Rechtsanwaltsvergütung, Testament, Entwurf

Leitsätze:

  1. Die auftragsgemäß auf den Entwurf eines Testaments beschränkte Tätigkeit eines Rechtsanwalts ist als Beratung und nicht als Betreiben eines Geschäfts zu vergüten. (Rn. 8)
  2. Der auftragsgemäße Entwurf zweier abgestimmter Testamente ist keine die Geschäftsgebühr auslösende Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags. (Rn. 12 – 14)
  3. Teilt der Rechtsanwalt dem Mandanten eine den gesetzlichen Anforderungen formal entsprechende, aber inhaltlich falsche Berechnung seiner Vergütung mit, kann er die tatsächlich entstandene Vergütung einfordern, soweit sie die berechnete Vergütung nicht übersteigt (Bestätigung von BGH, NJW 2007, 2332). (Rn. 17)

BGH, Urteil vom 22.02.2018 - IX ZR 115/17

BRAO § 49b
BRAGO § 118 Abs. 1 Nr. 1
GNotKG § 102
LPartG § 10 Abs. 4
RVG §§ 2 Abs. 2, 3a, 10 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 13, 15 Abs. 1, 23 Abs. 3, 34 Abs. 1 S. 1

I. Einführung

Die Kläger sind Rechtsanwälte. Sie wurden von den in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammenlebenden Beklagten im Jahr 2012 beauftragt, für beide Beklagte Vorsorgevollmachten, Patientenverfügungen und aufeinander abgestimmte Testamente zu entwerfen. Nachdem die Vereinbarung eines Pauschalhonorars scheiterte, rechneten die Kläger auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 168.000 € eine 1,6-fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG in Höhe von 2.659,20 € nebst einer Auslagenpauschale von 20 € und 19 v.H. Umsatzsteuer, mithin insgesamt 3.188,25 € ab.

Das Amtsgericht hat der auf Zahlung dieses Betrags gerichteten Klage in der Hauptsache im Wesentlichen stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg (ZEV 2017, 712). Das Berufungsgericht war der Ansicht, dass das Amtsgericht den Klägern zu Recht ein Honorar auf der Grundlage einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG zugesprochen hat. Die Tätigkeit der Kläger habe nicht lediglich eine Beratungsgebühr nach § 34 RVG ausgelöst. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstreben die Beklagten weiterhin die Abweisung der Klage.

II. Problem

Die Revision hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Sache an das Berufungsgericht zurück.

Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs nach bemisst sich die Vergütung der Kläger nicht nach § 2 Abs. 2 RVG, Nr. 2300 VV RVG, sondern nach § 34 Abs. 1 RVG.

Ob die Tätigkeit eines Rechtsanwalts, der für seinen Mandanten auftragsgemäß ein Testament entwirft, mit einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG oder nach den Grundsätzen des § 34 RVG als bloße Beratung zu vergüten ist, ist umstritten. Die im Schrifttum wohl überwiegende Meinung spricht sich für eine Geschäftsgebühr aus (Bischof/Jungbauer, RVG, Vorbemerkung 2.3 Rn. 40 ff; Hartung/Schons/Enders, RVG, Vorb. 2.3 VV Rn. 21 f; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, § 34 Rn. 14 und Nr. 2300 VV Rn. 17; Mayer/Kroiß/Teubel, RVG, Vorbemerkung 2.3 Rn. 7; Riedel/Sußbauer/H. Schneider, RVG, Nr. 2300 VV Rn. 22; Hartmann, Kostengesetze, Nr. 2300 VV RVG Rn. 1; Madert, AGS 2005, 2, 5; N. Schneider, AGS 2006, 60).

Nach der in der jüngeren Instanzrechtsprechung vertretenen Gegenansicht (AG Hamburg-Altona, ZEV 2008, 294, 295; OLG Düsseldorf, FamRZ 2013, 727, 728; wohl auch OLG Frankfurt, AGS 2015, 505; für den Entwurf eines Mahnschreibens OLG Nürnberg, NJW 2011, 621, 622), der sich auch einige Autoren angeschlossen haben (AnwKRVG/Schneider/Wolf, VV Vorb. 2.3 Rn. 52 f; Mayer/Kroiß/Winkler, § 34 Rn. 13 f; Hartung/Schons/Enders, § 34 Rn. 13; Riedel/ Sußbauer/Pankatz, § 34 Rn. 19), soll sich die Vergütung des Rechtsanwalts dagegen nach § 34 RVG richten.

Der Bundesgerichtshof folgt vorliegend der letztgenannten Ansicht. Das Entwerfen eines Testaments oder einer sonstigen einseitigen Urkunde löse in der Regel keine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG aus. Weder liege darin ein Betreiben des Geschäfts, noch eine Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags im Sinne der Vorbemerkung 2.3 Absatz 3 VV RVG.

Die Geschäftsgebühr sei in dem die außergerichtliche Vertretung des Mandanten betreffenden Abschnitt des Vergütungsverzeichnisses geregelt. Eine Vertretung komme begrifflich nur gegenüber Dritten in Betracht. Deshalb setze das Betreiben eines Geschäfts, das eine Geschäftsgebühr auslöst, einen Auftrag des Mandanten voraus, der auf eine Tätigkeit des Rechtsanwalts nach außen gerichtet ist. Eine solche Ausrichtung sei nicht lediglich ein Indiz für eine nach Nr. 2300 VV RVG zu vergütende Tätigkeit (so aber Gerold/Schmidt/Mayer, aaO). Fehle es an ihr und soll der Rechtsanwalt ausschließlich nach innen gegenüber dem Mandanten tätig werden, liege eine Beratung im Sinne von § 34 RVG vor (BGH, I ZR 140/08, AnwBl. 2010, 879 Rn. 28; OLG Nürnberg, aaO; OLG Düsseldorf, aaO; Riedel/Sußbauer/Pankatz, § 34 Rn. 14, 17; zu § 118 BRAGO: OLG Frankfurt, AnwBl. 1986, 210; KG, JurBüro 1998, 20, 21). Im Streitfall sei der den Klägern erteilte Auftrag ausschließlich darauf gerichtet, die beiden Beklagten als Mandanten zu beraten und für sie in diesem Zusammenhang verschiedene Urkunden zu entwerfen, unter anderem jeweils ein Testament. Eine Tätigkeit nach außen gegenüber Dritten sei nicht geschuldet oder erbracht worden. Der Umstand, dass die entworfenen Urkunden nach dem erteilten Auftrag dem jeweils anderen Lebenspartner zur Kenntnis gebracht werden sollten, genüge wegen des von beiden Lebenspartnern erteilten Mandats für eine nach außen gerichtete Tätigkeit der Kläger nicht. Ebenso wenig genüge hierfür die Tatsache, dass die von den Klägern entworfenen Urkunden nach ihrer Unterzeichnung durch die Beklagten früher oder später eine Rechtswirkung nach außen haben sollten; eine solche mittelbare Wirkung nach außen sei regelmäßig jeder Beratung immanent.

Die Auffassung der Gegenansicht, der Entwurf einer Urkunde habe schon nach § 118 BRAGO eine Geschäftsgebühr begründet und dies habe durch das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nicht geändert werden sollen, treffe nicht zu. Diese Regelung beschriebe, welche Tätigkeiten mit der Geschäftsgebühr abgegolten waren. Die Tatsache, dass allein der Entwurf einer Urkunde stets eine Geschäftsgebühr auslösen sollte, sei aus ihr nicht abzuleiten.

Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung könne auch aus der Regelung in § 23 Abs. 3 RVG nicht auf einen Willen des Gesetzgebers geschlossen werden, dass der Entwurf eines Testaments mit einer Geschäftsgebühr zu vergüten sei. Die Frage, ob überhaupt eine Geschäftsgebühr angefallen ist, werde durch die Vorschrift gerade nicht beantwortet (aA Bischof/Jungbauer, RVG, Vorbem. 2.3 VV Rn. 40 ff).

Auch unter dem Gesichtspunkt einer Mitwirkung an der Gestaltung eines Vertrags können die Kläger keine Geschäftsgebühr beanspruchen (Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG).  Ein solcher sei vorliegendnicht gegeben. Die Kläger hätten auftragsgemäß zwei rechtlich selbständige Einzeltestamente und keinen Erbvertrag entworfen. Der Auftrag habe sich auch nicht auf ein gemeinschaftliches Testament bezogen. Es könne deshalb offen bleiben, ob der Entwurf eines solchen Testaments mit einer Geschäftsgebühr zu vergüten ist (vgl. dazu OLG Frankfurt, AGS 2015, 505; OLG Düsseldorf, FamRZ 2013, 727, 728).

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts könne die Anwendung der Nr. 2300 VV RVG auch nicht mit der Erwägung begründet werden, mit den beiden aufeinander abzustimmenden letztwilligen Verfügungen habe eine vertragsähnliche Bindung herbeigeführt werden sollen. Zum einen verbiete sich eine erweiternde Auslegung, weil die Mitwirkung an einer Vertragsgestaltung ohne Tätigkeit nach außen als zusätzliche Fallgruppe einer Geschäftsgebühr Ausnahmecharakter habe. Zum anderen ziele die angestrebte Regelung der Erbfolge nicht auf eine vertragsähnliche Bindung. Eine wechselseitige Abhängigkeit der zu entwerfenden Testamente habe nur insoweit bestanden, als der Wille beider Mandanten, ein Testament zu errichten, voraussetzte, dass auch der andere Partner ein Testament mit einem bestimmten Inhalt errichtete. Eine rechtliche Abhängigkeit sei dadurch nicht begründet worden (vgl. § 2302 BGB). Dass sich aus dem konkreten Inhalt der Testamente eine weitergehende wechselseitige Abhängigkeit ergeben hätte, hätten die Kläger nicht vorgetragen. Im Übrigen fehle den zu entwerfenden Urkunden auch wegen des von den Beklagten gemeinsam erteilten Mandats die Außenwirkung, die eine gebührenrechtliche Gleichbehandlung mit dem Betreiben eines Geschäfts rechtfertigen könnte.

Eine Vergütung nach Nr. 2300 VV RVG sei schließlich auch nicht deshalb geboten, weil nur auf diese Weise eine die verfassungsmäßigen Rechte der Kläger wahrende angemessene Vergütung erreicht werden könnte. Auch § 34 RVG ermöglicht eine angemessene Vergütung. Nach der neuen Konzeption des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes solle der Rechtsanwalt bei einem Auftrag zu außergerichtlicher Beratung in erster Linie auf eine Gebührenvereinbarung hinwirken (§ 34 Abs. 1 Satz 1 RVG; BT-Drucks. 15/1971, S. 238 zu Artikel 5). Lehne der Mandant die Vereinbarung eines angemessenen Honorars ab, könne der Rechtsanwalt das Mandat ablehnen. Sehe er hiervon ab, sei ihm die gesetzliche Begrenzung der Vergütung bei von Verbrauchern erteilten Mandaten zumutbar.

Die Sache wurde somit an das Berufungsgericht zurückverwiesen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

Das Berufungsgericht werde zu prüfen haben, welche Vergütung die Kläger nach § 34 Abs. 1 RVG in Verbindung mit den Vorschriften des bürgerlichen Rechts beanspruchen können. Zugesprochen werden könnten allerdings nur die wirklich entstandenen Gebühren und Auslagen, soweit sie über die abgerechnete Vergütung nicht hinausgehen (BGH, NJW 2007, 2332 Rn. 7). Bei der Bemessung der Vergütung sei auch die Frage zu beantworten, ob die Tätigkeit der Kläger nach den Umständen des erteilten Auftrags, der den Entwurf mehrerer Urkunden für verschiedene Auftraggeber beinhaltete, mehrere Angelegenheiten im Sinne von § 15 Abs. 1 RVG betraf und die Vergütung deshalb nicht auf den für eine einzelne Beratung geltenden Höchstbetrag von 250 € beschränkt ist (vgl. Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, § 34 Rn. 21; Riedel/Sußbauer/Pankatz, RVG, § 34 Rn. 11).

III. Fazit

Die Entscheidung klärt eine seit längerem umstrittene Frage betreffend die Rechtsanwaltsvergütung bei Entwurf eines Testaments.

Nach der vorliegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist der bloße Entwurf eines Testaments durch einen Rechtsanwalt als Beratung und nicht als Betreiben eines Geschäfts zu qualifizieren und dementsprechend zu vergüten.  Die Tätigkeit stellt hingegen keine Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags dar und löst daher keine Geschäftsgebühr aus. Es handelt sich gerade um keine Tätigkeit für den Mandanten, die nach außen gerichtet ist, wobei es hierbei nicht entscheidend ist ob die so erstellte Urkunde früher oder später eine Rechtswirkung nach außen entfaltet.

In der Folge bemisst sich die Vergütung für die Erstellung eines Testaments nicht nach § 2 Abs. 2 RVG, Nr. 2300 VV RVG, sondern nach § 34 Abs. 1 RVG.  In der Literatur wurde hierzu bisher überwiegend die gegenteilige Auffassung vertreten. Für die Praxis empfiehlt sich somit mit dem Mandanten eine Vereinbarung über das Honorar nach § 3a RVG abzuschließen.

Etwas anders gilt selbstverständlich für die Erstellung eines Erbvertrags. Für den Fall des gemeinschaftlichen Testaments hat der BGH die Frage hingegen offen gelassen, wobei sich die wohl überwiegende Ansicht für das Entstehen einer Geschäftsgebühr ausspricht.


Rezension des Urteils des BGH v. 22.02.2018 - IX ZR 115/17 LG Wiesbaden „Rechtsanwaltsvergütung / Testament / Entwurf", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.10 Oktober 2018, S.563 f


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