Schiedsgerichte; Zuweisung, Entlassung eines Testamentsvollstreckers

Leitsätze:

Streitigkeiten über die Entlassung eines Testamentsvollstreckers können in einer letztwilligen Verfügung nicht einseitig durch den Erblasser unter Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit einem Schiedsgericht zugewiesen werden.

BGH, Beschluss vom 17.05.2017 - IV ZB 25/16

ZPO § 1066
BGB §§ 259 Abs. 1, 2218 Abs. 2, 2215, 2216, 2227

I. Einführung

Die 2014 verstorbene Erblasserin sowie ihr vorverstorbener Ehemann errichteten ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Zu Schlusserben wurden die Beteiligten zu 1) bis 3) bestimmt. Im Testament wurde für den Schlusserbfall Testamentsvollstreckung angeordnet und der Beteiligte zu 4) zum Testamentsvollstrecker bestimmt. Ihm wurde für den Fall des Wegfalls seiner Person als Testamentsvollstrecker ferner das Recht eingeräumt, einen Nachfolger zu bestimmen. Das Testament enthält ferner folgende Regelung:

Im Wege der Auflage verpflichten wir alle Erben, Vermächtnisnehmer und Auflagenbegünstigte für Streitigkeiten, die durch dieses Testament hervorgerufen sind und die ihren Grund in dem Erbfall haben und/oder im Zusammenhang mit der letztwilligen Verfügung oder ihrer Ausführung stehen, sich unter Ausschluss der ordentlichen Gerichte dem Schiedsgericht für Erbstreitigkeiten e.V. (DSE) und der von dieser zugrunde gelegten jeweils aktuellen Schiedsordnung zu unterwerfen.

Der Beteiligte zu 4) beantragte unter Annahme des Amtes die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses. Dem traten die Beteiligten zu 1) bis 3) entgegen. Das Nachlassgericht erachtete die erforderlichen Tatsachen für die Erteilung des Zeugnisses für festgestellt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wurde durch das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Im Januar 2015 beantragten die Beteiligten zu 1) bis 3) die Entlassung des Testamentsvollstreckers. Sie stützen den Entlassungsantrag im Wesentlichen auf die Nichtvorlage eines Nachlassverzeichnisses trotz Zeitablaufs von fast einem Jahr seit Amtsantritt, unzulänglich erteilte Auskünfte, unterlassene Rechnungslegung trotz mehrfacher Aufforderung, bewusste Schädigung des Nachlasses und der Erbengemeinschaft. Der Beteiligte zu 4) trat dem Entlassungsantrag entgegen und rügte unter anderem die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte für den Entlassungsantrag.

Das Nachlassgericht hat den Entlassungsantrag zurückgewiesen. Das Beschwerdegericht hat mit dem angefochtenen Beschluss die Entscheidung des Nachlassgerichts abgeändert und dieses angewiesen, den Beteiligten zu 4) als Testamentsvollstrecker zu entlassen. Hiergegen richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 4). Er beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

II. Problem

Die nur teilweise zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache nach Ansicht des BGH keinen Erfolg.

Ohne Erfolg rüge der Beteiligte zu 4) die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte. Die von ihm erhobene Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit greife nicht durch. Die Erblasserin und ihr Ehemann hätten in dem Testament bestimmt, dass alle Streitigkeiten aus diesem Testament unter Ausschluss der ordentlichen Gerichte dem Schiedsgericht für Erbstreitigkeiten e.V. (DSE) und der von dieser zugrunde gelegten Schiedsordnung unterworfen werden sollen. Die Frage, ob eine derartige Schiedsklausel auch das Verfahren über den Antrag auf Entlassung eines Testamentsvollstreckers gemäß § 2227 BGB erfasst, werde unterschiedlich beurteilt.

Im Schrifttum werde teilweise die Auffassung vertreten, dass für Verfahren auf Entlassung eines Testamentsvollstreckers in einer letztwilligen Verfügung durch den Erblasser einseitig wirksam eine schiedsgerichtliche Zuständigkeit unter Ausschluss der ordentlichen Gerichtsbarkeit angeordnet werden kann.

Demgegenüber würden die Rechtsprechung sowie die überwiegende Auffassung im Schrifttum die Übertragung der Aufgabe des Nachlassgerichts über die Entscheidung zur Entlassung eines Testamentsvollstreckers durch eine einseitige letztwillige Verfügung des Erblassers auf ein Schiedsgericht für unzulässig erachten.

Die letztgenannte Auffassung sei zutreffend. Streitigkeiten über die Entlassung eines Testamentsvollstreckers nach § 2227 BGB könnten in einer letztwilligen Verfügung gemäß § 1066 ZPO nicht einseitig durch den Erblasser unter Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit einem Schiedsgericht zugewiesen werden.

Die Vorschrift des § 1066 ZPO bestimme, dass für Schiedsgerichte, die in gesetzlich statthafter Weise durch letztwillige Verfügung angeordnet wurden, die Vorschriften über das schiedsrichterliche Verfahren entsprechend gelten. § 1066 ZPO enthält eine rein prozessuale Regelung, die die Zulässigkeit testamentarisch angeordneter Schiedsgerichte voraussetzt, nicht aber selbst begründet. Sie sage daher nichts darüber aus, unter welchen materiell-rechtlichen Voraussetzungen die Anordnung der Schiedsgerichtsbarkeit möglich ist (Selzener, ZEV 2010, 285, 288). Ein Schiedsgericht sei nur dann in gesetzlich statthafter Weise errichtet, wenn die eigene materielle Verfügungsbefugnis des Erblassers hierfür reicht (vgl. Selzener, ZEV 2010, 285, 287 f.; Storz, SchiedsVZ 2010, 200, 202; Dawirs, Das letztwillig angeordnete Schiedsgerichtsverfahren - Gestaltungsmöglichkeiten, 2014 S. 68). Das sei für die Frage der Entlassung des Testamentsvollstreckers nicht der Fall. Die materiell-rechtliche Verfügungsbefugnis des Erblassers finde ihre Grenze unter anderem in § 2220 BGB, wonach der Erblasser nicht das Recht hat, den Testamentsvollstrecker von den ihm nach den §§ 2215, 2216, 2218 und 2219 BGB obliegenden Verpflichtungen zu befreien. Hierbei handele es sich um die grundlegenden Verpflichtungen des Testamentsvollstreckers zur Erstellung eines Nachlassverzeichnisses (§ 2215 BGB), zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses (§ 2216 BGB), zur Auskunft und zur Rechnungslegung (§ 2218 BGB) sowie zur Haftung (§ 2219 BGB).

Zwar werde die Regelung über die Entlassung des Testamentsvollstreckers gemäß § 2227 BGB in § 2220 BGB nicht genannt. Der Rechtsgedanke der Vorschrift finde hier aber entsprechende Anwendung. Ihr sei der Wille des Gesetzgebers zu entnehmen, „nicht zuzulassen, dass ein Erblasser den Erben mit gebundenen Händen dem ausgedehnten Machtbereich des Testamentsvollstreckers überliefert“ (grundlegend RGZ 133, 128, 135; vgl. auch MüKo-BGB/Zimmermann, § 2227 Rn. 1; Staudinger/Reimann, BGB (2016) § 2227 Rn. 1). Ohne die Entlassungsmöglichkeit des § 2227 BGB wären die nicht abdingbaren Rechte des Erben gegen den Testamentsvollstrecker aus §§ 2215, 2216, 2218, 2219 BGB gar nicht oder nur noch in sehr eingeschränktem Umfang durchsetzbar (vgl. RGZ 133, 128, 135: „stumpfe Waffe“). § 2227 BGB stelle insoweit mit der Möglichkeit der Entlassung des Testamentsvollstreckers die zwingende verfahrensrechtliche Ergänzung zu den ihn treffenden materiell-rechtlichen Verpflichtungen dar. Die Regelungen der §§ 2220, 2227 BGB seien vom Gesetz als Ausgleich für die ansonsten starke Stellung des Testamentsvollstreckers unter Berücksichtigung der Rechte der Erben gemäß Art. 14 Abs. 1 GG ausgestaltet. Im Streit um die Entlassung eines Testamentsvollstreckers erfordere der nur gering ausgeprägte Schutz der Nachlassbeteiligten ein Minimum an Schutz durch die staatlichen Gerichte. Das Recht, den Testamentsvollstrecker zu entlassen, bietet die einzig effektive Möglichkeit, das Testamentsvollstreckerverfahren zu beeinflussen (vgl. Staudinger/ Reimann, BGB (2016) § 2227 Rn. 1, 4).

Soweit die Gegenauffassung meine, zumindest für „echte Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit“ müsse eine Übertragung der Zuständigkeit des Nachlassgerichts auf ein Schiedsgericht möglich sein (vgl. etwa Muscheler, ZEV 2009, 317, 318 f.), könne offenbleiben, ob dem in dieser Allgemeinheit zugestimmt werden kann. Jedenfalls handelt es sich beim Verfahren um die Entlassung eines Testamentsvollstreckers nicht um eine derartige Streitigkeit.

Soweit ferner geltend gemacht werde, die Zulässigkeit der Schiedsgerichtsklausel ergebe sich daraus, dass der Erblasser in seiner Verfügung von Todes wegen die Einsetzung des Testamentsvollstreckers auch auflösend bedingt durch das objektive Eintreten eines wichtigen Grundes im Sinne des § 2227 BGB anordnen könne (Muscheler, ZEV 2009, 317, 320), spreche hiergegen bereits, dass das Schiedsgericht in diesem Fall keine schiedsgerichtliche Entscheidung, sondern lediglich eine schiedsgutachterliche Feststellung zu treffen hätte, die einer gerichtlichen Überprüfung entsprechend den §§ 317 ff. BGB nicht entzogen wäre (Staudinger/Otte, BGB (2017) Vorbem. zu § 1937 ff. Rn. 11; Selzener, ZEV 2010, 285, 287; Dawirs aaO S. 67 f.).

Auch der Verweis der Beschwerde auf die „negative Erbfreiheit“ der Erben oder Bedachten könne nicht zur Zulässigkeit der Einsetzung eines Schiedsgerichts führen. Der Umstand, dass die Bedachten auch ausschlagen oder verzichten können, bedeutet umgekehrt nicht, dass sie im Falle ihres Einrückens in die Stellung eines Erben oder Vermächtnisnehmers sämtliche materiell- oder verfahrensrechtlichen Bestimmungen in einer letztwilligen Verfügung des Erblassers hinzunehmen hätten.

Ohne Erfolg mache die Rechtsbeschwerde demgegenüber geltend, die Frage, ob die Entlassung des Testamentsvollstreckers vor einem Schiedsgericht auszutragen sei, schließe die Frage mit ein, ob das Nachlassgericht zwar weiterhin über die Entlassung entscheiden könne, aber zumindest insoweit an die Feststellung des Schiedsgerichts gebunden sein könne, ob ein wichtiger Grund im Sinne des § 2227 BGB vorliege. Dagegen spreche bereits, dass es sich bei der Beurteilung des Vorliegens eines wichtigen Grundes im Sinne von § 2227 BGB um keine Entscheidung handelt, die einem Schiedsgericht zur abschließenden Beurteilung übertragen wird, sondern allenfalls um ein Schiedsgutachten (vgl. Selzener, ZEV 2010, 285, 287). Ein derartiges Schiedsgutachten liege hier weder vor, noch sei ein solches in der letztwilligen Verfügung der Erblasserin vorgesehen.

Die Rechtsbeschwerde wurde somit zurückgewiesen.

III. Fazit

Der Testierende hat grds. die Möglichkeit gewisse zukünftige Streitigkeiten zwischen seinen Erben an Schiedsgerichte zu verweisen. Meist soll hierdurch bezweckt werden, denn Beteiligten eine oftmals belastende Auseinandersetzung vor den ordentlichen Gerichten zu ersparen.

Die Entscheidung des BGH verdeutlicht die Grenzen dieser Möglichkeit und sorgt für weitere Rechtssicherheit.

Danach können Streitigkeiten über die Entlassung eines Testamentsvollstreckers nicht einseitig durch den Erblasser unter Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit einem Schiedsgericht zugewiesen werden. Die eigene materielle Verfügungsbefugnis des Erblassers reicht hierfür nicht aus, da den Nachlassbeteiligten ein Minimum an Schutz durch die staatlichen Gerichte verbleiben muss.


Rezension des Beschlusses des BGH v. 17.05.2017 - IV ZB 25/16 - OLG Stuttgart „Schiedsgerichte / Zuweisung / Entlassung eines Testamentsvollstreckers", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.8 August 2017, S.465 ff


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