Gemeinschaftliches Testament; Anfechtung; Wirkungen

Leitsatz:

Zum Umfang der Wirkung einer erfolgreichen Anfechtung eines gemeinschaftlichen Testaments im Hinblick auf die Wirksamkeit früherer Verfügungen von Todes wegen.

OLG München, Beschluss vom 24.07.2017 - 31 Wx 335/16

BGB §§ 133, 2084, 2247 Abs. 1, 2270 Abs. 3, 2361

I. Einführung

Die Erblasserin ist 2009 verstorben. Der Beteiligte zu 1) war ihr Ehemann, die Beteiligten zu 2) und 3) die gemeinsamen Kinder.

Die Erblasserin hatte mit dem Beteiligten zu 1) zwei gemeinschaftliche Testamente errichtet. Im ersten Testament setzten sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben ein. Im späteren zweiten Testament setzten sich die Ehegatten ebenfalls gegenseitig zu Alleinerben ein und beriefen die gemeinsamen Söhne zu Erben des Letztversterbenden.

Nach dem Tod seiner Ehefrau ging der Beteiligte zu 1) eine eingetragene Partnerschaft ein, in deren Folge er die Schlusserbeneinsetzung der Beteiligten zu 2) und 3) aus dem späteren Testament wegen Übergehen eines Pflichtteilsberechtigten angefochten hat.

In dieser Urkunde heißt es auszugsweise:

Mit wirksamer Anfechtung der Schlusserbeneinsetzung der Kinder in dem gemeinschaftlichen Testament entfallen auch sämtliche letztwilligen Verfügungen von Todes wegen, die hierzu wechselbezüglich sind. […] Steht die Schlusserbeneinsetzung der Kinder im Verhältnis zur Erbeinsetzung von Herrn B. durch seine Ehefrau im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit, entfällt bei Wirksamkeit der Anfechtung auch die Erbeinsetzung von Herrn B. durch seine verstorbene Ehefrau und damit dessen Alleinerbenstellung. Liegt keine anderweitige letztwillige Verfügung der Ehefrau vor, tritt (rückwirkend) auf den Todestag gesetzliche Erbfolge ein, was eine Erbengemeinschaft von Herrn B. mit seinen beiden Kindern zu Folge hat.

Das Nachlassgericht erteilte einen Erbschein, der den Beschwerdeführer zu 1/2, die Beteiligten zu 2) und 3) als Erben zu je 1/4 ausweist.

Der Beschwerdeführer erklärte sodann die Anfechtung seiner Anfechtungserklärung gegenüber dem Nachlassgericht. Er meint, dadurch sei der Erbschein unrichtig geworden und regt dessen Einziehung an.

Das Nachlassgericht hat den Erbschein nicht eingezogen, dagegen richtet sich die Beschwerde.

II. Entscheidung

Das OLG München erachtete die Beschwerde als unbegründet. Der erteilte Erbschein sei nicht unrichtig.

Der Beschwerdeführer habe das Testament wirksam gemäß § 2079 BGB angefochten, sofern er darin die Beteiligten zu 2) und 3) zu seinen Schlusserben eingesetzt hat, denn nach allgemeiner Ansicht könne der überlebende Ehegatte nach dem Eingehen einer neuen Ehe bzw. Lebenspartnerschaft seine eigenen, in einem gemeinschaftlichen Testament getroffenen wechselbezüglichen Verfügungen wegen Übergehens eines Pflichtteilsberechtigten entsprechend §§ 2281 ff. BGB nach dem Tod des Erstversterbenden anfechten (OLG München ZEV 2015, 474).

Rechtsfolge dieser Anfechtung sei auch, dass die eigene Einsetzung des Beschwerdeführers als Alleinerbe durch seine vorverstorbene Ehefrau nach deren Tod weggefallen ist, da diese mit der Schlusserbeneinsetzung der gemeinsamen Kinder wechselbezüglich war.

Den Verlust der Alleinerbenstellung habe der Beschwerdeführer auch nicht dadurch beseitigen können, dass er die Anfechtung der Schlusserbeneinsetzung seiner Söhne mit Erklärung gegenüber diesen wiederrum angefochten hat.

Der Senat teilte die Ansicht des Nachlassgerichts, dass seitens des Beschwerdeführers schon kein zur Anfechtung berechtigender Irrtum vorlag.

Ausweislich der notariellen Urkunde, in der die Anfechtung des Testaments erklärt wurde, habe der beurkundende Notar ausdrücklich über die Folgen dieser Testamentsanfechtung aufgeklärt. Er habe insbesondere darauf hingewiesen, dass mit wirksamer Anfechtung der Schlusserbeneinsetzung auch sämtliche Verfügungen, die hierzu wechselbezüglich sind, entfallen. Für die Annahme eines zur Anfechtung berechtigenden Irrtums des Beschwerdeführers sei mithin kein Raum.

Damit bleibe es dabei, dass durch die wirksam erklärte Anfechtung der Schlusserbeneinsetzung der Beteiligten zu 2) und 3) durch den Beschwerdeführer auch seine Alleinerbeneinsetzung durch seine Ehefrau entfallen ist.

Eine Alleinerbenstellung des Beschwerdeführers lasse sich schließlich auch nicht aus dem früheren Testament herleiten.

Allerdings bestehe grundsätzlich die Möglichkeit, dass nach der erfolgreichen Anfechtung eines Testaments ein früheres oder späteres Testament, dass wegen der wechselbezüglichen Verfügungen an sich nichtig ist, Wirksamkeit erlangt (RGZ 65, 275; 130, 213; Musielak a.a.O. Rn. 45; Staudinger/Kanzleiter BGB § 2271 Rn. 76).

Dies kommt hier aber nicht in Betracht, da die Alleinerbeneinsetzung des Beschwerdeführers durch die Erblasserin im früheren Testament wirksam widerrufen wurde und dieser Widerruf nach wie vor wirksam sei.

Das spätere Testament enthalte keinen ausdrücklichen Widerruf des früheren Testaments bzw. der darin vorgenommenen Verfügungen. Ein Widerruf setzte aber gemäß § 2254 BGB nicht voraus, dass er ausdrücklich erklärt wird, vielmehr könne sich der Widerruf der früheren Verfügung im Wege der Auslegung ergeben. Bei der Testamentsauslegung gemäß § 133 BGB komme es auf den wirklichen Willen des Erblassers an, ohne am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften (BGH ZEV 1997, 376; FamRZ 2012, 26; Leipold in: MüKo/BGB, § 2084 Rn. 1; Czubayko in: Burandt/Rojahn Erbrecht, 2. Auflage, § 2084 Rn. 9; Firsching/Graf Nachlassrecht, Rn. 1.133; Fleindl in: NK-Erbrecht, § 2084 Rn. 3). Für die Ermittlung dieses Willens seien alle Umstände, auch solche außerhalb des Testaments, heranzuziehen.

Schon der Wortlaut der beiden Testamente lege den Schluss nahe, dass die Erblasserin bei Errichtung des späteren Testaments den Willen hatte, die Einsetzung ihres Ehemanns als Alleinerben im früheren Testament nur dann und insoweit aufrecht zu erhalten, wenn dieser im Gegenzug die gemeinsamen Kinder als seine Schlusserben einsetzt; im Übrigen sollte die frühere Verfügung keinen Bestand mehr haben. Damit habe sich die Stellung des Beschwerdeführers durch das spätere Testament verschlechtert, denn während die Erblasserin ihn im früheren Testament ohne weitere Einschränkungen als ihren Alleinerben eingesetzt hatte, hielt sie diese Verfügung nun nur (noch) insoweit aufrecht, als der Beschwerdeführer seinerseits für den Fall seines Letztversterbens im Gegenzug die gemeinsamen Kinder zu seinen Erben einsetzen würde. Damit wurde die (unbedingte) Alleinerbeneinsetzung des Beschwerdeführers wirksam gemäß § 2254 BGB widerrufen.

Dieser Wille sei auch durch die Schlusserbeneinsetzung der Beteiligten zu 2) und 3) hinreichend im späteren Testament angedeutet und somit formwirksam erklärt, § 2247 Abs. 1 BGB. Dieser Widerruf der Erbeinsetzung werde durch die vom Beschwerdeführer erklärte Anfechtung nicht berührt.

Gemäß § 2270 Abs. 1 BGB werden durch die wirksame Anfechtung einer wechselbezüglichen Verfügung grundsätzlich alle mit ihr im Abhängigkeitsverhältnis stehenden Verfügungen des anderen Ehegatten gleichfalls unwirksam (OLG München ZEV 2015, 474/475; Palandt/Weidlich a.a.O. § 2271 Rn. 33). Andere Verfügungen, insbesondere die nicht im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit zur angefochtenen Verfügung stehenden Verfügungen des vorverstorbenen Ehegatten, werden mithin durch die Anfechtung nicht berührt. Der von der Erblasserin im späteren Testament (konkludent) erklärte Widerruf der unbedingten Alleinerbeneinsetzung ihres Ehemannes ist aber eine einseitige Verfügung, die nach § 2270 Abs. 3 BGB nicht wechselbezüglich und deshalb auch nicht von der Nichtigkeitsfolge des § 2270 Abs. 1 BGB betroffen sein kann.

Damit bleibe es dabei, dass die Erbeinsetzung des Beschwerdeführers im früheren Testament wirksam widerrufen ist, so dass nach dem Tod der Erblasserin gesetzliche Erbfolge eingetreten ist.

Mithin war der vom Nachlassgericht erteilte Erbschein richtig.

III. Fazit

Die Entscheidung veranschaulicht die Folgen der Anfechtung einer letztwilligen Verfügung bei einem gemeinschaftlichen Testament und das Erfordernis einer genauen Prüfung der Rechtsfolgen.

Die Anfechtung einer wechselbezüglichen Verfügung führt grundsätzlich dazu, dass neben der angefochtenen Verfügung selbst auch alle mit ihr im Abhängigkeitsverhältnis stehenden Verfügungen des anderen Ehegatten unwirksam werden. Nicht wechselbezügliche Verfügungen werden durch diese Anfechtung hingegen nicht berührt. Gleichfalls wird die Wirksamkeit von einem Widerruf (als einseitige Verfügung) nicht von der Nichtigkeitsfolge des § 2270 Abs. 1 BGB betroffen.

 


Rezension des Beschlusses des OLG München v. 24.07.2017 - 31 Wx 335/16 „Gemeinschaftliches Testament / Anfechtung / Wirkungen", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.11 November 2017, S.639 f


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