Pflichtteilsergänzungsanspruch; unbenannte Zuwendungen; Finanzierungsleistungen

Leitsatz:

Zum Pflichtteilsergänzungsanspruch hinsichtlich Finanzierungsleistungen für ein Hausgrundstück als unbenannte Zuwendung unter Ehegatten.

BGH, Urteil vom 14.03.2018 - IV ZR 170/16

BGB §§ 421, 426 Abs. 1 S. 1, 427, 516, 1360a, 2325 Abs. 1, Abs. 2 S. 2

I. Einführung

Die Parteien streiten im Revisionsverfahren um Pflichtteilsergänzungsansprüche der Kläger nach dem Tod ihres Vaters. Der Erblasser war mit der Beklagten in zweiter Ehe im gesetzlichen Güterstand verheiratet. Die Kläger sind seine beiden Söhne aus erster Ehe.

Zur Finanzierung der Errichtung eines Einfamilienhauses nahmen der Erblasser und die Beklagte ein Bankdarlehen in Höhe von 250.000 DM auf. Als Kreditsicherheit wurde eine Grundschuld bestellt. Außerdem übertrug der Erblasser einen Miteigentumsanteil von 1/2 an dem Grundbesitz als im Vertrag so bezeichnete „ehebedingte Zuwendung“ auf die Beklagte. Der Eigentumswechsel wurde im Grundbuch vollzogen, nachdem die Ehegatten in das fertiggestellte Haus eingezogen waren.

Durch gemeinschaftliches Testament aus dem Jahr 2008 setzten sich der Erblasser und die Beklagte gegenseitig als Alleinerben ein. Im Jahr 2009 verstarb der Erblasser. Der zum Zweck des Hausbaus aufgenommene und zwischenzeitlich umgeschuldete Bankkredit valutierte zu diesem Zeitpunkt noch in Höhe von 108.122,30 €. Die Tilgungsleistungen in Gesamthöhe von 19.699,70 € und Zinszahlungen von 112.666,12 € waren von einem Konto des Erblassers erfolgt.

Die Kläger, die sowohl die Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils an dem Grundstück als auch die Hälfte der geleisteten Darlehensraten als Schenkungen ansehen, haben gegen die Beklagte als Erbin unter anderem Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend gemacht. Das Landgericht hat ihrer Klage, soweit sie die Pflichtteilsergänzungsansprüche betraf, stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat das landgerichtliche Urteil überwiegend aufrechterhalten, dabei aber das Verlangen nach Pflichtteilsergänzung insoweit zurückgewiesen, als es auf dem gesonderten Ansatz der Finanzierungsleistungen beruhte. Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger.

Das Berufungsgericht hatte angenommen, bei der Übertragung des hälftigen Miteigentums an dem Hausgrundstück durch den Erblasser auf die Beklagte handele es sich um eine Schenkung. Demgegenüber dürften die (hälftigen) Zahlungen des Erblassers zur Finanzierung des Eigenheims für die Berechnung des Ergänzungspflichtteils nicht herangezogen werden. Der Finanzierungsbeitrag, dessen Wert sich im übertragenen Miteigentumsanteil verkörpere, sei keine zusätzliche, eigenständige Schenkung.

II. Problem

Die Revision hatte teilweise Erfolg. Der BGH führte insoweit aus, dass das Berufungsgericht noch zu Recht den Klägern aufgrund der erbrachten Tilgungsleistungen auf das Hausdarlehen keinen weiteren Anspruch zuerkannt hat, der über den als Pflichtteilsergänzung bereits ausgeurteilten Betrag hinausgeht.

Das Berufungsgericht habe bei seiner Entscheidung zur Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs den hälftigen Betrag der erbrachten Tilgungsleistungen bereits als Schenkung im Sinne von § 2325 BGB berücksichtigt.

Dagegen habe das Berufungsgericht mit der gegebenen Begründung einen Pflichtteilsergänzungsanspruch wegen der vom Konto des Erblassers geleisteten Zinszahlungen nicht ablehnen dürfen.

Pflichtteilsergänzungsansprüche gemäß § 2325 BGB würden voraussetzen, dass der Erblasser eine Schenkung im Sinne von § 516 BGB gemacht hat. Dabei sei die unbenannte Zuwendung unter Ehegatten einer Schenkung in diesem Sinne auch unabhängig von einer Einigung über ihre Unentgeltlichkeit gleichgestellt.

Eine solche Bereicherung der Beklagten aus dem Vermögen des Erblassers durch die Zinszahlungen komme hier in Betracht. Die Beklagte und der Erblasser würden für das gemeinsam aufgenommene Darlehen und damit auch für die Zinsen als Gesamtschuldner haften, §§ 421, 427 BGB. Mit den Zinszahlungen würde daher auch eine Schuld der Beklagten erfüllt. Durch diese Verringerung ihrer Verbindlichkeiten wäre deren Vermögen gemehrt worden, falls die vom Konto des Erblassers erfolgten Zahlungen aus dessen Vermögen stammten und nicht durch Leistungen der Beklagten oder den Erwerb eines Anspruchs gegen diese ausgeglichen wurden.

Zu Unrecht habe das Berufungsgericht angenommen, auch der Wert der Zinszahlungen zur Finanzierung des Eigenheims verkörpere sich im übertragenen Miteigentumsanteil und die Zahlungen seien deshalb keine zusätzliche, eigenständige Schenkung. Die Belastung der Beklagten durch die gesamtschuldnerische Zinsverbindlichkeit bestehe unabhängig davon, welcher Gegenstand mit dem zugrunde liegenden Darlehen finanziert worden war. Die Übertragung des Miteigentumsanteils habe diese Vermögensbelastung daher nicht verringert; ebenso wenig seien die Finanzierungskosten in den Wert des Grundstücks eingeflossen. Erst die Zinszahlungen vom Konto des Erblassers hätten zu einer Reduzierung der Verbindlichkeiten der Beklagten und damit zu einem möglichen weiteren Vermögenszuwachs neben dem Wert des ihr bereits übereigneten Miteigentumsanteils geführt.

Unbeachtlich sei auch, dass der Erblasser die Erbringung der monatlichen Annuitäten aus dem Darlehensvertrag schuldete und damit nicht freiwillig übernahm. Denn diese vertragliche Verpflichtung würde allein das Außenverhältnis des Erblassers zu den Kreditgebern, nicht aber das hier maßgebliche Innenverhältnis zwischen den Ehegatten betreffen.

Als Gesamtschuldner habe der Erblasser nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB einen Ausgleichsanspruch gegen die Beklagte in hälftiger Höhe erlangt. Falls jedoch zwischen dem Erblasser und der Beklagten eine abweichende Übereinkunft bestand, wonach er für die von ihm erbrachten Zahlungen auf die gemeinsame Gesamtschuld keinen Ausgleich von ihr erhalten werde, sei der Erblasser im Umfang dieses verlorenen Ausgleichsanspruchs entreichert und die Beklagte entsprechend bereichert.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts bedürfe es keines ausdrücklichen Schulderlasses durch den leistenden Gesamtschuldner, um eine Ausgleichsforderung aus § 426 Abs. 1 BGB auszuschließen.

Während intakter Ehe könne die grundsätzlich hälftige Beteiligung der Gesamtschuldner an den Belastungen vielmehr von der ehelichen Lebensgemeinschaft in der Weise überlagert werden, dass sich im Innenverhältnis zwischen den Ehegatten eine andere Aufteilung ergebe (vgl. BGH, FamRZ 1993, 676; BGHZ 188, 282). Ob dies hier der Fall sei, lasse sich derzeit nicht beurteilen. Das Berufungsgericht habe bisher keine Feststellungen zum Innenverhältnis zwischen dem Erblasser und der Beklagten getroffen, soweit es die Zahlungen auf die gemeinsame Zinsschuld betraf.

Bei der Prüfung der Frage, ob eine unbenannte Zuwendung unter § 2325 BGB fällt, komme es weiter darauf an, ob es sich um einen unentgeltlichen Vorgang handelt. Es entspreche der Rechtsprechung des Senats, die unbenannte Zuwendung unter Ehegatten in der Regel als objektiv unentgeltlich anzusehen (vgl. BGHZ 116, 167).

Nachdem die Beklagte, die insoweit eine sekundäre Darlegungslast zur Entgeltlichkeit der Zuwendung treffe, vorgetragen habe, die Zahlungen auf das Darlehen hätten der Sicherung der gemeinschaftlichen Ehewohnung gedient, sei zu prüfen, ob die Leistung etwa unterhaltsrechtlich geschuldet war oder ob ihr eine durch sie ganz oder teilweise vergütete, konkrete Gegenleistung gegenübersteht oder nicht (vgl. BGHZ 116, 167). Dazu fehle es hinsichtlich der Zinszahlungen, die aus dem Vermögen des Erblassers geleistet wurden, an Feststellungen. Das Berufungsgericht habe bisher nicht geprüft, ob die Zinszahlungen unterhaltsrechtlich geschuldet waren.

Das Berufungsgericht werde sich daher gegebenenfalls auch damit zu befassen haben, ob die Zinsleistungen - anstelle von Mietzahlungen - ein gemäß §§ 1360, 1360a BGB geschuldeter Beitrag zu den gemeinsamen Wohnkosten gewesen sein könnten.

Nach alledem konnte das angefochtene Urteil insoweit keinen Bestand haben. Die Sache wurde an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

III. Fazit

Die Entscheidung beschäftigt sich mit einer, gerade für die erbrechtliche Praxis, bedeutsamen prozessualen Situation.

Wird der Beklagte im Rahmen einer Stufenklage im Berufungsverfahren zur Auskunft oder eidesstattlichen Versicherung verurteilt und die Sache im Übrigen an das Ausgangsgericht zurückverwiesen, so ist für die Ermittlung des Streitwerts für das Rechtsmittel allein auf die Beschwer durch die Verurteilung zur Auskunft abzustellen. Darüberhinausgehende Aspekte bleiben außer Betracht. Insbesondere die Tatsache, dass das Berufungsgericht die Berufung gegen das die gesamte Stufenklage abweisende Urteil für zulässig erachtet hat, ist hierbei nicht entscheidend. Abzustellen ist allein auf den Tenor des belastenden Urteils.


Rezension des Urteils des BGH v. 14.03.2018 - IV ZR 170/16 OLG Dresden „Pflichtteilsergänzungsanspruch / Unbenannte Zuwendungen / Finanzierungsleistungen", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.6 Juni 2018, S.327 f


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