Internationaler Erbfall; örtliche Zuständigkeit; EuErbVO

Leitsätze:

  1. In internationalen Erbfällen (hier: in Spanien verstorbener Erblasser) ist für die Entgegennahme der Ausschlagungserklärung neben dem nach dem Erbstatut vorgesehenen Gericht das Nachlassgericht zuständig, in dessen Bezirk die erklärende Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. (Rn. 7)
  2. Der Verweisungsbeschluss des Nachlassgerichts entfaltet keine Bindungswirkung für das als zuständig bezeichnete Gericht, wenn die Verweisung unter Versagung rechtlichen Gehörs ergangen ist, d.h. das verweisende Gericht den bekannten Verfahrensbeteiligten nicht vor der Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. (Rn. 8)

OLG Düsseldorf (3. Zivilsenat), Beschluss vom 26.10.2018 - I-3 Sa 1/18

FamFG §§ 3 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 2, 5 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2
EuErbVO Art. 13
IntErbRVG § 31 S. 1
GG Art. 103 Abs. 1

I. Einführung

Mit notariell beurkundeter Erklärung erklärte die Beteiligte die Ausschlagung der Erbschaft nach dem Erblasser. Diese Erklärung übersandte sie an die Amtsgerichte Ratingen und Leer. Das Amtsgericht Ratingen sandte die Erklärung unbearbeitet an die Beteiligte zurück, da es für das Nachlassverfahren nicht zuständig sei. Da der Erblasser in Spanien verstorben sei, müsse die Erklärung an eine spanische Behörde übersandt werden.

Das Amtsgericht Leer gab das Verfahren zuständigkeitshalber an das Amtsgericht Schöneberg ab, da der Erblasser im Zeitpunkt des Erbfalls weder Wohnsitz noch Aufenthalt im Inland gehabt habe. Mit weiterem Beschluss erklärte sich das Amtsgericht Schöneberg für unzuständig. Es führte aus, dass sich die Zuständigkeit, da der Erblasser nach dem 17. August 2015 verstorben sei, nach § 343 Abs. 2 FamFG n.F. nach seinem letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland richte.

Nachdem das Amtsgericht Leer Ratingen als letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers ermittelt hatte, gab es das Verfahren zuständigkeitshalber an das Amtsgericht Ratingen ab. Dieses erklärte sodann, dass das Verfahren nicht übernommen werden könne, da die Bearbeitung des Erbfalls in die Zuständigkeit einer spanischen Behörde falle. Aus Art. 13 EuErbVO folge keine weitere Zuständigkeit des Amtsgerichts Ratingen. Die Ausschlagungserklärung sei nach dieser Vorschrift lediglich zu protokollieren. Die Übermittlung der Erklärung an die im Ausland zuständige Behörde sei Sache der ausschlagenden Person.

Im weiteren Verlauf hat das Amtsgericht Leer das Oberlandesgericht Oldenburg ersucht, das Amtsgericht Ratingen als zuständiges Nachlassgericht zu bestimmen. Das Oberlandesgericht Oldenburg hat die Sache an das Amtsgericht Leer zurückgesandt und erklärt, es sei für die Zuständigkeitsbestimmung nicht zuständig. Zuständiges Gericht sei vielmehr das Oberlandesgericht Düsseldorf, weil das in seinem Bezirk gelegene Amtsgericht Ratingen zuerst mit der Sache befasst gewesen sei. Daraufhin hat das Amtsgericht Leer das Verfahren dem Oberlandesgericht Düsseldorf mit der Bitte übersandt, das Amtsgericht Ratingen als zuständiges Nachlassgericht zu bestimmen.

II. Problem

Das OLG Düsseldorf war gem. § 5 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 FamFG zur Bestimmung des zuständigen Nachlassgerichts berufen, nachdem sich das Amtsgericht Leer rechtskräftig für unzuständig erklärt und das Amtsgericht Ratingen die Übernahme der Sache abgelehnt hat.

Die Verfügung des Amtsgerichts Ratingen war nach Ansicht des Senats „rechtskräftig“ im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 4 FamFG, da es insoweit allein darauf ankomme, dass - wie hier - eine den Beteiligten bekannt gemachte ausdrückliche Kompetenzleugnung vorliegt (O NJW-RR 2013, 520; OLG Brandenburg FamRZ 2011, 56).

Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Leer für die Entgegennahme der Ausschlagungserklärung folge aus Art. 13 EuErbVO, § 31 S. 1 IntErbRVG. Art. 13 EuErbVO begründe eine konkurrierende Sonderzuständigkeit der Gerichte des Mitgliedsstaats, in dem eine Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, für die Annahme der Ausschlagung einer Erbschaft. Dabei beschränke sich die Zuständigkeit nach Art. 13 EuErbVO nicht lediglich auf die Protokollierung der Erklärung. Vielmehr soll die Ausschlagung einer Erbschaft in internationalen Erbfällen erleichtert werden, indem dem Ausschlagenden die Erklärung gegenüber den Gerichten seines Aufenthaltsstaates ermöglicht werde. Eine Erklärung gegenüber diesem Gericht ersetze dabei eine Erklärung gegenüber dem nach dem Erbstatut vorgesehenen Gericht (vgl. Dutta, in: MüKo-BGB, EuErbVO, Art. 13 Rn. 1; Leipold ZEV 2015, 553). Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Leer ergebe sich aus § 31 S. 1 IntErbRVG. Danach sei für die Entgegennahme der Ausschlagungserklärung das Nachlassgericht zuständig, in dessen Bezirk die erklärende Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Leer entfalte keine Bindungswirkung (§ 3 Abs. 3 S. 2 FamFG), durch die eine Zuständigkeit des Amtsgerichts Remscheid begründet worden wäre. Zwar sei ein Verweisungsbeschluss grundsätzlich für das als zuständig bezeichnete Gericht bindend, § 3 Abs. 3 S. 2 FamFG. Die Bindungswirkung entfalle jedoch, wenn die Verweisung unter Versagung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) ergangen ist, d.h. das Gericht den bekannten Verfahrensbeteiligten vor der Entscheidung entgegen § 3 Abs. 1 S. 2 FamFG keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (Keidel, FamFG, § 3 Rn. 37b). Dies sei hier der Fall, da das Amtsgericht Leer die Beteiligte vor Erlass des Verweisungsbeschlusses nicht angehört hat. Die nachträgliche Abgabenachricht sei insoweit nicht ausreichend, so dass der Verweisungsbeschluss keine Bindungswirkung entfalte.

III. Fazit

Die Entscheidung beschäftigt sich mit der Zuständigkeit zur Entgegennahme von Ausschlagungserklärungen in internationalen Erbfällen unter Geltung der EuErbVO.

Nach Art. 13 EuErbVO sind die Gerichte am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Erklärenden für die Entgegennahme der Erklärung über die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft, eines Vermächtnisses oder eines Pflichtteils oder eine Erklärung zur Begrenzung der Haftung der betreffenden Person für die Nachlassverbindlichkeiten, zuständig, wenn diese Erklärungen nach dem Recht dieses Mitgliedstaats vor einem Gericht abgegeben werden können. § 31 IntErbRVG konkretisiert dieses Verfahren für die Anwendung in Deutschland bezüglich der Erklärung zur Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft. Wie die Entscheidung verdeutlicht, verursacht die Vorschrift in der Praxis jedoch noch einige Probleme.


Rezension des Beschlusses des OLG Düsseldorf v. 26.10.2018 - 3 Sa 1/18 „Internationaler Erbfall / Örtliche Zuständigkeit / EuErbVO", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.2 Februar 2019, S.115 f


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