Kostentragung; Erbscheinserteilung

Leitsatz:

Zur Kostentragungspflicht im Erbscheinserteilungsverfahren, wenn nach einem erfolglosen Erbscheinsantrag ein anderer Beteiligter einen erfolgreichen Antrag stellt und sich dabei Ergebnisse des ursprünglichen Verfahrens zunutze macht.

OLG München, Beschluss vom 06.07.2017 - 31 Wx 409/16 Kost

GNotKG § 22 Abs. 1, § 81 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 3, Abs. 6 S. 2
KostO § 2 Nr. 1

I. Einführung

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen den Kostenansatz durch das Nachlassgericht, mit dem ihr die Kosten für die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zur Klärung der Testierfähigkeit des Erblassers in Rechnung gestellt wurden.

Die am ursprünglichen Verfahren beteiligten Gebrüder S. hatten einen gemeinschaftlichen Erbschein auf die Grundlage des Testaments des Erblassers beantragt. Das Nachlassgericht hatte Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers und erholte daraufhin von Amts wegen ein psychiatrisches Sachverständigengutachten zur Klärung der Frage, ob der Erblasser bei Errichtung der Testamente testierfähig war. Nachdem der Sachverständige sein Gutachten erstattet hatte und zu dem Ergebnis kam, der Erblasser sei zwar im Jahre 2009, nicht aber im Jahre 2006 testierunfähig gewesen, wies das Nachlassgericht den vorgenannten Erbscheinsantrag der Gebrüder S. mit der Begründung zurück, der Erblasser sei bei Errichtung des fraglichen Testaments testierunfähig gewesen. Die Beschwerdeführerin war an diesem Erbscheinserteilungsverfahren beteiligt worden.

Hinsichtlich der Kosten des Verfahrens entschied das Nachlassgericht:

Die Kostenentscheidung nach § 81 FamFG ist nicht veranlasst, so dass sich die Kostentragungspflicht nach der Kostenordnung bzw. dem GNotKG richtet.

Die Beschwerdeführerin beantragte sodann ihrerseits einen Erbschein aufgrund des weiteren, vom Erblasser früher errichteten Testaments aus dem Jahr 2006. Diesem Antrag entsprach das Nachlassgericht mit Erteilung des Erbscheins.

Nachfolgend stellte das Nachlassgericht der Beschwerdeführerin die Verfahrenskosten in Rechnung. Es setzte dabei insbesondere Kosten für die Einholung des genannten psychiatrischen Sachverständigengutachtens zur Klärung der Testierfähigkeit des Erblassers an.

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen diesen Kostenansatz. Sie ist der Ansicht, diese Kosten könnten ihr nicht auferlegt werden, da sie nicht in ihrem Erbscheinsverfahren angefallen seien.

Der Vertreter der Staatskasse ist der Ansicht, dass die Beschwerdeführerin die Kosten tragen müsse, weil ihr das Ergebnis des psychiatrischen Sachverständigengutachtens letztlich zugutekomme.

II. Problem

Die Beschwerde war nach der Entscheidung des OLG München zulässig und begründet.

Die angefochtene Entscheidung des Nachlassgerichts sei aufzuheben, da ein Kostenansatz für die Kosten des gerichtlichen Sachverständigengutachtens zur Klärung der Frage der Testierfähigkeit im Hinblick auf die Beschwerdeführerin nicht in Betracht komme.

In diesem Zusammenhang sei es unerheblich, ob der Kostenansatz in dem Erbscheinsantrag der ursprünglich am Verfahren Beteiligten wurzelt, oder ob der Kostenansatz aus dem Erbscheinsantrag der Beschwerdeführerin resultiert.

Bezogen auf den Beschluss des Nachlassgerichts, in dem der Erbscheinsantrag der Gebrüder S. zurückgewiesen wurde, komme eine Kostentragungspflicht der Beschwerdeführerin schon deshalb nicht in Betracht, weil das Nachlassgericht in diesem Beschluss ausdrücklich entschieden hat, dass keine Kostenentscheidung nach § 81 GNotKG ergeht.

Damit liege eine abschließende und ausdrückliche Entscheidung über die Kosten dieses Verfahrens mit der Folge vor, dass sich die Kostentragungspflicht ausschließlich nach § 2 Nr. 1 KostO bzw. § 26 GNotKG richtet. Danach würden aber allein die Antragsteller die Kosten des Verfahrens tragen. Diese seien im vorgenannten Erbscheinsverfahren aber ausschließlich die Gebrüder S. gewesen.

Eine Kostentragungspflicht der Beschwerdeführerin folge auch nicht aus dem Umstand, dass sie ihrerseits (erfolgreich) einen eigenen Erbscheinsantrag gestellt hat und ihr dabei das Ergebnis des Sachverständigengutachtens zugutekam. Eine Kostentragungspflicht könne sich dabei nur aus dem Gesetz (§ 22 ff GNotKG) ergeben, da eine gerichtliche Entscheidung (§ 81 GNotKG) nicht vorliegt.

Die Beschwerdeführerin hafte nicht als Antragstellerin des Erbscheins gemäß § 22 GNotKG für die Kosten des psychiatrischen Sachverständigengutachtens.

Maßgeblich sei insoweit, dass diese Kosten nicht in dem von ihr durch Antragstellung eingeleiteten Erbscheinsverfahren, sondern vielmehr im Erbscheinsverfahren der Gebrüder S. angefallen sind. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass unter dem Begriff des Verfahrens im Sinne des FamFG und damit auch im Sinne des GNotKG nämlich stets das konkrete Nachlassverfahren (Erbscheinserteilung, Erbscheinseinziehung, Ernennung eines Testamentsvollstreckers etc.) und nicht das gesamte Nachlassverfahren nach dem Tode einer Person als Ganzes gemeint ist, denn jedes dieser Verfahren ist selbständig und hat grundsätzlich ein eigenes Schicksal (Rojahn in: Burandt/Rojahn, 2. Aufl. 2014, § 58 FamFG, Rn. 5; Palandt/Weidlich, BGB, § 2353 Rn. 7).

Unter Berücksichtigung und Übertragung dieser Grundsätze auf § 22 GNotKG meine „gerichtliches Verfahren“ damit stets das konkrete Erbscheinserteilungsverfahren und mithin das Verfahren, das durch den Erbscheinsantrag der Beteiligten eingeleitet wurde. Nur bezogen auf diesen Antrag könnten der Beschwerdeführerin Kosten nach dem Grundsatz auferlegt werden, dass derjenige, der ein Verfahren beantragt hat, insoweit als Kostenschuldner herangezogen werden kann. Das gelte jedenfalls dann, wenn, wie vorliegend, der spätere Erbscheinsantrag zu einem Zeitpunkt gestellt wird, in dem über den früheren Erbscheinsantrag bereits abschließend entschieden worden ist (vgl. OLG Stuttgart FGPrax 2011, 50).

Da das psychiatrische Sachverständigengutachten jedoch nicht in diesem Verfahren der Beschwerdeführerin eingeholt wurde, sondern bereits im Erbscheinserteilungsverfahren der Gebrüder S., könnten die Kosten dafür auch nicht im Verfahren der Beschwerdeführerin angesetzt werden.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der vom Bezirksrevisor angeführten Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (FGPrax 2004, 138). In dieser Entscheidung sei es vielmehr so gewesen, dass der Kostenschuldner einen verfahrensrechtlichen Antrag in Aussicht gestellt hatte, woraufhin ein Sachverständigengutachten erholt worden ist und der Antrag dann später ausblieb. Im Gegensatz dazu würde hier mit Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin lediglich angefragt, ob bereits ein Erbscheinsantrag gestellt worden sei. Später erklärte die Beschwerdeführerin im Rahmen der gerichtlichen Anhörung, sich dem Antrag der Gebrüder S. vom selben Tag nicht anschließen zu wollen und äußerte Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers bei Errichtung des späteren Testaments. Dies reiche aber nicht aus, um darin mit der Rechtsprechung des BayObLG insgesamt einen Antrag auf Einleitung eines (eigenen) Nachlassverfahrens zu erblicken.

Die Kostentragungspflicht der Beschwerdeführerin ergebe sich schließlich auch nicht aus § 24 Ziff. 9 GNotKG, da die Erbenermittlung nach dieser Vorschrift nur eine solche nach § 1960 BGB meint.

Aus den vorgenannten Gründen scheide eine Kostentragungspflicht der Beschwerdeführerin für die Kosten des gerichtlichen Sachverständigengutachtens unter allen rechtlichen Gesichtspunkten aus, so dass die Entscheidung des Nachlassgerichts aufzuheben war.

Offen gelassen hat der Senat hingegen, ob das Nachlassgericht im früheren Beschluss der Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens (§ 81 FamFG) mit der Begründung hätte auferlegen können, dass ihr das Gutachten letztlich zugutekäme.

III. Fazit

Die Entscheidung beschäftigt sich mit der Kostentragung im Erbscheinsverfahren und konkretisiert den Begriff des „gerichtlichen Verfahrens“ i.S.v. § 22 GNotKG im Bezug auf das Nachlassverfahren.

Unter dem Begriff ist danach stets das konkrete Nachlassverfahren (Erbscheinserteilung, Erbscheinseinziehung, Ernennung eines Testamentsvollstreckers etc.) und nicht das gesamte Nachlassverfahren nach dem Tode einer Person als Ganzes gemeint.

Nicht entschieden wurde hingegen, in welchem Rahmen den Beteiligten in einem Erbscheinsverfahren die Kosten des Verfahrens nach (§ 81 FamFG) auferlegt werden können, wenn diese das Verfahren nicht eingeleitet haben, aber von den Ergebnissen profitieren.


Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Burandt
Rezension des Beschlusses des OLG München v. 06.07.2017 - 31 Wx 409/16 Kost „Kostentragung / Erbscheinserteilung", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.10 Oktober 2017, S.578 ff


Wie kann ich Ihnen als Fachanwalt für Erbrecht weiterhelfen?

Zurück