Nachlassverwalter, Vergütung, Ausschlussfrist

Leitsatz:

Die Ausschlussfrist des § 2 Satz 1 VBVG gilt nicht für die Vergütung des Nachlassverwalters. (Rn. 11 – 14)

BGH, Beschluss vom 14.03.2018 - IV ZB 16/17

BGB §§ 1915 Abs. 1 S. 1,  1987

I. Einführung

Die Beteiligten zu 3) bis 5) und deren inzwischen verstorbene Schwester sind die Kinder und gesetzlichen Erben des Erblassers. Auf Antrag der Erben ordnete das Nachlassgericht die Nachlassverwaltung an. Als Nachlassverwalterin wurde die Beteiligte zu 2) bestellt.

Im Jahr 2010 erklärte sie, das Amt aus gesundheitlichen Gründen niederlegen zu müssen. Sie bat sie um schriftliche Bestätigung der Amtsniederlegung und legte dem Schreiben eine Rechnung für ihre Tätigkeit als Nachlassverwalterin in der Zeit vom 17. Juli 2008 bis 12. Februar 2010 über 594 Arbeitsstunden zu je 100 € bei. Sodann wurde an ihrer Stelle der Beteiligte zu 1) zum Nachlassverwalter bestellt. Im Weiteren beantragte die Beteiligte zu 2) die Festsetzung ihrer Vergütung auf 76.695,50 €. Dem lag nunmehr eine Aufstellung ihrer Arbeitszeit als Nachlassverwalterin (644,5 Stunden) in der Zeit vom 17. Juli 2008 bis 20. Juli 2010 zugrunde.

Das Nachlassgericht hat die Vergütung wie beantragt festgesetzt. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) hat das Beschwerdegericht die Entscheidung des Nachlassgerichts teilweise abgeändert und unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags der Beteiligten zu 2) die Vergütung für ihre Tätigkeit als Nachlassverwalterin im Zeitraum 17. Juli 2008 bis 6. Februar 2012 in Höhe von 25.912,25 € gegen den vom Beteiligten zu 1) verwalteten Nachlass festgesetzt.

Das Beschwerdegericht (FGPrax 2017, 177 = FamRZ 2017, 1881) hatte ausgeführt, dass die Beteiligte zu 2) mit allen Vergütungsansprüchen vor dem 19. Dezember 2008 ausgeschlossen ist. Der Vergütungsanspruch des Nachlassverwalters sei nach §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 Satz 3 BGB i.V.m. § 2 Satz 1 VBVG erloschen, da er nicht binnen 15 Monaten ab der Entstehung beim Nachlassgericht geltend gemacht wurde.

Hiergegen richten sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2) und die Anschlussrechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1).

II. Problem

Der Bundesgerichtshof erachtete die Beschwerde als begründet und hob den angefochtenen Beschluss auf, soweit der Antrag der Beteiligten zu 2) auf Festsetzung ihrer Vergütung als Nachlassverwalterin für die Zeit vor dem 19. Dezember 2008 zurückgewiesen worden war, und verwies die Sache an das Beschwerdegericht zurück. Die Ansprüche seien nicht nach § 2 Satz 1 VBVG erloschen.

Die Frage, ob für den Vergütungsanspruch des Nachlassverwalters die Ausschlussfrist des § 2 Satz 1 VBVG gemäß §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 Satz 3 BGB gilt, werde in Rechtsprechung und Schrifttum unterschiedlich beurteilt.

Neben dem Beschwerdegericht (OLG Frankfurt a. M.) würden das Saarländische OLG (NJW-RR 2015, 844 Rn. 31 f. mit zust. Anm. Stein, NZFam 2015, 574) sowie ein Teil der Literatur (Erman/Horn, § 1987 Rn. 2; Palandt/Weidlich, § 1987 Rn. 1; BeckOGK-VBVG/Bohnert, § 2 Rn. 8; vgl. auch MüKo-BGB/Küpper, § 1987 Rn. 3) die Auffassung vertreten, dass auch bei einem Vergütungsfestsetzungsantrag des Nachlassverwalters die 15-monatige Ausschlussfrist des § 2 Satz 1 VBVG zu beachten sei.

Demgegenüber halte die überwiegende Auffassung im Schrifttum die Bestimmung des § 2 Satz 1 VBVG auf den Fall der Nachlassverwaltung wegen des mit der Regelung verfolgten Zwecks für nicht entsprechend anwendbar (Staudinger/Dobler, BGB, § 1987 Rn. 19; BeckOGK-BGB/Herzog, § 1987 Rn. 30; jurisPK-BGB/Klinck, § 1987 Rn. 8, der allerdings nunmehr in Rn. 8.1 [Aktualisierung vom 5. September 2017] Zweifel äußert; Graf in Firsching/Graf, Nachlassrecht 10. Aufl. Rn. 4.848; Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, 5. Aufl. Rn. 1135; Schulz in Groll, Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung, 4. Aufl., Abschnitt C Rn. 169; Homann, Die Vergütung von Nachlasspfleger, Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter und Nachlassinsolvenzverwalter 2007 S. 184 f.; Otte, ZEV 2004, 9, 11; vgl. auch Rudolf/Eckhardt, ZErbR 2006, 112 ff. zur Vergütung des Nachlasspflegers).

Der Bundesgerichtshof vertritt im Folgenden die letztgenannte Auffassung. Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts gelte die Ausschlussfrist des § 2 Satz 1 VBVG nicht für die Vergütung des Nachlassverwalters. Zwar sei die Nachlassverwaltung gemäß § 1975 BGB eine Unterart der Nachlasspflegschaft und die Ausschlussfrist auf die Vergütung des berufsmäßig tätigen Nachlasspflegers anwendbar (vgl. BGH, IV ZB 13/12, ZEV 2013, 84 Rn. 7). Aber gemäß § 1915 Abs. 1 Satz 1 BGB würden die für die Vormundschaft geltenden Vorschriften nur insoweit entsprechende Anwendung finden, als sich nicht aus dem Gesetz etwas anderes ergibt. Für die Vergütung des Nachlassverwalters enthalte § 1987 BGB jedoch eine von der Vormundschaft und der Nachlasspflegschaft im Übrigen abweichende Bestimmung, so dass die für die Vergütung des Vormunds geltenden Vorschriften einschließlich der Ausschlussfrist des § 2 Satz 1 VBVG dort nicht entsprechend gelten.

  • 1987 BGB bestimme zunächst, dass der Nachlassverwalter, anders als der Vormund oder sonstige Pfleger, stets zu vergüten ist. Grund dieser Regelung sei, dass der Nachlassverwalter zu einer Amtsübernahme nicht verpflichtet ist und seine Tätigkeit vorrangig den privaten Interessen des Erben und der Nachlassgläubiger dient. § 1987 BGB spreche dem Nachlassverwalter darüber hinaus einen Anspruch auf eine „angemessene“ Vergütung zu. Insoweit sei der Nachlassverwalter - anders als der Nachlasspfleger - dem Testamentsvollstrecker, § 2221 BGB, gleichgestellt. § 1987 BGB regele damit den Vergütungsanspruch des Nachlassverwalters nach Grund und Höhe eigenständig und abschließend (vgl. Staudinger/Dobler, BGB (2016) § 1987 Rn. 3 f.; MüKo-BGB/Küpper, § 1987 Rn. 2; Firsching/Graf, Nachlassrecht 10. Aufl. Rn. 4.848; Klingelhöffer, Vermögensverwaltung in Nachlaßsachen, 2002 Rn. 126; Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft 5. Aufl. Rn. 1129; Pfeuffer in Roth/Pfeuffer, Praxishandbuch für Nachlassinsolvenzverfahren 2009 S. 281; Schulz in Groll, Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung 4. Aufl. Abschnitt C Rn. 170; Fromm, ZEV 2006, 298, 300; Otte, ZEV 2004, 9, 11).

Daher gehe der speziell für den Nachlassverwalter geschaffene § 1987 BGB der allgemeinen Regelung in § 1915 Abs. 1, § 1836 Abs. 1 BGB vor (vgl. Staudinger/Dobler, BGB (2016) § 1987 Rn. 4; BeckOGK-BGB/Herzog, § 1987 Rn. 2).

Damit sei der Nachlassverwalter von vornherein aus dem Anwendungsbereich des § 1836 BGB ausgenommen. Nach § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB werde dem grundsätzlich unentgeltlich tätigen Vormund oder Pfleger bei einer berufsmäßigen Führung der Vormundschaft oder Pflegschaft ausnahmsweise ein Vergütungsanspruch gewährt. Nur für diesen Vergütungsanspruch gilt dann aber nach § 1836 Abs. 1 Satz 3 BGB das VBVG einschließlich seines § 2 Satz 1.

Allein dieses Ergebnis werde auch dem Zweck der Ausschlussfrist gerecht. § 2 Satz 1 VBVG entspreche sinngemäß der bis zum 30. Juni 2005 geltenden Regelung in § 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB (BT-Drucks. 15/4874 S. 30), die vor allem im Interesse der Staatskasse geschaffen worden war (BT-Drucks. 13/7158 S. 22 f., 27). Sie soll den Vormund zur zügigen Geltendmachung seiner Ansprüche anhalten, um zu verhindern, dass Ansprüche in einer Höhe auflaufen, welche die Leistungsfähigkeit des Mündels überfordert, seine Mittellosigkeit begründet und damit eine Eintrittspflicht der Staatskasse auslöst, die bei einer rechtzeitigen Inanspruchnahme nicht begründet gewesen wäre (vgl. BT-Drucks. 13/7158 S. 27; vgl. auch BGH, ZEV 2013, 84 Rn. 9; BGH, NJW 2014, 1007 Rn. 20; NJW-RR 2016, 129 Rn. 15; BVerfG FamRZ 2015, 2040 Rn. 15; OLG Köln FamRZ 2013, 1837, 1838; OLG Naumburg Rpfleger 2012, 319, 320; MüKo-BGB/ Fröschle, § 2 VBVG Rn. 1; Palandt/Götz, Anh. zu § 1836 (VBVG), § 2 Rn. 1; jurisPK-BGB/Jaschinski, 8. Aufl. § 2 VBVGRn. 1).

Anders als bei der Nachlasspflegschaft stehe dieser mit der Einführung der Ausschlussfrist vom Gesetzgeber verfolgte Zweck einer Reduzierung der (Ersatz-)Haftung der Staatskasse bei der Nachlassverwaltung nicht in Rede. Während § 1960 BGB das Nachlassgericht unter den dort genannten Voraussetzungen als Ausfluss der staatlichen Fürsorge- und Aufsichtspflicht und damit im öffentlichen Interesse von Amts wegen verpflichtet, vorübergehend für die Sicherung und Erhaltung des Nachlasses zu sorgen, erfolge die Anordnung der Nachlassverwaltung nur auf Antrag und diene vorrangig den privaten Interessen des Erben und der Nachlassgläubiger.

Demgemäß scheide bei der Nachlassverwaltung eine subsidiäre Haftung der Staatskasse für die Vergütung des Nachlassverwalters auch dann aus, wenn der Nachlass mittellos ist (vgl. KG FamRZ 2006, 559; Staudinger/Dobler, (2016) § 1987 Rn. 18; BeckOGK-BGB/Herzog, § 1987 Rn. 13.1; Joachim in Burandt/Rojahn, Erbrecht 2. Aufl. § 1987 BGB Rn. 2; ders., Die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten 3. Aufl. Rn. 299; jurisPK-BGB/Klinck, § 1987 Rn. 6; MüKo-BGB/Küpper, § 1987 Rn. 3; BeckOK-BGB/Lohmann, § 1987 Rn. 4; Soergel/Stein, BGB § 1987 Rn. 4; Jauernig/Stürner, § 1987 Rn. 1; Palandt/Weidlich § 1987 Rn. 1; Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, 5. Aufl. Rn. 1133; Wiester in MAH Erbrecht, 4. Aufl. § 24 Rn. 84; Homann, Die Vergütung von Nachlasspfleger, Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter und Nachlassinsolvenzverwalter 2007 [1914] S. 184 f.; vgl. auch RG SeuffArch 69 Nr. 161; a.A. Zimmermann, ZEV 2007, 519, 520 f.).

Da sich das Beschwerdegericht bislang nicht mit der Angemessenheit der von der Beteiligten zu 2) für die Zeit vor dem 19. Dezember 2008 geltend gemachten Vergütung befasst hatte, war die Sache nicht zur Endentscheidung reif und wurde zurückverwiesen.

Die Annahme des Beschwerdegerichts, die Tätigkeiten der Beteiligten zu 2) als Nachlassverwalterin seien ausgehend von einem einheitlichen, insgesamt angemessenen Stundensatz von 100 € in der festgesetzten Höhe zu vergüten, sei aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das Beschwerdegericht habe die Grenzen seines Ermessens nicht dadurch überschritten, dass es seiner Vergütungsfestsetzung die Vorschriften zur Vergütung des Pflegers nach §§ 1915 Abs. 1, 1836 Abs. 1 BGB unmittelbar zu Grunde gelegt hat, obwohl sich der Vergütungsanspruch des Nachlassverwalters aus § 1987 BGB ergibt. Auch bei der Bemessung der angemessenen Nachlassverwaltervergütung nach § 1987 BGB könne auf die in § 1915 Abs. 1 Satz 2 BGB für die Vergütung des Pflegers genannten Kriterien der für die Führung der Pflegschaftsgeschäfte nutzbaren Fachkenntnisse, sowie auf Umfang und Schwierigkeit der Pflegschaftsgeschäfte zurückgegriffen werden (Staudinger/Dobler, BGB (2016) § 1987 Rn. 5).

Der Bundesgerichtshof bekräftigt weiterhin seine Ansicht, dass die Bürokosten des Nachlassverwalters nicht in die Vergütung einfließen, sondern Aufwendungen sind, die - soweit trennbar - gesondert zu ersetzen sind und der zu berücksichtigende Zeitaufwand nicht minutengenau belegt werden muss. Ausreichend sei, dass die Angaben die Feststellung der ungefähren Größenordnung ermöglichen und Grundlage einer gegebenenfalls durchzuführenden Schätzung entsprechend § 287 ZPO sein können (OLG München, Beschluss vom 16. März 2015 - 31 Wx 81/14, juris Rn. 7).

III. Fazit

Der Bundesgerichtshof verneint in der vorliegenden Entscheidung die Anwendung der Ausschlussfrist des § 2 S. 1 VBVG bezüglich der Vergütung des Nachlassverwalters und klärt damit eine seit langem in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortete Frage. Er verweist zur Begründung darauf, dass die Norm nur den Schutz der Staatskasse bezwecke, welcher vorliegend aber nicht notwendig sei, da die Haftung für die Vergütung des Nachlasspflegers auf den Nachlass beschränkt ist. Das OLG Frankfurt hingegen (OLG Frankfurt, FamRZ 2017, 1881) vertrat die Auffassung, dass die Vorschrift auch den Interessen der Erben an einer zeitnahen Abrechnung der Vergütung dient.

Der Bundesgerichtshof erachtet daher § 1987 BGB als vorrangige und abschließende Regelung was Grund und Höhe der Vergütung betrifft und nimmt den Nachlassverwalter aus dem Anwendungsbereich der §§ 1836 ff. BGB insoweit aus.

Da § 1987 BGB aber hinsichtlich der Bemessung der Vergütung keine Regelung enthält, kann diesbezüglich jedoch auf § 1915 Abs. 1 S. 2 BGB zurückgegriffen werden. Dies wurde vom BGH nicht beanstandet. Die Höhe des Stundensatzes variiert je nach Fachkenntnis, Umfang und Schwierigkeitsgrad. Die Rechtsprechung hat hier bisher Stundensätze von ca. 50 – 125 Euro anerkannt. Eine minutengenaue Abrechnung ist nicht notwendig. Bürokosten sind hingegen gesondert zu ersetzen.


Rezension des Beschlusses des BGH v. 14.03.2018 - IV ZB 16/17 OLG Frankfurt „Nachlassverwalter / Vergütung / Ausschlussfrist", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.10 Oktober 2018, S.560 ff


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