Rechtsanwaltsvergütung; Entwurf; Gemeinschaftliches Testament

Amtlicher Leitsatz:

Der auftragsgemäße Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments ist auch dann keine die Geschäftsgebühr auslösende Tätigkeit, wenn wechselbezügliche Verfügungen der Auftraggeber vorgesehen sind.

BGH (IX. Zivilsenat), Urteil vom 15.04.2021 – IX ZR 143/20

RVG § 34 Abs. 1
RVG VV Vorbem. 2.3 Abs. 3, Nr. 2300

I. Einführung

Die Kläger ließen sich vom beklagten Rechtsanwalt wegen eines Testaments beraten. Der Beklagte entwarf ein gemeinschaftliches Testament, in welchem sich die Kläger gegenseitig zu Erben einsetzten. Der Beklagte stellte den Klägern eine 1,0-Geschäftsgebühr gemäß § 2 Abs. 2 RVG, Nr. 2300 VV RVG nach einem Gegenstandswert von bis zu 450.000 € nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer, insgesamt 3.704,47 € in Rechnung. Die Kläger zahlten diesen Betrag.

Nunmehr meinen die Kläger, der Beklagte habe nur eine Beratungsgebühr gemäß § 34 Abs. 1 RVG in Höhe von 250 € zuzüglich einer Mehrgebühr von 0,3 gemäß § 2 Abs. 2 RVG, Nr. 1008 VV RVG in Höhe von 75 € nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer abrechnen dürfen, insgesamt 410,55 €. Sie verlangen Rückgewähr von 3.293,92 € nebst Zinsen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.

Das Berufungsgericht hat gemeint, die Beratung zweier Ehegatten bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments und die Fertigung eines entsprechenden Entwurfs lösten keine Geschäftsgebühr aus. Es handele sich nicht um ein Tätigwerden nach außen und nicht um die Mitwirkung an einer vertraglichen oder vertragsähnlichen Bindung. Eine mögliche Bindung an das gemeinschaftliche Testament sei zwar Gegenstand der Beratung gewesen, aber nicht ausgehandelt worden; vielmehr habe es sich um einen von mehreren Vorschlägen gehandelt. Dass zwei Mandanten beraten worden seien, führe nicht zu einer nach außen gerichteten Tätigkeit, sondern nur zu einer Erhöhungsgebühr.

II. Problem

Die Revision des Beklagten blieb ohne Erfolg. Nach Ansicht des BGH halten die Ausführungen des Berufungsgerichts einer rechtlichen Überprüfung stand.

Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz unterscheide im Bereich der außergerichtlichen Tätigkeit des Rechtsanwalts zwischen der Beratung und der Vertretung des Mandanten. Die Beratung richte sich allein an den Mandanten. Ihre Vergütung sei in § 34 RVG geregelt. Die Vertretung des Mandanten setze dagegen schon begrifflich einen Dritten voraus, gegenüber dem der Mandant vertreten werden kann. Sie werde mit einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 bis 2303 VV RVG vergütet. Die Ausrichtung der Tätigkeit nach außen sei zwingende Voraussetzung für das Entstehen einer Geschäftsgebühr (BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - IX ZR 115/17, WM 2018, 1985 Rn. 9). Ob der Rechtsanwalt den Mandanten nur beraten oder auch vertreten soll, richte sich nach dem Inhalt des ihm erteilten Auftrags.

Der BGH hat bereits entschieden, dass die auftragsgemäß auf den Entwurf eines Testaments beschränkte Tätigkeit eines Rechtsanwalts als Beratung und nicht als Betreiben eines Geschäfts zu vergüten ist. Weder liege darin das Betreiben eines Geschäfts noch die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags im Sinne der Vorbemerkung 2.3 Absatz 3 VV RVG (BGH, Urteil vom 22. Februar 2018, aaO Rn. 8; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 24. Aufl., § 34 Rn. 14). Die Beratung und der Entwurf eines Testaments würden jeweils nur den Mandanten betreffen, der das Testament errichten will. Nichts Anderes gelte für das auftragsgemäße Entwerfen zweier aufeinander abgestimmter Testamente zweier in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammenlebender Personen. Dass jede der beiden Personen Kenntnis vom Testament des anderen Teils erhalten sollte, reiche schon deshalb nicht für eine nach außen gerichtete Tätigkeit aus, weil beide Personen den Auftrag erteilt hatten, also keine außerhalb des Mandats stehenden Dritten gewesen seien (BGH, Urteil vom 22. Februar 2018, aaO Rn. 9). Die Mitwirkung an einem Vertrag im Sinne der Vorbemerkung 2.3 VV RVG schiede aus, weil die beiden Testamente zwar aufeinander bezogen waren, jedoch keine rechtlichen Bindungen erzeugten; sie konnten jederzeit widerrufen oder geändert werden (vgl. § 2302 BGB).

Der Auftrag, ein gemeinschaftliches Testament zu entwerfen, löse ebenfalls keine Geschäftsgebühr aus.

Die Frage, ob der auftragsgemäße Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments mit einer Geschäftsgebühr zu vergüten ist, hatte der BGH im Urteil vom 22. Februar 2018 ausdrücklich offengelassen (BGH, Urteil vom 22. Februar 2018, aaO Rn. 13). In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und in der Fachliteratur ist sie umstritten. Überwiegend werde sie bejaht (vgl. etwa OLG Frankfurt, AGS 2015, 505; Mayer/Kroiß/Winkler, RVG, 8. Aufl., § 34 Rn. 17; Ruby, ZEV 2018, 410; Kamps, ErbR 2018, 313, 315, 317), weil das gemeinschaftliche Testament mit seinen wechselbezüglichen Verfügungen im gebührenrechtlichen Sinne als Vertrag anzusehen sei. Nach anderer Ansicht kommt es darauf an, ob der Entwurf überhaupt wechselbezügliche Verfügungen enthält. Fehle es hieran, seien die jeweiligen Erklärungen der Testierenden frei widerruflich, weshalb nicht von einer vertraglichen oder vertragsähnlichen Bindung ausgegangen werden könne (OLG Düsseldorf, FamRZ 2013, 727, 728). Nach wiederum anderer Ansicht kann eine Geschäftsgebühr nicht entstehen, weil ein gemeinschaftliches Testament auch dann, wenn es wechselbezügliche Verfügungen enthalte, gemäß § 1937 BGB durch einseitige Erklärung errichtet werde. Die Mitwirkung bei der Errichtung einer Urkunde stelle für sich genommen nur eine Beratungstätigkeit dar (N. Schneider, NJW-Spezial 2017, 731; ders., NJW-Spezial 2018, 315; ders., ErbR 2018, 312, 313).

Der BGH folgt in der vorliegenden Entscheidung der zuletzt genannten Ansicht.

Die Mitwirkung bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments stelle kein Betreiben eines Geschäftes im Sinne einer nach außen gerichteten Tätigkeit dar. Sie betreffe nur die Eheleute oder Lebenspartner, welche das gemeinschaftliche Testament errichten (vgl. §§ 2265 BGB, 10 Abs. 4 LPartG). Diese seien die Auftraggeber des Rechtsanwalts. Der Rechtsanwalt vertrete nicht die Interessen des einen gegenüber dem jeweils anderen Teil, was auch im Hinblick auf das Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten (§ 43a Abs. 4 BRAO), bedenklich wäre. Eine Vertretung der Eheleute oder Lebenspartner gegenüber außerhalb des Mandatsverhältnisses stehenden Dritten finde ebenfalls nicht statt.

Um eine Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrages handele es sich gleichfalls nicht. Ein gemeinschaftliches Testament sei kein Vertrag, auch dann nicht, wenn es wechselbezügliche Verfügungen (vgl. §§ 2270, 2271 BGB) enthält. Zum Abschluss eines Vertrags bedürfe es zweier aufeinander bezogener korrespondierender Willenserklärungen nach §§ 145 ff. BGB (Angebot und Annahme; vgl. etwa BGH, Urteil vom 18. Oktober 2017 - VIII ZR 32/16, WM 2018, 1801 Rn. 20; vom 14. Februar 2019 - IX ZR 203/18, WM 2019, 1227 Rn. 9 ff). Ein Testament werde dagegen durch eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Erklärung des Testierenden errichtet. Nach der Legaldefinition des § 1937 BGB stelle es eine einseitige Verfügung von Todes wegen dar. Ein gemeinschaftliches Testament enthalte einseitige Verfügungen beider Ehegatten oder Lebenspartner. Sie könnten in Form wechselbezüglicher Verfügungen in besondere Abhängigkeit voneinander gebracht werden (vgl. BeckOK-BGB/Müller-Christmann, 2021, § 1937 Rn. 4). Dies geschehe jedoch durch einseitige Erklärungen beider Eheleute oder Lebenspartner, nicht gemäß §§ 145 ff. BGB durch Angebot und Annahme, die gegenüber dem jeweils anderen Teil zu erklären wären.

Eine erweiternde Auslegung der Vorschrift der Nr. 2300 VV RVG über die in der Vorbemerkung 2.3 genannten Fälle hinaus verbiete sich, weil die Mitwirkung an einer Vertragsgestaltung ohne Tätigkeit nach außen als zusätzliche Fallgruppe einer Geschäftsgebühr Ausnahmecharakter habe (BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - IX ZR 115/17, WM 2018, 1985 Rn. 14). Sie sei auch nicht deshalb geboten, weil nur auf diese Weise eine die verfassungsmäßigen Rechte des Rechtsanwalts wahrende angemessene Vergütung erreicht werden könnte. Auch § 34 RVG ermögliche eine angemessene Vergütung (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2018, aaO Rn. 15; N. Schneider, NJW-Spezial 2017, 731, 732). Während die Geschäftsgebühr einen Rahmen von 0,5 bis 2,5 vorsehe und nach dem Gegenstandswert berechnet werde (§ 2 Abs. 1 RVG), bei einer Verfügung von Todes wegen also nach dem Wert des Vermögens des Mandanten (§ 23 Abs. 3 RVG, § 102 GNotKG), gebe es für die in § 34 RVG vorgesehene Gebührenvereinbarung keine gesetzlichen Vorgaben. Der Rechtsanwalt könne dem Mandanten den Abschluss einer Gebührenvereinbarung vorschlagen, die eine angemessene Vergütung seines Aufwandes vorsieht, und das Mandat ablehnen, wenn der Mandant hiermit nicht einverstanden ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2018, aaO). Nach der Konzeption des Gesetzes sei der Abschluss einer Gebührenvereinbarung gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 RVG die Regel, die Abrechnung der Vergütung nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts (§ 34 Abs. 1 Satz 2 RVG, § 612 BGB) und die Abrechnung der für Verbraucher geltenden Gebühren gemäß § 34 Abs. 1 Satz 3 RVG die Ausnahme.

III. Fazit

Die Entscheidung des BGH bringt die seit langem erwartete Klärung der Frage der Anwaltsvergütung bei der Anfertigung eines Entwurfs eines gemeinschaftlichen Testaments.

Unabhängig von der Frage, ob der Entwurf des gemeinschaftlichen Testaments wechselseitige Verfügungen enthält, wird durch die Entwurfstätigkeit keine Geschäftsgebühr ausgelöst. Vielmehr muss der Rechtsanwalt eine Gebührenvereinbarung vorschlagen und ansonsten das Mandat ablehnen, will er eine für seine Tätigkeit angemessene Vergütung erhalten.


Rezension des Urteils des BGH  v. 15.04.2021 - IX ZR 143/20 - LG Neubrandenburg; „Rechtsanwaltsvergütung / Entwurf / Gemeinschaftliches Testament", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr. 7  Juli 2021, S.383 f


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