Gemeinschaftliches Testament; spätere Ergänzung

Leitsatz:

Verfügen Eheleute in zwei gemeinschaftlichen Testamenten (1982: "Unser Testament. Wir, die Eheleute […] setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein." und 2006: "Unser Testament. Wir die Eheleute, […] setzen unseren Neffen […] als Alleinerben unserer Eigentumswohnung und unseres Vermögens ein."), so kann die Auslegung ergeben, dass die Eheleute durch das spätere Testament nicht das frühere aufheben, sondern in Ergänzung desselben den Neffen zum Schlusserben bestimmen wollten (hier: Nummerierung der Umschläge mit "Testament I" und "Testament II"; aus starker Ähnlichkeit in Wortlaut und Schriftbild abzuleitende Verwendung des früheren Testaments als Vorlage; keine Dokumentierung eines Aufhebungswillens durch Vernichtung des ersten Testaments oder Hinweis in dem späteren Testament; Hinweis auf gemeinsames Vermögen der Ehegatten als Gegenstand der Erbschaft des Neffen). (amtlicher Leitsatz)

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.06.2016 - I-3 Wx 111/16

BGB §§ 133, 2084, 2265, 2269

I. Einführung

Der Beteiligte zu 1) ist der Witwer der Erblasserin. Die Eheleute hatten zwei gemeinschaftliche Testamente aufgesetzt. Im Jahr 1982 verfügten sie:

„Unser Testament. Wir, die Eheleute E. und M. setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein.“

Das Testament aus dem Jahre 2006 lautet:

„Unser Testament. Wir die Eheleute, E. und M. setzen unseren Neffen H. […] als Alleinerben unserer Eigentumswohnung und unseres Vermögens ein.“

Die beiden Testamente sind dem Nachlassgericht nach dem Tod der Erblasserin von dem Betreuer des Beteiligten zu 1) übergeben worden. Sie befanden sich in Umschlägen, die mit „Testament I“ und „Testament II“ beschriftet waren.

Mit notariell beurkundeter Erklärung hat der Beteiligte zu 1) einen ihn als Alleinerben ausweisenden Erbschein beantragt. Er hat die Auffassung vertreten, die gegenseitige Erbeinsetzung aus dem Testament von 1982 gelte fort. Durch das spätere Testament habe der Beteiligte zu 2) als Schlusserbe i. S. d. § 2269 Abs. 1 BGB eingesetzt werden sollen.

Der Beteiligte zu 2) hat beantragt, den Erbscheinsantrag zurückzuweisen, da er aufgrund des Testaments aus dem Jahr 2006 alleiniger Erbe geworden sei.

Das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag zurückgewiesen. Durch das Testament 2006 sei der Beteiligte zu 2) zum Alleinerben eingesetzt worden. Auf das Testament aus dem Jahr 1982 könne sich der Beteiligte zu 1) nicht berufen, da es durch das in vollständigem Widerspruch dazu stehende nachfolgende Testament aufgehoben worden sei.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beteiligte zu 1) mit seiner Beschwerde, mit der er seinen Erbscheinsantrag weiterverfolgt.  Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Problem

Das OLG erachtete die Beschwerde des Beteiligten zu 1) als zulässig und auch in der Sache als erfolgreich.

Entsprechend dem Antrag des Beteiligten zu 1) sei ihm der beantragte Erbschein zu erteilen. Er sei aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments aus dem Jahr 1982, mit dem sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt haben, Alleinerbe nach der Erblasserin geworden.

Das nachfolgende Testament aus dem Jahr 2006 stehe dem nicht entgegen. Das spätere Testament sei nicht dahingehend zu verstehen, dass die Eheleute nunmehr von der gegenseitigen Erbeinsetzung Abstand nehmen und stattdessen den Beteiligten zu 2) zum Alleinerben bestimmen wollten. Vielmehr ergebe eine Auslegung der beiden letztwilligen Verfügungen, dass die Eheleute durch das spätere Testament in Ergänzung zu dem vorausgegangenen Testament den Beteiligten zu 2) zum Schlusserben gem. § 2269 Abs. 2 BGB bestimmt haben.

Einem solchen einheitlichen Regelungsgehalt der letztwilligen Verfügungen stehe nicht entgegen, dass die entsprechenden Anordnungen in zwei verschiedenen Urkunden mit einem zeitlichen Abstand von nahezu 24 Jahren getroffen wurden. Die gegenseitige Erbeinsetzung und die Schlusserbeneinsetzung durch die Ehegatten müssten nicht zwingend in einer Urkunde erfolgen; möglich sei es auch, diese Regelungen in verschiedenen Urkunden in zeitlichem Abstand zu treffen, sofern der Wille der Testierenden dahin geht, nunmehr beide Verfügungen als eine Einheit gelten zu lassen (BayObLG, FamRZ 1984, 211; MüKo-BGB/Musielak zum BGB, 6. Aufl. 2013, § 2269 Rn. 16). Ein solcher einheitlicher Wille der Eheleute in Bezug auf die in den beiden Testamenten getroffenen Bestimmungen sei hier festzustellen.

Dass die beiden Testamente in Zusammenhang stehen sollten, möge bereits der Nummerierung auf den damit überreichten Umschlägen entnommen werden, sofern die Beschriftung der Umschläge mit „Testament I“ und Testament II“ auf die Testierenden und nicht auf den Betreuer des Beteiligten zu 1) zurückgeht. Für einen einheitlichen Willen spreche auch, dass sich diese in Wortlaut und Schriftbild äußerst ähnlich sind. Selbst die Anordnung des Textes auf dem Schreibpapier sei bei beiden Schriftstücken ähnlich gestaltet. Es liege daher nahe, dass die Erblasserin, die beide Testamente geschrieben hat, bei der Abfassung des zeitlich späteren das bereits vorhandene als Vorlage verwendet hat. Wäre es die Absicht der Eheleute gewesen, die in dem früheren Testament getroffenen Anordnungen aufzuheben, hätte es dann aber nahegelegen, dieses entweder zu vernichten, oder einen entsprechenden Hinweis in das spätere Testament aufzunehmen. Dass die Ehegatten hiervon abgesehen haben, spreche dafür, dass sie die Fortgeltung ihrer gegenseitigen Erbeinsetzung in dem zeitlich früheren Testament als selbstverständlich angesehen haben (vgl. auch BayObLG a. a. O.; Staudinger-BGB/Baldus, § 2269 Rn. 30).

Davon unabhängig hatte der Senat bereits aufgrund der in den letztwilligen Verfügungen getroffenen Bestimmungen keinen Zweifel daran, dass der Beteiligte zu 2) durch das Testament aus dem Jahr 2006 in Ergänzung zu der im vorausgegangenen Testament bestimmten gegenseitigen Erbeinsetzung der Eheleute als Schlusserbe eingesetzt werden sollte.

Bei der Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments, in dem die Ehegatten einen Dritten als Erben benannt, dessen erbrechtliche Stellung aber nicht eindeutig bestimmt haben, sei der Zweck der in Betracht kommenden Erbfolgeregelungen zu berücksichtigen. Dieser liege bei der Schlusserbeneinsetzung regelmäßig darin, das beiderseitige Vermögen als Einheit zu behandeln und sowohl eine verschiedene Rechtsstellung des überlebenden Ehegatten zu den beiden ursprünglichen Teilen des Gesamtvermögens während seiner Lebensdauer als auch die Möglichkeit einer Trennung der beiden Vermögensmassen bei seinem Tode auszuschließen (BayObLG NJW 1967, 1136; Palandt-Edenhofer, § 2269 Rn. 8).

Dass die Ehegatten ihr Vermögen als Einheit ansahen, das durch den Tod eines Ehegatten nicht in zwei getrennte Vermögensmassen zerfallen sollte, ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des Testaments aus dem Jahr 2006, mit dem sie den Beteiligten zu 2) „als Alleinerben unserer Eigentumswohnung und unseres Vermögens“ bestimmt haben. Dieses Verständnis werde durch einen Vergleich mit der im vorausgegangenen Testament verwendeten Formulierung, wonach sich die Eheleute schlicht „gegenseitig zu Alleinerben“ eingesetzt haben, bestätigt. Denn nachdem es die Eheleute zunächst offensichtlich für ausreichend gehalten hatten, ihre gegenseitige Erbeinsetzung zu regeln, zeige der Hinweis auf ihr gemeinsames Vermögen als Gegenstand der Erbschaft des Beteiligten zu 2), dass die durch das vorausgegangene Testament gebildete einheitliche Vermögensmasse nach dem Tod des Längerlebenden als Ganzes auf den Beteiligten zu 2) übergehen sollte.

Für ein solches Verständnis der von den Testierenden getroffenen Anordnungen spricht auch, dass eine gegenseitige Erbeinsetzung der Ehegatten bei einem gemeinschaftlichen Testament üblich ist.

III. Fazit

Bei der häufig gebrauchten Gestaltung der Erbfolge mittels eines sog. „Berliner Testaments“ ist es möglich, die gegenseitige Erbeinsetzung und die Schlusserbeneinsetzung auch in unterschiedlichen und zeitlich aufeinanderfolgenden Urkunden festzulegen.

Wie der vorliegende Fall Zeit, ist hierbei jedoch darauf zu achten, dass der Wille der Testierenden dahingehend, nunmehr beide Verfügungen als eine Einheit gelten zu lassen, eindeutig zum Ausdruck kommt und deutlich gemacht wird, dass gerade keine Aufhebung des früheren Testaments gewollt ist.

Wurde dies nicht beachtet, kann das entsprechende Ergebnis, wie vorliegend, oftmals durch eine Auslegung der Testamente erzielt werden.


Rezension des Beschlusses des OLG Düsseldorf v. 13.06.2016 - I-3 Wx 111/16 „Gemeinschaftliches Testament / Spätere Ergänzung", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.11 November 2016, S.669 f


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