Grundbuchamt; Zweifel an Testierfähigkeit; notarielles Testament

Leitsätze:

  1. Eine Zwischenverfügung des Grundbuchamts, wonach für die Berichtigung des Grundbuchs dahin, dass der durch notarielles Testament bedachte Alleinerbe als Eigentümer eingetragen und eine von ihm zugunsten eines Käufers des Grundstücks bewilligte Auflassungsvormerkung gebucht wird, trotz Vorhandenseins eines notariellen Testaments ein die Alleinerbenstellung ausweisender Erbscheins vorzulegen sei, ist nicht zu beanstanden, wenn sich bei der Feststellung der Erbfolge tatsächliche und ernsthafte Zweifel ergeben, die nur durch weitere - dem Nachlassgericht im Verfahren auf Erteilung eines Erbscheins vorbehaltene - Ermittlungen über die tatsächlichen Verhältnisse geklärt werden können (hier: Testierunfähigkeit der Erblasserin, insbesondere mit Blick auf einen mehrere Jahre zuvor im Betreuungsverfahren vom Gutachter festgestellten, die freie Willensbestimmung ausschließenden, seiner Natur nach nicht nur vorübergehenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit infolge einer mittelgradigen „Demenz im Senium“) . (Rn. 10 – 12)
  2. Der in einem notariellen Testament niedergelegten auf § 28 BeurkG beruhenden Feststellung des Notars, der Erblasser sei zum Beurkundungszeitpunkt testierfähig gewesen, die lediglich die persönliche Überzeugung des Notars auf der Grundlage des mit dem Erblasser geführten Gesprächs zum Ausdruck bringt, kommt über eine gewichtige indizielle Bedeutung im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung zur Frage der Testierfähigkeit des Erblassers eine Bindungswirkung für ein späteres gerichtliches Verfahren, sei es ein Nachlassverfahren oder ein grundbuchrechtliches Eintragungsverfahren, nicht zu. (Rn. 22)

OLG Düsseldorf (3. Zivilsenat), Beschluss vom 20.07.2018 - I-3 Wx 259/17

GBO §§ 71 Abs. 1, 73 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, 75
BeurkG § 28
GNotKG §§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1, 61 Abs. 1 S. 1
BGB § 2229 Abs. 4

I. Einführung

Gestützt auf seine Stellung als testamentarischer Alleinerbe der im Jahre 2017 verstorbenen A, die als Eigentümerin des verfahrensgegenständlichen Grundbesitzes im Grundbuch eingetragen ist und im Jahr 2013 durch notarielles Testament den Beteiligten zu 1), ihren Neffen, zu ihrem Alleinerben bestimmt hatte, und unter Bezugnahme auf einen notariellen Kaufvertrag über das verfahrensgegenständliche Grundstück vom Juni 2017 hat der Beteiligte zu 1) die Berichtigung des Grundbuchs sowie die Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugunsten des Beteiligten zu 2) beantragt.

Das Grundbuchamt hat eine Zwischenverfügung erlassen und die beantragten Eintragungen von der Vorlage eines Erbscheins, der den Beteiligten zu 1) als Alleinerben ausweise, abhängig gemacht. Die rechtliche Stellung des Beteiligten zu 1) als Alleinerbe sei nicht hinreichend nachgewiesen. Es bestünden Zweifel an der Testierfähigkeit der Erblasserin, die sich aus einer Einsichtnahme in die Gerichtsakte über die für die Erblasserin eingerichtete Betreuung sowie aus einer Einsichtnahme in die Nachlassakte ergäben.

Gegen diese Zwischenverfügung richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1), mit der er vorbringt, die Erblasserin sei zum Zeitpunkt der Errichtung des ihn begünstigenden Testaments testierfähig gewesen. Weiter legt der Beteiligte zu 1) Stellungnahmen sowohl des das Testament beurkundenden Notars als auch des Betreuers der Erblasserin vor, die beide bestätigen, dass die Erblasserin über Inhalt und Umfang der von ihr abgegebenen Erklärungen im Klaren gewesen sei.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt.

II. Problem

Das OLG Düsseldorf erachtete die Beschwerde als unbegründet. Die Zwischenverfügung des Grundbuchamts sei nicht zu beanstanden.

Zu Recht habe sich das Grundbuchamt in der angefochtenen Zwischenverfügung auf den Standpunkt gestellt, dass zur Berichtigung des Grundbuchs die Vorlage eines den Beteiligten zu 1) als Alleinerben ausweisenden Erbscheins erforderlich ist.

Beruhe die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, so genüge die Vorlage der Verfügung und der Niederschrift über deren Eröffnung. Erachtet das Grundbuchamt die Erbfolge durch diese Urkunden nicht für nachgewiesen, könne es die Vorlage eines Erbscheins verlangen, § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO.

Grundsätzlich habe danach das Grundbuchamt eine vorgelegte letztwillige Verfügung in Form einer öffentlichen Urkunde selbst auch inhaltlich dahin zu überprüfen, ob sich daraus die Erbfolge ableitet, die im Berichtigungswege im Grundbuch eingetragen werden soll. Der Umfang der Prüfungspflicht des Grundbuchamtes werde jedoch dadurch eingeschränkt, dass im Grundbucheintragungsverfahren tatsächliche Ermittlungen nicht durchgeführt werden dürfen. Deshalb habe das Grundbuchamt trotz Vorliegens eines notariellen Testaments die Beibringung eines Erbscheins zu verlangen und der Erlass einer Zwischenverfügung, § 18 GBO, sei insofern grundsätzlich der verfahrensmäßig gebotene Weg, wenn sich bei der Feststellung der Erbfolge tatsächliche und ernsthafte Zweifel ergeben, die nur durch weitere Ermittlungen über die tatsächlichen Verhältnisse geklärt werden können.

Ernsthafte Zweifel, die das Grundbuchamt aufzugreifen hat, könnten auch in Bezug auf die Frage der Testierfähigkeit des Erblassers begründet sein. Anlass, die Vorlage eines Erbscheins zu verlangen, bestehe allerdings erst dann, wenn begründete Zweifel, beispielsweise gestützt auf ein Urteil oder ein fachärztliches Gutachten, gegeben seien (vgl. OLG München MittBayNot 2015, 221 m.w.N.).

Im vorliegenden Fall sei das Grundbuchamt bei der ihm obliegenden Prüfung zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass durch das von dem Beteiligten zu 1) in Bezug genommene notarielle Testament, die Stellung des Beteiligten zu 1) als Alleinerbe nicht belegt ist. Nach Auswertung der Akten über die für die Erblasserin eingerichteten Betreuung und der Nachlassakte habe das Grundbuchamt zu Recht beachtliche Zweifel an der Testierfähigkeit der Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung des notariellen Testaments angemeldet.

Aus der Betreuungsakte ergebe sich, dass das Betreuungsverfahren auf Anregung eines Facharztes für Neurologie und Nervenheilkunde eingeleitet wurde. Hintergrund sei dessen fachärztliche Einschätzung gewesen, dass die Erblasserin ihre Angelegenheiten wegen des Verdachts auf eine Demenz vom Alzheimertyp nicht mehr in allen Bereichen selbständig und eigenverantwortlich regeln könne. In einem daraufhin vom Betreuungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten sei der Sachverständige in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die Erblasserin in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit, der seiner Natur nach nicht nur ein vorübergehender sei, befinde. Er diagnostizierte eine mittelgradige Demenz im Senium.

Damit befänden sich in der Betreuungsakte bezogen auf die Zeit im Frühjahr/Sommer 2007 zwei voneinander unabhängige fachärztliche Einschätzungen, die dazu geeignet sind, Zweifel an einer Testierunfähigkeit der Erblasserin zu dem deutlich späteren Zeitpunkt im Juli 2013 zu begründen.

Nicht ausreichend entkräftet würden die danach bestehenden erheblichen Zweifel an der Testierfähigkeit der Erblasserin durch die in dem notariellen Testament niedergelegte Feststellung der Überzeugung des Notars, die Erblasserin sei zum damaligen Zeitpunkt testierfähig gewesen. Diese Feststellung beruhe auf § 28 BeurkG und bringe lediglich die persönliche Überzeugung des Notars auf der Grundlage des mit der Erblasserin geführten Gesprächs zum Ausdruck. Die Überzeugungsbildung habe zwar durchaus gewichtige und indizielle Bedeutung im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung zur Frage der Testierfähigkeit eines Erblassers. Irgendeine Bindungswirkung für ein späteres gerichtliches Verfahren, sei es ein Nachlassverfahren oder ein grundbuchrechtliches Eintragungsverfahren, sei mit dieser Feststellung aber nicht verbunden und auch aus der gesetzlichen Vorschrift des § 28 BeurkG, einer Soll-Vorschrift, nicht herzuleiten (vgl. OLG München MittBayNot 2015, 221; OLG Hamm, BeckRS 2014, 22437).

Zu keinem anderen Ergebnis würden die von dem Beteiligten zu 1) zur Begründung seiner Beschwerde eingereichten Stellungnahmen des Notars, der das Testament der Erblasserin vom 15. Juli 2013 beurkundet hat, und des Betreuers der Erblasserin führen. Bei beiden Stellungnahmen handele es sich um persönliche Einschätzungen des Notars bzw. des Betreuers, die aufgrund ihrer beruflichen Erfahrungen durchaus zu qualifizierten Stellungnahmen in der Lage sein mögen. Gleichwohl komme diesen Stellungnahmen kein ausschlaggebendes Gewicht zu, denn ihnen stünden die fachärztlichen Stellungnahmen entgegen.

Bestünden demnach konkrete und begründete Zweifel an der Testierfähigkeit der Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung des den Beteiligten zu 1) begünstigenden Testamentes, sei die Vornahme der von dem Beteiligten zu 1) beantragten Grundbucheintragungen von der Vorlage eines Erbscheins abhängig zu machen.

III. Fazit

Die Entscheidung zeigt, dass, gerade bei der Erstellung von Testamenten für Menschen im höheren Alter, ein besonderes Augenmerk auf die Testierfähigkeit zu legen ist.

Kommt es danach im Erbscheinsverfahren zum Streit über die Testierfähigkeit bei Errichtung des Testaments, kommt der Feststellung des Notars nach § 28 BeurkG, wie die vorliegende Entscheidung verdeutlicht, nur eine, wenn auch gewichtige, indizielle Bedeutung im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung zu. Eine Bindungswirkung für ein späteres gerichtliches Verfahren, sei es ein Nachlassverfahren oder ein grundbuchrechtliches Eintragungsverfahren, kommt der Feststellung des Notars hingegen nicht zu.

Für die Praxis kann sich, gerade bei tatsächlichen und ernsthaften Zweifeln an der Testierfähigkeit, die Einholung eines Gutachtens empfehlen.


Rezension des Urteils des OLG Düsseldorf v. 20.07.2018 - 3 Wx 259/17 „Grundbuchamt / Zweifel an Testierfähigkeit / Notarielles Testament", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.12 Dezember 2018, S.679 f


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