Kosten, Wertermittlung, §2314 Abs. 1 BGB, Nachlassverbindlichkeit

Redaktionelle Leitsätze:

  1. Fallen für die Ermittlung des Nachlasswertes im Rahmen von § 2314 Abs. 1 BGB Kosten für ein Gutachten zur Wertermittlung an, so handelt es sich hierbei um Nachlassverbindlichkeiten.
  2. Keine Nachlassverbindlichkeit liegt hingegen vor, wenn nicht der Erbe, sondern der Pflichtteilsberechtigte als Auskunftsberechtigter ein Gutachten zur Wertermittlung eigenmächtig erstellen lässt. Hierbei kann es sich um Kosten des Rechtsstreits im Sinne des § 91 ZPO handeln, wobei die Erstattungsfähigkeit davon abhängt, ob die Einholung des Privatgutachtens notwendig war, um der Darlegungspflicht im Prozess Genüge zu tun, nicht aber davon, ob dem Pflichtteilsberechtigten ein Wertermittlungsanspruch nach § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB zustand.

OLG Köln, Beschluss vom 16.04.2018 - 17 W 39/18

RPflG § 11 Abs. 1
ZPO §§ 91, 103
BGB § 2314 Abs. 1 S. 1, S. 2

I. Einführung

Der Kläger macht Ansprüche als Pflichtteilsberechtigter gegen die Beklagten als Erben geltend. Während des laufenden Rechtsstreits holten die Beklagten ein Privatgutachten zur Ermittlung des Wertes einer Eigentumswohnung ein, nachdem sie durch Teil-Anerkenntnisurteil hierzu verurteilt worden waren. Dafür fielen Kosten in Höhe von 1.518,61 € an. Der Rechtsstreit endete vor dem Landgericht mit einem Urteil. Danach haben der Kläger 70% und die Beklagten 30% der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Beklagten haben zur Kostenfeststellung unter anderem die ihnen durch die Einholung des Privatgutachtens entstandenen Kosten angemeldet. Sie sind der Ansicht, es handele sich um Kosten des Rechtsstreits, die auf der Grundlage der Kostenentscheidung des Landgerichts aufzuteilen seien. Es handele sich hingegen nicht um Nachlassverbindlichkeiten. Sie seien vom Kläger vorprozessual zu keinem Zeitpunkt aufgefordert worden, ein Wertermittlungsgutachten einzuholen.

Der Kläger verweist darauf, dass ihm als Pflichtteilsberechtigtem, den Nachlass betreffend, ein umfassender Auskunftsanspruch gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB zugestanden habe. Dazu zähle auch der Wert einzelner Nachlassgegenstände. Die diesbezüglich angefallenen Kosten seien Nachlassverbindlichkeiten und von den Beklagten als Erben zu tragen.

Die Rechtspflegerin hat die Festsetzung bezüglich der für die Einholung des Privatgutachtens entstandenen Kosten antragsgemäß durchgeführt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Privatgutachten sei im Hinblick auf einen konkreten Rechtsstreit eingeholt und vom Gericht in seinem Urteil verwertet worden. Der sofortigen Beschwerde des Klägers hat sie nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II. Problem

Die gemäß §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 ff. ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG statthafte und auch im Übrigen unbedenklich zulässige sofortige Beschwerde war nach Ansicht des OLG Köln auch in der Sache selbst erfolgreich.

Der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin sei aufzuheben. Zu Unrecht sei sie davon ausgegangen, dass es sich bei den Kosten für das eingeholte Privatgutachten um Kosten des Rechtsstreits im Sinne des § 91 ZPO handelt.

Gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB habe der Erbe – hier also die Beklagten – dem Pflichtteilsberechtigten auf Verlangen Auskunft über den Bestand des Nachlasses zu erteilen. Ebenso stehe ihm das Recht zu, zu verlangen, dass der Wert des Nachlasses ermittelt wird, § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Ermittlung des Wertes der Nachlassgegenstände erfolge durch ein Gutachten eines unparteiischen und unabhängigen Sachverständigen (BGH NJW 1989, 2887). Die dafür anfallenden Kosten würden dem Nachlass zur Last fallen, § 2314 Abs. 2 BGB und seien folglich Nachlassverbindlichkeiten. Der Erbe sei daneben vorschusspflichtig (Erman/Röthel, BGB, 15. Aufl., § 2314 Rn. 9).

Die Gutachterkosten würden dagegen nicht dem Nachlass zur Last fallen, wenn nicht der Erbe, sondern der Pflichtteilsberechtigte als Auskunftsberechtigter ein Gutachten zur Wertermittlung eigenmächtig erstellen lasse. Die hierfür anfallenden Kosten könne er nicht auf den Nachlass abwälzen (OLG Karlsruhe NJW-RR 1990, 393; OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 454; MüKo-BGB/Lange, § 2314 Rn. 51). Vielmehr handele es sich dann um Kosten des Rechtsstreits im Sinne des § 91 ZPO, deren Erstattungsfähigkeit davon abhänge, ob die Einholung des Privatgutachtens notwendig war, um der Darlegungspflicht im Prozess Genüge zu tun, nicht aber davon, ob dem Pflichtteilsberechtigten ein Wertermittlungsanspruch gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB zustand (OLG München Rpfleger 1983, 486; Lange, a.a.O.). Ebenfalls um nach § 91 ZPO zu beurteilende Kosten des Rechtsstreits handele es sich dann, wenn der Erbe im laufenden Rechtsstreit ein Privatgutachten einholt, um ein Gerichtsgutachten zur Wertermittlung zu widerlegen oder zumindest zu erschüttern oder gegenüber dem Prozessgegner „Waffengleichheit“ herzustellen (OLG Stuttgart ZEV 2007, 536; Palandt/Weidlich, § 2314 Rn. 19).

Somit handele es sich bei den Kosten, die die Beklagten für die Einholung eines Wertermittlungsgutachtens aufgewandt haben, nicht um im Rahmen der Festsetzung gemäß §§ 103 f. ZPO zu berücksichtigende Kosten. Dem Kläger habe kraft Gesetzes ein Wertermittlungsanspruch gegen die Beklagten zugestanden, den diese durch Einholung eines Wertermittlungsgutachtens auf Kosten des Nachlasses zu erfüllen hatten. Die dafür angefallenen Kosten würden auch nicht deshalb der Beurteilung des § 91 ZPO unterfallen, weil die Beklagten das Privatgutachten erst aufgrund ihrer Verurteilung durch Teilurteil eingeholt haben. Anderenfalls würde dem auskunftspflichtigen Erben die Möglichkeit eröffnet, durch Einholung des Gutachtens erst während des laufenden Rechtsstreits die dafür anfallenden Kosten vom Nachlass fernzuhalten und ggf. sogar Erstattung vom Pflichtteilsberechtigten zu erlangen.

Soweit die Beklagten meinten, dass die Erstattungsfähigkeit deshalb gegeben sei, weil das Landgericht das Gutachten verwertet hat und sich dabei auf die Kommentierung von Palandt/Weidlich, a.a.O., beziehen, der seinerseits auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts München (Rpfleger 1983, 486) verweise, weißt das OLG Köln darauf hin, dass diese Ansicht überholt sei. Auf die Tatsache der Verwertung komme es nicht an. Entscheidend sei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, ob die Partei zu dem Zeitpunkt, als sie sich zur Einholung des Privatgutachtens entschloss, ex ante betrachtet diese Maßnahme als sachdienlich ansehen durfte (BGH NJW 2012, 1370). Dass durch das Privatgutachten der Verlauf des Rechtsstreits beeinflusst wird, lehne der Bundesgerichtshof (NJW 2013, 1824 Tz. 8) als Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit ausdrücklich ab. Dies gelte jedenfalls für vorprozessual eingeholte Privatgutachten. Kosten für während des laufenden Rechtsstreits eingeholte Privatgutachten seien ebenfalls nur in Ausnahmefällen erstattungsfähig, etwa wenn der Partei die nötige Sachkunde fehlt, ordnungsgemäß vorzutragen, aus Gründen der Waffengleichheit, etwa weil der Prozessgegner über eine besondere Sachkunde verfügt oder um auf ein vom Gericht eingeholtes Gutachten adäquat erwidern zu können (s. Zöller/Herget, ZPO, § 91 Rn. 13 „Privatgutachten“ m.w.N.).

III. Fazit

Die Kosten der Wertermittlung stellen nicht selten einen Streitpunkt zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigten dar. Die Entscheidung verschafft einen anschaulichen Überblick über die möglichen Konstellationen.

Entstehen die Kosten im Rahmen der Ermittlung des Nachlasswertes nach § 2314 Abs. 1, so handelt es sich hierbei um Nachlassverbindlichkeiten. Dies gilt unabhängig davon, ob die Kosten innerhalb oder außerhalb des konkreten Rechtsstreits entstanden sind. Anders ist dies hingegen zu beurteilten, wenn dem Pflichtteilsberechtigten als Auskunftsberechtigten Kosten im Rahmen einer eigens beauftragten Wertermittlung entstehen. Hierbei kann es sich unter gewissen Voraussetzungen um Kosten des Rechtsstreits im Sinne des § 91 ZPO handeln.


Rezension des Beschlusses des OLG Köln v. 16.04.2018 - 17 W 39/18 „Kosten / Wertermittlung / § 2314 Abs. 1 BGB / Nachlassverbindlichkeit", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.8 August 2018, S.442 f


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