Löschung Nacherbenvermerk; Nachweis der Entgeltlichkeit der Verfügung

Leitsatz:

  1. Ein Nacherbenvermerk kann nur dann gelöscht werden, wenn entweder der eingetragene Nacherbe sowie die testamentarisch bestimmten Ersatznacherben die Löschung bewilligt haben oder die Unrichtigkeit des Grundbuchs nachgewiesen ist. (amtlicher Leitsatz)
  2. Die Entgeltlichkeit der Verfügung des Vorerben kann regelmäßig nicht in der Form des § 29 GBO, also durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden. Deshalb sind unter Berücksichtigung der natürlichen Gegebenheiten die gesamten Umstände des Falles unter dem Gesichtspunkt zu prüfen, ob die Entgeltlichkeit im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO offenkundig ist. (amtlicher Leitsatz)

OLG Rostock, Beschluss vom 25.07.2016 - 3 W 136/13

BGB § 516, § 2112, § 2113 Abs. 2, § 2136, § 2137 Abs. 2
FamFG § 38 Abs. 3 S. 3, § 84
GBO § 29 Abs. 1 S. 2, § 51, § 52, § 71, § 73

I. Einführung

Der Antragsteller ist als Erbe der Frau L im Grundbuch eingetragen. Er begehrt die Löschung eines im Grundbuch eingetragenen Nacherbenvermerks.

Das Amtsgericht hatte zu prüfen, ob ein früherer Verkäufer als befreiter Vorerbe entgeltlich an eine andere Rechtspersönlichkeit veräußert hat, da nur eine solche Veräußerung vorliegend ein Ausscheiden des Grundstücks aus dem Nachlass bewirkt haben könnte (§§ 2112, 2113 Abs. 1 und 2, 2136 BGB). In der Folge hat es dem Antragsteller mit einer Zwischenverfügung aufgegeben, weitere Nachweise der Entgeltlichkeit des früheren Verkaufes des Grundstücks beizubringen. Dagegen hat der Antragssteller Beschwerde eingelegt. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG Rostock zur Entscheidung vorgelegt. Der Antragsteller ist der Auffassung, es bestünden keine nachvollziehbaren Zweifel an der Entgeltlichkeit der Grundstücksübertragung. Es sei ein Kaufvertrag und kein Schenkungsvertrag geschlossen worden. Anhaltspunkte für eine verschleierte Schenkung seien nicht ersichtlich. Die dingliche Belastung des Grundbesitzes mit Hypotheken i.H.v. 4.300 RM habe unter dem vereinbarten Kaufpreis gelegen und sei deshalb kein Indiz für einen Verkauf unter Wert. Gegenwärtig werde für das Grundstück ein Kaufpreis zwischen 5.000,00 € und 10.000,00 € diskutiert. Es sei deshalb nicht ersichtlich, warum der Kaufpreis von 6.000 RM im Jahre 1929 nicht dem tatsächlichen Verkehrswert entsprochen haben sollte.

II. Problem

Das OLG erachtete die Beschwerde als nach §§ 71, 73 GBO zulässig, aber in der Sache erfolglos.

Ein Nacherbenvermerk könne nur dann gelöscht werden, wenn entweder der eingetragene Nacherbe sowie die testamentarisch bestimmten Ersatznacherben die Löschung bewilligt haben, oder die Unrichtigkeit des Grundbuchs nachgewiesen ist (§§ 19, 22 Abs. 1 GBO). Da hier keine Löschungsbewilligungen eingeholt werden sollen bzw. können, setze die Löschung des Nacherbenvermerks den Nachweis der Unrichtigkeit voraus. Unrichtig sei das Grundbuch in Bezug auf den Nacherbenvermerk dann, wenn das Grundstück mit Wirkung gegenüber den Nacherben aus dem Nachlass ausgeschieden ist.

Der damalige Verkäufer habe grundsätzlich als befreiter Vorerbe veräußern können. Die Befreiung des Vorerben (§ 2136 BGB) sei im Grundbuch eingetragen. Die Eintragung beschränke die Nacherben auf das, „was von der Erbschaft bei dem Eintritt der Nacherbfolge übrig sein wird“, was eine eindeutige Bezeichnung der Vorerbenbefreiung darstellt (Demharter a. a. O., Rn. 18 und 24 zu § 51 GBO).

Eine unentgeltliche Verfügung über Nachlassgegenstände i.S.v. § 2113 Abs. 2 BGB liege vor, wenn aus dem Nachlass (objektiv) Gegenstände ausscheiden, ohne dass der wirtschaftliche Gegenwert zurückfließt, und wenn der Vorerbe das (subjektiv) erkennt oder erkennen muss (Schmidt in: Erman BGB, § 2113 BGB, Rn. 13 m.w.N.). Maßgeblich sei, ob sich für den Vorerben unter dem Gesichtspunkt ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses und unter Berücksichtigung der Pflicht, die Erbschaft später an den Nacherben herauszugeben, Leistung und Gegenleistung als gleichwertig darstellen. Die Regelungen der §§ 2112, 2113 BGB würden vorrangig dem Schutz des Nacherben dienen. Dieses Schutzinteresse werde nur gewahrt, wenn nicht allein auf den Umstand der Entgeltlichkeit als solcher abgestellt wird, sondern der Nachweis der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung erbracht wird (Demharter, a. a. O., Rn. 35 zu § 51 und Rn. 21 zu § 52 GBO).

Die Entgeltlichkeit der Verfügung des Vorerben könne regelmäßig nicht in der Form des § 29 GBO, also durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden, nachgewiesen werden. Deshalb seien, unter Berücksichtigung der natürlichen Gegebenheiten, die gesamten Umstände des Falles unter dem Gesichtspunkt zu prüfen, ob die Entgeltlichkeit im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO offenkundig ist. Dabei könnten auch Wahrscheinlichkeitserwägungen angestellt werden, die sich auf allgemeine Erfahrungssätze stützen. An den Nachweis der Entgeltlichkeit dürften allerdings nicht zu geringe Anforderungen gestellt werden (OLG Hamm, Beschluss vom 21. Mai 1996, 15 W 109/96, juris).

Maßgeblich sei mithin, ob der Übertragung des Eigentums an dem Grundstück im Jahre 1929 eine gleichwertige Gegenleistung gegenüberstand. Die damaligen Parteien vereinbarten einen Kaufpreis von 6.000 RM. Anhaltspunkte dafür, ob es sich dabei um einen angemessenen Preis des Grundstücks handelt, ergebe sich aus der Möglichkeit, den damals vereinbarten Kaufpreis mit dem heute beabsichtigten Kaufpreis (bis zu 10.000 €) zu vergleichen. Zutreffend habe das Amtsgericht in diesem Zusammenhang darauf abgestellt, ob die mit dem damaligen Kaufvertrag unter Anrechnung auf den Kaufpreis übernommenen Hypotheken noch in voller oder annähernd voller Höhe von 4.300 RM valutierten. Unter Berücksichtigung allgemeiner Erfahrungssätze liege es durchaus nahe, dass die Parteien bei Abschluss des Kaufvertrages davon ausgingen, dass die Hypotheken in Höhe des ausgewiesenen Betrages valutierten und auf den Kaufpreis anzurechnen waren. Allerdings seien die Angaben im Grundbuch von 1929 dazu nicht eindeutig. Es seien zwar verschiedene Belastungen des Grundstücks erkennbar, nicht jedoch, dass Hypotheken über Beträge von 4.300 RM in der Summe bestanden. Im Hinblick auf den Schutz der potentiellen Nacherben treffe es deshalb zu, dass zu belegen ist, ob der übernommenen Hypothek tatsächlich valutierende Forderungen i. H. v. 4.300 RM zugrunde lagen und wer die Gläubiger dieser Forderungen waren. Eigene Ermittlungen habe das Amtsgericht insoweit nicht anzustellen.

III. Fazit

Ist im Grundbuch ein Nacherbenvermerk eingetragen und soll dieser gelöscht werden, so bestehen hierzu zwei Möglichkeiten:

Der eingetragene Nacherbe sowie die testamentarisch bestimmten Ersatznacherben bewilligen die Löschung, oder die Unrichtigkeit des Grundbuchs wird nachgewiesen (§§ 19, 22 Abs. 1 GBO).

Ist es im Rahmen der zweiten Variante notwendig, die Entgeltlichkeit einer (teilweise weit zurückliegenden) Verfügung des Vorerben nachzuweisen (§§ 2112, 2113 Abs. 1 und 2, 2136 BGB), so kann dies Probleme bereiten. Die vorliegende Entscheidung verdeutlicht, dass der Nachweis der Entgeltlichkeit oftmals nicht in der Form des § 29 GBO geführt werden kann.

In der Folge müssen, unter Berücksichtigung der natürlichen Gegebenheiten, die gesamten Umstände des Einzelfalls geprüft werden, um zu ermitteln, ob die Entgeltlichkeit ggf. im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO offenkundig ist.


Rezension des Beschlusses des OLG Rostock v. 25.07.2016 - 3 W 136/13 „Löschung Nacherbenvermerk / Nachweis der Entgeltlichkeit der Verfügung", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.12 Dezember 2016, S.731 f


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