Nachzahlung Kirchensteuer; Erben; Sonderausgaben

Leitsatz:

Zahlungen auf offene Kirchensteuern des Erblassers durch den Erben sind bei diesem im Jahr der Zahlung als Sonderausgabe abziehbar. (amtlicher Leitsatz)

BFH, Urteil vom 21.07.2016 - X R 43/13

AO § 45 Abs. 1
BGB § 1922 Abs. 1, § 1967 Abs. 1
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 4, § 10b Abs. 1 Satz 1

I. Einführung

Die Klägerin und Revisionsbeklagte wurde im Streitjahr 2011 zur Einkommensteuer veranlagt. Sie ist zusammen mit ihren beiden Geschwistern Miterbin nach ihrem verstorbenen Vater (V).

Dieser hatte vor seinem Tod sein Steuerberatungsbüro veräußert und sollte als Gegenleistung ab Januar 2008 monatlich 4.000 € für die Dauer von zehn Jahren erhalten. Falls V vor Ablauf der Vertragsdauer versterben sollte, war ein Kaufpreis in Höhe von 480.000 € vereinbart. Seine Erben sollten den Kaufpreis abzüglich der bereits geleisteten monatlichen Vergütungen in drei gleichen Jahresraten erhalten. Eine andere Zahlungsweise konnte vereinbart werden.

V verstarb im Februar 2009. Die Erwerberin des Steuerberatungsbüros einigte sich im Laufe des Jahres 2009 mit den Erben darauf, den verbleibenden Restkaufpreis in einer Summe zu zahlen.

Im Streitjahr 2011 führte der erst von den Erben für 2007 erklärte Veräußerungsgewinn zu Änderungen der Einkommensteuerfestsetzungen des V. Folge waren eine Kirchensteuernachforderung für 2007 in Höhe von 9.207,27 €. Der Betrag wurde von den Erben des V im Streitjahr bezahlt.

Im Einkommensteuerbescheid der Klägerin für 2011 hatte das Finanzamt erklärungsgemäß die von der Klägerin auf ihre Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit bezahlte Kirchensteuer berücksichtigt. Im Einspruchsverfahren begehrte sie unter Hinweis auf den Beschluss des BFH (BFHE 202, 284, BStBl II 2004, 400) den zusätzlichen Ansatz weiterer Sonderausgaben in Höhe von einem Drittel der für das Jahr 2007 geleisteten Kirchensteuernachzahlung. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das FG hat der Klage stattgegeben. Da eine Berücksichtigung der Kirchensteuer als Betriebsausgabe oder Werbungskosten ausscheide, sei der Betrag schon nach dem Gesetzeswortlaut als Sonderausgabe abziehbar, weil er von der Klägerin tatsächlich gezahlt worden sei.

Zudem sei unabhängig von einer etwaigen Einordnung der streitigen Kirchensteuer als Nachlassverbindlichkeit i.S. von § 1967 Abs. 2 BGB diese nicht bereits mit dem Erbfall entstanden. Vielmehr beruhe sie auf der im Streitfall von den Erben getroffenen Vereinbarung mit der Erwerberin des Steuerberatungsbüros und somit auf einer eigenen Entscheidung der Erben. Erst durch die Änderung der ursprünglichen Verkaufsvereinbarung sei die Möglichkeit einer abweichenden Ausübung des sog. Veräußererwahlrechts mit der Folge der Versteuerung des Veräußerungsgewinns entstanden.

Mit der Revision rügt das FA eine Verletzung materiellen Rechts und beantragte das Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

II. Problem

Die Revision war nach Ansicht des BFH unbegründet. Zu Recht habe das FG erkannt, dass der Klägerin nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG ein weiterer Sonderausgabenabzug in Höhe von 2.649 € zusteht.

Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG seien bestimmte im Einzelnen aufgeführte "Aufwendungen" als Sonderausgaben abziehbar, wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind oder wie Betriebsausgaben oder Werbungskosten behandelt werden. Aus der Verwendung des Begriffs "Aufwendungen" und aus dem Zweck des § 10 EStG, bestimmte, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen mindernde Privatausgaben vom Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG auszunehmen, folge, dass nur solche Ausgaben als Sonderausgaben berücksichtigt werden dürfen, durch die der Steuerpflichtige tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet ist (vgl. z.B. BFHE 186, 521 m.w.N.).

Da im Streitfall die Berücksichtigung der von der Klägerin gezahlten Kirchensteuer als Betriebsausgabe bzw. Werbungskosten nicht in Betracht kommt, sei sie nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG als Sonderausgabe abziehbar. Eine teleologische Reduktion des Gesetzeswortlauts sei angesichts der wirtschaftlichen Belastung der Klägerin durch die Kirchensteuerzahlung nicht angemessen und komme deshalb nicht in Betracht.

  • 1967 Abs. 1 BGB bestimme, dass die Erben für die Nachlassverbindlichkeiten haften. Als Erbin sei die Klägerin damit mit dem Erbfall in die steuerschuldrechtliche Position des Erblassers eingetreten (§ 45 Abs. 1 AO) und sei selbst Steuerschuldnerin hinsichtlich der von V hinterlassenen Steuerrückstände geworden. Sie habe vorliegend für die Kirchensteuer als Nachlassverbindlichkeit unbeschränkt, also nicht nur mit dem Nachlass, sondern auch mit ihrem Eigenvermögen einzustehen.

Der BFH habe bereits früher (BFHE 70, 374, BStBl III 1960, 140) erkannt, dass die Kirchensteuer, die ein Steuerpflichtiger in seiner Eigenschaft als Erbe entrichtet, als Sonderausgabe abziehbar ist.

In einem weiteren Urteil (BFHE 195, 328, BStBl II 2002, 487) habe der BFH die Rechtsprechung zum Sonderausgabenabzug des Erben für den Erblasser treffende Vermögen- und Kirchensteuer bestätigt und ausgeführt, Besteuerungsmerkmale, die (nur) in der Person des Erblassers begründet seien, würden auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anweisung bei der Besteuerung des Erben berücksichtigt.

Auch der Große Senat des BFH habe (BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608), nach der Änderung der Rechtsprechung zum Eintritt des Erben in den Verlustabzug nach § 10d EStG, ausdrücklich an der Rechtsprechung in BFHE 70, 374, BStBl III 1960, 140 festgehalten.

Auch aus den Einwendungen des FA gegen das Urteil ergebe sich nichts anderes.  Zutreffend weise das FA zwar darauf hin, das vom FG angeführte Senatsurteil in BFH/NV 2010, 848 könne kein Beleg dafür sein, dass die Klägerin im Streitfall die den Erblasser betreffende Kirchensteuerlast als Sonderausgabe abziehen könne, weil die Verpflichtung zur Zahlung der Steuerberatungskosten auf einer eigenen Entscheidung des Erben und auf einem, von ihm selbst begründeten, Vertragsverhältnis beruhe. Der Erbfall sei nur der Anlass, nicht aber der Grund der Verpflichtung. Doch lasse sich dieser Entscheidung inhaltlich nichts für oder gegen den Sonderausgabenabzug im Streitfall entnehmen.

Auch aus dem Urteil des FG Düsseldorf (EFG 2007, 1503) könne keine Absage an den Sonderausgabenabzug der Kirchensteuerzahlung eines Erben abgeleitet werden. Dort hat der Kläger als Haftungsschuldner nach § 42d EStG auf eine fremde Steuerschuld geleistet. Im Streitfall sei die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des V (Mit-)Schuldnerin der Kirchensteuer.

Die Zuwendungsentscheidung beim Spendenabzug als höchstpersönlichen Umstand (BFH/NV 2009, 375) könne nicht auf den Kirchensteuerabzug übertragen werden. Im Gegensatz zur maßgeblichen tatsächlichen Zahlung bei § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG knüpfe § 10b Abs. 1 Satz 1 EStG mit den "Zuwendungen" nach der Senatsrechtsprechung über die bloße Zahlung hinausgehend an eine besondere Widmung der Leistung zu einem bestimmten Zweck an. Im Übrigen habe die Klägerin als Erbin des V die Zahlung der Kirchensteuer selbst geleistet.

Im Gegenzug wären auch Erstattungen überzahlter Kirchensteuer des Erblassers auf eigene Zahlungen des Erben anzurechnen und würden dessen Sonderausgabenabzug schmälern.

III. Fazit

Bei einem Erbfall muss oftmals genau abgewägt werden, ob der Nachlass angetreten werden soll, oder ob nicht vielmehr eine Ausschlagung der Erbschaft vorzunehmen ist.

Im Rahmen dieser Abwägung sind auch ggf. auf dem Nachlass lastende Steuerschulden zu berücksichtigen. Hierbei stellt sich oftmals die Frage, ob die Steuerschulden, sollten sie von den Erben beglichen werden, bei diesen als Sonderausgaben abziehbar sind.

Der BFH bestätigt vorliegend, dass Zahlungen der Erben auf offene Kirchensteuern des Erblassers bei diesem im Jahr der Zahlung als Sonderausgabe abziehbar sind. Der entgegengesetzten Ansicht des Finanzgerichts erteilt er hier eine Absage.


Rezension des Urteils des BGH v. 21.07.2016 - X R 43/13 - FG Hessen  Nachzahlung Kirchensteuer / Erben / Sonderausgaben", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.2 Februar 2017, S.108 f

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