Miterbe; Nacherbfolge; Grundstück; Erwerb von übrigen Erbteilen; Nacherbenvermerk
Leitsatz:
Ist nur für einen Miterben eine Nacherbfolge angeordnet, unterliegt dieser, wenn er die übrigen Erbanteile hinzuerwirbt, hinsichtlich eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks insgesamt den Beschränkungen des § 2113 BGB; bei seiner Eintragung als Grundstückseigentümer ist daher ein Nacherbenvermerk anzubringen (Fortführung von Senat, Beschluss vom 15. März 2007 - V ZB 145/06, BGHZ 171, 350 Rn. 13).
BGH (V. Zivilsenat), Beschluss vom 12.07.2018 - V ZB 228/17
GBO §§ 29, 36 Abs. 1, 51, 78 Abs. 1
BGB §§ 2042, 2113 Abs. 2, 2136, 2377
I. Einführung
Der Vater der Antragstellerin verstarb 1976 und wurde ausweislich des erteilten Erbscheins von ihr und ihrer Mutter zu gleichen Teilen beerbt. Der Erteilung des Erbscheins, demzufolge die Antragstellerin als Vorerbin und für den Fall ihres kinderlosen Versterbens die „Familie“ des Erblassers als Nacherbin eingesetzt worden war, lag ein Testament aus dem Jahr 1973 zu Grunde. In diesem war bestimmt, dass die Antragstellerin „das Anwesen R. Str. “ und ihre Mutter alle übrigen Grundstücke erhalten sollte. Eine Auseinandersetzung des Nachlasses fand zu Lebzeiten der Mutter nicht statt. Diese verstarb 1978 und wurde ausweislich des ausgestellten Erbscheins von der Antragstellerin beerbt.
1983 wurde die Antragstellerin auf der Grundlage der beiden Erbscheine „zufolge Erbfolge und Berichtigung“ als Eigentümerin zweier Grundstücke sowie eines hälftigen Miteigentumsanteils an einem weiteren Grundstück eingetragen. In den Grundbüchern ist jeweils folgender Nacherbenvermerk eingetragen:
„… [die Antragstellerin] ist bezüglich der ideellen Hälfte im Fall eines kinderlosen Todes nur befreite Vorerbin. Nacherbe ist insoweit die ‚Familie‘ des … [Vater der Antragstellerin]. Die Nacherbfolge tritt mit dem kinderlosen Tod der Vorerbin ein.“
Im Jahr 2013 beantragte die Antragstellerin beim Grundbuchamt, die Nacherbenvermerke zu löschen. Sie berief sich darauf, dass sich die Nacherbschaft nur auf das ihr zugedachte, inzwischen aber verkaufte Grundstück R. Straße bezogen habe, während die weiteren Grundstücke, die im Eigentum des Erblassers gestanden hätten, aufgrund der Teilungsanordnung im Testament auf ihre Mutter übergegangen und von dieser an sie vererbt worden seien. Das Grundbuchamt lehnte die Löschung ab; eine hiergegen gerichtete Beschwerde blieb ohne Erfolg.
Im September 2015 hat die Antragstellerin beantragt, sie unter Löschung der Nacherbenvermerke als Alleineigentümerin bzw. (hinsichtlich des dritten Grundstücks) als Miteigentümerin zu 1/2 einzutragen. Dazu hat sie die Ausfertigung eines notariell erteilten Auseinandersetzungszeugnisses gemäß § 36 GBO vorgelegt. In diesem wird ausgeführt, im Testament des Erblassers sei eine Teilungsanordnung dahingehend getroffen worden, dass die Antragstellerin das Anwesen R. Straße und ihre Mutter alle übrigen Grundstücke erhalten solle. Die Antragstellerin habe im Januar 2014 eine Auseinandersetzungserklärung dahin abgegeben, dass sie alle übrigen Grundstücke als Alleinerbin ihrer Mutter zu Alleineigentum erhalte. Sie habe die Einigung bezüglich des Eigentumsübergangs auf sich selbst erklärt sowie ihre Eintragung als Allein- bzw. Miteigentümerin bewilligt und beantragt.
Das Grundbuchamt hat den Antrag abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren Antrag weiter.
II. Problem
Der BGH erachtete die Rechtsbeschwerde als nach § 78 Abs. 1 GBO statthaft und auch im Übrigen gemäß § 78 Abs. 3 GBO i.V.m. § 71 FamFG zulässig, aber unbegründet.
Das Grundbuchamt habe den auf § 36 GBO gestützten Eintragungsantrag zu Recht zurückgewiesen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift würden nicht vorliegen.
Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 GBO würden zum Nachweis der Rechtsnachfolge und der zur Eintragung des Eigentumsübergangs erforderlichen Erklärungen der Beteiligten ein gerichtliches Zeugnis genügen, wenn bei einem zum Nachlass gehörenden Grundstück einer der Beteiligten als Eigentümer eingetragen werden soll. Sei ein Erbschein über das Erbrecht sämtlicher Erben erteilt, so ist nach Absatz 2a auch der Notar für die Erteilung des Zeugnisses zuständig, der die Auseinandersetzung vermittelt hat. Zweck der Vorschrift sei es, die Auseinandersetzung (u.a.) von Erbengemeinschaften zu erleichtern. Voraussetzung für ihre Anwendung sei daher nach einhelliger und zutreffender Ansicht in Rechtsprechung und Literatur, dass eine solche Gemeinschaft besteht und statt der Erbengemeinschaft einzelne ihrer Mitglieder eingetragen werden sollen.
So liege der vorliegende Fall nicht. Zwischen der Antragstellerin und ihrer Mutter habe zwar eine Erbengemeinschaft bestanden, diese habe aber dadurch geendet, dass die Mutter starb und von der Antragstellerin allein beerbt wurde. Zu dem Zeitpunkt, als die in dem Auseinandersetzungszeugnis nachgewiesene Insichverfügung vorgenommen wurde, habe deshalb keine Erbengemeinschaft mehr bestanden, die hätte auseinandergesetzt werden können.
Dies gelte auch dann, wenn in der Hand des letzten Miterben eine Voll- und eine Vorerbenstellung zusammentreffen.
Allerdings sei für die Gütergemeinschaft anerkannt, dass das Gesamthandsverhältnis trotz Vereinigung aller Anteile in der Hand des überlebenden Ehegatten bis zur Auseinandersetzung fortdauert, wenn dieser alleiniger Vorerbe des Erstverstorbenen geworden ist. Begründet werde dies mit den gegenüber den erbrechtlichen Vorschriften den Vorrang beanspruchenden gesetzlichen Regelungen des Güterrechts (vgl. BGH NJW 1964, 768 f.; WM 1976, 478, 479). Im Anschluss hieran werde vereinzelt ein Fortbestehen der Erbengemeinschaft auch für den Fall angenommen, dass sich Vor- und Vollerbenstellung in der Hand des letzten verbleibenden Miterben vereinigen (vgl. Schmid, BWNotZ 1996, 144, 146).
Richtigerweise sei in dieser Konstellation aber von der Beendigung der zuvor bestehenden Erbengemeinschaft auszugehen, so dass es einer Auseinandersetzung des Nachlasses nach den §§ 2042 ff. BGB nicht mehr bedarf. Die Rechtsprechung des Senats zum Fortbestehen der Gütergemeinschaft lasse sich auf die Erbengemeinschaft nicht übertragen. Bei dieser besteht der Sinn und Zweck der gesamthänderischen Bindung darin, den Nachlassgläubigern den Nachlass unverändert zur Befriedigung zu erhalten (vgl. Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. V, S. 495). Dieses Interesse sei nicht betroffen, wenn sich sämtliche Teile des Nachlasses in der Hand des letzten Miterben vereinigen.
Im Hinblick auf einen im Grundbuch eingetragenen Nacherbenvermerk bestehe für ein Fortbestehen der Erbengemeinschaft auch kein Bedürfnis. Denn es sei anerkannt, dass § 36 GBO entsprechend anzuwenden ist, wenn ein Erbe, der zum Teil Vollerbe und zum Teil nur Vorerbe ist, den Teil des Nachlasses, der seiner Quote als Vollerbe entspricht, zur freien Verfügung übernimmt; hierbei müssten die Nacherben jedoch grundsätzlich auf die Eintragung eines Nacherbenvermerks im Grundbuch verzichten und den Nachlassgegenstand dem Vorerben zur freien Verfügung überlassen. An einer solchen Mitwirkung der Nacherben fehle es hier.
Allerdings bedürfe es einer Mitwirkung der Nacherben nach verbreiteter Auffassung dann nicht, wenn der Vorerbe mit der Übernahme eines Nachlassgrundstücks in sein freies Vermögen lediglich in Erfüllung einer Nachlassverbindlichkeit oder einer Teilungsanordnung verfügt. In diesem Fall werde die Verfügung wegen Wegfalls der Verbindlichkeit rechtlich als nicht nachteilig und das Recht der Nacherben als nicht beeinträchtigend angesehen (KG, JFG 22, 98, 100; OLG Hamm FamRZ 1995, 961, 962; BayObLGZ 2001, 118, 120 und OLG Düsseldorf FamRZ 2003, 1781, 1782 - zur Erfüllung eines Vermächtnisanspruchs; Burandt/Rojahn/Lang, Erbrecht, 2. Aufl., § 2113 BGB, Rn. 16 f.).
Auch hieraus folge jedoch Nichts zu Gunsten der Antragstellerin. Danach wäre eine Mitwirkung der Nacherben materiell-rechtlich zwar verzichtbar gewesen, wenn sich die Antragstellerin mit ihrer Mutter im Rahmen der Auseinandersetzung des Nachlasses und in Erfüllung einer entsprechenden Teilungsanordnung des Erblassers darüber geeinigt hätte, dass alle Grundstücke mit Ausnahme des Anwesens R. Straße auf die Mutter übertragen werden. Eine solche Übertragung habe aber nicht stattgefunden. Mit ihrem Tod sei der Anspruch der Mutter auf Übertragung der ihr nach der Teilungsanordnung zugedachten Grundstücke durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit (Konfusion) in der Person der Antragstellerin erloschen (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2009 - IX ZR 19/08, WM 2009, 1048 Rn. 19 mwN). Etwas anderes würde nur gelten, wenn gesetzliche Vorschriften das Bestehenbleiben der Forderung vorsähen (vgl. z.B. §§ 1976, 1991 Abs. 2, §§ 2143, 2175 oder § 2377 BGB) oder wenn dies mit Rücksicht auf schützenswerte Interessen Dritter geboten wäre (vgl. BGH WM 1981, 15, 16; BGH, Urteil vom 23. April 2009 - IX ZR 19/08, WM 2009, 1048 Rn. 20 jeweils mwN); beides sei indessen nicht der Fall.
Auch die Voraussetzungen für eine Berichtigung des Grundbuchs gemäß § 22 GBO würden ebenfalls nicht vorliegen. Denn die Nacherbenvermerke wurden auf Grund der vorgelegten Erbscheine zu Recht eingetragen und die Antragstellerin habe nicht nachgewiesen, dass das Grundbuch diesbezüglich unrichtig geworden wäre.
Die eingetragenen Nacherbenvermerke seien nicht unrichtig. Insbesondere habe der Erwerb der weiteren Hälfte des Nachlasses des Erblassers durch die Antragstellerin aufgrund des Todes ihrer Mutter nicht dazu geführt, dass die Antragstellerin nicht mehr den - von der Befreiung nach § 2136 BGB nicht erfassten - Beschränkungen des § 2113 BGB unterliegt und infolgedessen der Nacherbenvermerk zu löschen ist.
Nach der Rechtsprechung des Senats seien zwei Fälle zu unterscheiden. Werde - wie hier - eine Erbin von dem Erblasser auf die Hälfte als Vorerbin und eine weitere Erbin auf die andere Hälfte als Vollerbin eingesetzt („erste Stufe“), so sei die Vorerbin bei der gemeinschaftlichen Verfügung über ein zum Nachlass gehörendes Grundstück nicht frei, sondern durch die Nacherbfolge beschränkt. Dass sich die Beschränkung auf die an sich unbelasteten Miterben auswirkt, sei hinzunehmen, weil die Belastung der Miterben hier auf die Anordnung des Erblassers zurückgeht (vgl. BGHZ 171, 350 Rn. 13 mwN). Entsprechendes gelte, wenn nur für einen Miterben eine Nacherbfolge angeordnet ist und er die übrigen Erbanteile hinzuerwirbt; er unterliegt dann hinsichtlich eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks insgesamt den Beschränkungen des § 2113 BGB. Bei seiner Eintragung als Grundstückseigentümer sei daher ein Nacherbenvermerk anzubringen. Anders liege es hingegen, wenn eine aus zwei Personen bestehende Erbengemeinschaft dadurch endet, dass einer der Gesamthänder stirbt und der andere Gesamthänder dessen alleiniger Vorerbe („zweite Stufe“) und damit alleiniger Eigentümer eines von der Gesamthand gehaltenen Grundstücks wird. Dann finde § 2113 BGB weder direkte noch entsprechende Anwendung, weil der Schutz des Anteils, der dem Überlebenden schon vorher zu eigenem Recht zustand, hier Vorrang vor den Interessen des Nacherben habe (vgl. BGH WM 1978, 171; BGHZ 171, 350 Rn. 8 f.). In diesem Fall sei daher bei der Eigentumseintragung des Voll- und Vorerben kein Nacherbenvermerk nach § 51 GBO aufzunehmen.
Etwas anderes folge auch nicht aus einer Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts, wonach, wenn jemand als Vorerbe einen Anteil an einer Erbengemeinschaft erbt, die Miteigentümerin eines Grundstücks ist, das Grundbuch, soweit der Nacherbenvermerk eingetragen ist, jedenfalls dann unrichtig wird, wenn der Vorerbe Alleineigentümer wird und weitere Miterbenanteile auch im Weg der Erbfolge hinzuerworben hat (BayObLGZ 1994, 177, 182 sowie Leitsatz zu 2). In Rede stünde vorliegend nicht eine Vereinigung der Miterbenanteile durch Vorerbschaft und anderen Hinzuerwerb („zweite Stufe“), sondern eine bereits durch den Erblasser angeordnete Vorerbschaft („erste Stufe“), bei der sich der Wille des Erblassers nach der Rechtsprechung des Senats durchsetzt.
Das Grundbuch sei auch nicht später unrichtig geworden. Die Antragstellerin habe durch Vorlage des Auseinandersetzungszeugnisses nicht nachgewiesen (§§ 22, 29 GBO), dass sie die Grundstücke wirksam zur freien Verfügung übernommen hat. Denn es fehle der Nachweis, dass die Nacherben auf die Eintragung eines Nacherbenvermerks im Grundbuch verzichtet und der Antragstellerin die Grundstücke zur freien Verfügung überlassen haben.
III. Fazit
Die Entscheidung zeigt auf anschauliche Weise die Fallstricke bei der Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft im Rahmen der Testamentsgestaltung und den Umfang der Beschränkungen nach § 2113 BGB, insbesondere wenn die möglichen weiteren Erbfälle nicht ausreichend berücksichtigt werden. Oftmals wird die Auswirkung der Vor- und Nacherbschaft auf an sich nicht belastete Miterben nicht ausreichend berücksichtigt.
Die Entscheidung stellt klar, dass wenn für einen Miterben eine Nacherbfolge angeordnet ist, dies zur Folge hat, dass dieser, auch wenn er die weiteren Erbanteile erwirbt, hinsichtlich der zum Nachlass gehörenden Grundstücke insgesamt den Beschränkungen des § 2113 BGB unterliegt und ein Nacherbenvermerk einzutragen ist.
Der Ansicht, die ein Fortbestehen der Erbengemeinschaft für den Fall annimmt, dass sich Vor- und Vollerbenstellung in der Hand des letzten verbleibenden Miterben vereinigen, erteilt der BGH vorliegend eine Absage. In dieser Konstellation sei von einer Beendigung der Erbengemeinschaft auszugehen. Die Rechtsprechung des Senats zum Fortbestehen der Gütergemeinschaft lasse sich auf die Erbengemeinschaft nicht übertragen.
Rezension des Beschlusses des BGH v. 12.07.2018 - V ZB 228/17 OLG Frankfurt „Miterbe / Nacherbfolge / Grundstück / Erwerb von übrigen Erbteilen / Nacherbenvermerk", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.12 Dezember 2018, S.677 ff