Rechtswahl; Europäische Erbrechtsverordnung; Annahme und Ausschlagung der Erbschaft

Leitsätze:

  1. Errichtet ein rumänischer Staatsangehöriger, der auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, und seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland hat, in Rumänien vor einem rumänischen Notar in rumänischer Sprache unter Bezugnahme auf Vorschriften des rumänischen Rechts ein Testament, spricht dies für die Wahl des rumänischen Rechts.
  2. Entsprechend richten sich die Voraussetzungen für die Annahme und die Ausschlagung der Erbschaft nach den maßgeblichen rumänischen Vorschriften.

OLG Köln (2. Zivilsenat), Beschluss vom 05.06.2019 - 2 Wx 142/19

EuErbVO Art. 4, Art. 13, Art. 22 Abs. 1 S. 2, Art. 28
Codul Civil Art. 1044, Art. Art. 1055, Art. 1103, Art. 1123
BGB §§ 1945 Abs. 1, 1955

I. Einführung

Der in Bukarest geborene Erblasser, der aufgrund Einbürgerungsurkunde aus dem Jahr 1984 auch die deutsche Staatsangehörigkeit besaß, hatte im Jahr 2016 vor einer Notarin in Bukarest ein Testament in rumänischer Sprache errichtet. Gemäß der Übersetzung heißt es darin:

Der Unterzeichneter […] verfügt hiermit, für den Fall seines Verlebens:

Ich überlasse mein ganzes Mobiliar und Immobiliarvermögen meiner Frau […] und bevollmächtige sie als umfassende Vermächtnisnehmerin nach Art. 1055 BGB, denn ich bin für ihre Zuneigung und Sorge dankbar.

Vorliegendes Testament ist unter Beachtung der Bestimmungen Art. 1044 BGB erfasst, und stellt meinen letzten Wunsch dar…

Das Testament ist vom Amtsgericht Köln eröffnet worden. Am selben Tage hat die Beteiligte die Erbschaft aus jedem Berufungsgrund ausgeschlagen und mitgeteilt, zum Nachlass gehöre ein hälftiger Anteil an einer Eigentumswohnung in Köln. Mit weiterer notariell beglaubigter Erklärung hat sie die Anfechtung der Erbausschlagung mit der Begründung erklärt, sie sei aufgrund von Angaben der Kreissparkasse von einer hohen Schuldenbelastung bzw. einer Überschuldung des Nachlasses ausgegangen und habe die Ausschlagung in Unkenntnis ihrer Bedeutung erklärt. Die Beteiligte hat auf der Grundlage des Testaments die Erteilung eines Alleinerbscheins beantragt.

Die Richterin des Nachlassgerichts hat den Erbscheinsantrag mit der Begründung zurückgewiesen, die Beteiligte habe die Erbschaft wirksam ausgeschlagen. Ein Grund zur Anfechtung liege nicht vor.

Gegen diesen Beschluss hat die Beteiligte Beschwerde eingelegt. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache zur Entscheidung dem Oberlandesgericht vorgelegt.

II. Problem

Das OLG Köln erachtete die Beschwerde als zulässig und in der Sache erfolgreich.

Die deutschen Nachlassgerichte seien nach Art. 4 EuErbVO international zuständig, da der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte und sich zur Zeit seines Todes nur urlaubshalber in Rumänien aufgehalten habe.

Die Antragstellerin sei aufgrund des in Rumänien notariell beurkundeten Testaments Alleinerbin geworden.

Maßgeblich für die Erbfolge sei hier rumänisches Recht. Nach Art. 22 Abs. 1 Satz 2 EuErbVO könne eine Person, die mehrere Staatsangehörigkeiten besitzt, für die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht eines der Staaten wählen, dem sie im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt ihres Todes angehört. Der Erblasser habe sowohl die rumänische als auch die deutsche Staatsangehörigkeit besessen. Nach Art. 22 Abs. 2 EuErbVO müsse die Rechtswahl ausdrücklich in einer Erklärung in Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen oder sich aus den Bestimmungen einer solchen Verfügung ergeben. Nach Erwägungsgrund 39 gelte es als Indiz für eine Rechtswahl, wenn der Erblasser Bezug auf spezifische Bestimmungen des Rechtes des Staates, dem er angehört, genommen hat. Danach habe der Erblasser hier in seinem Testament konkludent die Geltung des rumänischen Erbrechts gewählt. Dies ergibt sich aus den Umständen der Errichtung, nämlich der Errichtung in rumänischer Sprache vor einer rumänischen Notarin, in Verbindung mit der Inbezugnahme von Vorschriften des rumänischen Rechts. Ausweislich der rumänischen Originalfassung des Testaments sei auf die Bestimmungen Art. 1044 und Art. 1055 des Codul Civil („Cod Civil“) verwiesen; die vom Übersetzer gewählte Formulierung „BGB“ sei insoweit irreführend.

Die von der Beteiligten abgegebene Ausschlagungserklärung stehe ihrer Erbenstellung nicht entgegen, denn dadurch sei sie nicht gehindert gewesen, die Erbschaft danach noch anzunehmen, was sie zumindest konkludent durch die Anfechtung der Ausschlagung gegenüber dem Nachlassgericht erklärt habe. Die Beteiligte, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Köln hatte, habe die Annahmeerklärung gegenüber dem Amtsgericht Köln abgeben können, Art. 4 i.V.m. Art. 13 EuErbVO. Hinsichtlich der Form der Annahmeerklärung bedürfe es keiner Prüfung, welche Anforderungen das rumänische Recht stellt, da insoweit auch die Beachtung des deutschen Rechts genüge, da die Beteiligte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte (Art. 28 b) EuErbVO). Das deutsche Formrecht sei mit der bei dem Nachlassgericht eingereichten, notariell in Deutschland beurkundeten Erklärung gewahrt worden (§§ 1955, 1945 Abs. 1 BGB). Hinsichtlich der zu beachtenden Frist verbleibe es mangels einer besonderen Bestimmung der EuErbVO bei der (alleinigen) Anwendung des vom Erblasser gewählten rumänischen Rechts. Danach könne der Erbe, sofern kein anderer Erbe die Erbschaft bislang angenommen hat, eine Ausschlagung widerrufen, solange die Frist für die Annahme der Erbschaft noch nicht abgelaufen ist (Art. 1123 Abs. 1 CC; Süß, Erbrecht in Europa, 3. Aufl. 2015, Rumänien, Rz. 40). Die gesetzliche Frist für die Annahme der Erbschaft betrage ein Jahr und beginne regelmäßig mit dem Eintritt des Erbfalls, Art. 1103 CC (vgl. Süß a.a.O., Rz. 36). Diese Jahresfrist sei mit der Anfechtungserklärung, in der ein Widerruf der Ausschlagung und die Annahme der Erbschaft lagen, gewahrt worden.

III. Fazit

Nach Art. 22 Abs. 2 Var. 2 EuErbVO kann auch dann eine Rechtswahl vorliegen, wenn sich dies aus den Bestimmungen in der Verfügung von Todes wegen ergibt.  Konkretisiert wird dies durch Erwägungsgrund 39 wonach eine derartige Rechtswahl anzunehmen sein kann, wenn der Erblasser z.B. in seiner Verfügung Bezug auf spezifische Bestimmungen des Rechts nimmt, oder das Recht des Staates in anderer Weise erwähnt hat.

Die Entscheidung illustriert dies anhand eines Beispiels und zieht als Indizien die Sprache der Errichtung, die Stelle, vor der die Verfügung errichtet wurde und die Inbezugnahme von Vorschriften eines bestimmten Rechts heran.


Rezension des Beschlusses des OLG Köln v. 05.06.2019 - 2 Wx 142/19 „Rechtswahl / Europäische Erbrechtsverordnung / Annahme und Ausschlagung der Erbschaft", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.10 Oktober 2019, S.619 f


Wie kann ich Ihnen als Fachanwalt für Erbrecht weiterhelfen?

Zurück