Erblassers in der Präambel seines Einzeltestaments, der Wille der Eheleute sei nicht dahin gegangen, sich dem Diktat der Testamentsvollstrecker zu unterwerfen, das hier gefundene Auslegungsergebnis nicht zu erschüttern. Bei der Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments komme es auf die Ermittlung des gemeinsamen Willens beider Testierender an (Staudinger/Rainer Kanzleiter (2014) Vorbemerkungen zu §§ 2265 ff Rn. 47). Spätere Erklärungen eines von beiden Eheleuten könnten zwar ein wichtiges Indiz für die Ermittlung der Vorstellungen der Testierenden sein, müssten aber mit der gebotenen Vorsicht gewürdigt werden, da die Vermutung naheliege, dass damit der Wunsch nach Durchsetzung der aktuellen Interessen des überlebenden Ehegatten verbunden sein kann.

Da das Beschwerdegericht den Erbschein nicht einziehen konnte, wurde das Nachlassgericht insoweit angewiesen (MüKo/Grziwotz, § 2361 BGB, Rn. 48 m.w.N.).

III. Fazit

Die Entscheidung beschäftigt sich mit einer auch für die Praxis interessanten Gestaltung eines gemeinschaftlichen Testaments in Form der Verknüpfung eines Änderungsvorbehalts mit einem Zustimmungserfordernis durch einen Dritten.

Nach der Entscheidung des OLG Bremen ist eine derartige Gestaltung möglich. Das Recht zur Abänderung kann von den Ehegatten mit beliebigen Einschränkungen erteilt werden. Das Gericht stützt seine Entscheidung auf das zugrundeliegende Regel-Ausnahme-Verhältnis. Grundsätzlich sind die wechselbezüglichen Verfügungen bindend. Wenn aber Eheleute mit der Verfügung einer Abänderungsbefugnis dem Überlebenden schon die volle Freiheit einräumen können, die wechselbezüglichen Verfügungen zu beseitigen, dann können sie erst recht diese Freiheit auch wieder einschränken.

Insbesondere in Fallgestaltungen bei denen zu erwarten ist, dass der überlebende Ehegatte zu einer Änderung gedrängt werden könnte, kann diese Gestaltung einer Überlegung wert sein.


Rezension des Beschlusses des OLG Bremen v. 30.08.2017 - 5 W 27/16 „Gemeinschaftliches Testament / Änderungsvorbehalt / Zustimmung von Dritten", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.1 Januar 2018, S.54 f


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