Testamentsvollstrecker, Verfügung, Entgeltlichkeit, Insichgeschäft, Nachweis
Leitsatz:
Ist zum Nachweis der Entgeltlichkeit einer Verfügung des Testamentsvollstreckers, der ein Insichgeschäft tätigt und in einem Näheverhältnis zum Miterwerber steht, ein Wertgutachten vorgelegt, an welchem sich der Verkaufspreis orientiert hat, hat das Grundbuchamt dies im Rahmen der Prüfung, ob der Testamentsvollstrecker eine Teilunentgeltlichkeit der Verfügung kannte oder erkennen musste, zu berücksichtigen.
OLG München, Beschluss vom 16.11.2017 - 34 Wx 266/17
GBO § 19, § 20, § 29 Abs. 1, § 71 Abs. 1, § 73,
FamFG § 10 Abs. 2 S. 1
BGB § 181, § 2205 S. 2 u. 3, § 2208, § 2210, § 2222, § 2224 Abs. 1 S. 3, § 2365, § 2368 Abs. 3
I. Einführung
Der Erblasser war als Eigentümer eines Grundstücks im Grundbuch als Alleinerbe nach seiner vorverstorbenen Ehefrau eingetragen. Die Beteiligten zu 1) bis 4) sind die Kinder des Erblassers.
Mit seiner Ehefrau hatte der Erblasser ein gemeinschaftliches Testament errichtet, nach dem nach seinem Tod die Kinder zu gleichen Teilen seine Erben sein sollten. Zudem hatten beide Ehegatten die Beteiligte zu 1) zur Testamentsvollstreckerin bestimmt mit der Aufgabe, den jeweiligen Nachlass abzuwickeln. Hierzu sollte sie alle gesetzlich zulässigen Befugnisse haben und von allen gesetzlichen Beschränkungen, auch denjenigen des § 181 BGB, befreit sein.
Nach dem Ableben des Vaters eröffnete das Nachlassgericht das Testament und erteilte der Beteiligten zu 1) ein Testamentsvollstreckerzeugnis und den Beteiligten zu 1) bis 4) einen Erbschein, wonach sie Erben zu je 1/4 geworden sind. Das Grundbuchamt hat die Erbengemeinschaft im Grundbuch eingetragen. Zudem enthält die Abteilung II die Eintragung, dass Testamentsvollstreckung angeordnet ist.
Die Beteiligte zu 1) übertrug das Grundstück auf sich und den Beteiligten zu 2). Als Kaufpreis war der Betrag von 345.000 € vereinbart. Diesen Kaufpreis entnahm die Beteiligte zu 1) einem vor Beurkundung erholten Wertgutachten eines Diplom-Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken. Dieses kommt zu einem Sachwert von 356.000 € abzüglich eines Betrags von 26.000 € für eingetragene Belastungen, sowie zu einem Ertragswert von 345.000 €. Es bewertet den Verkehrswert nach § 194 BauGB mit dem höheren ermittelten Betrag von 345.000 €.
In einem Schreiben an das Grundbuchamt bewilligte der bevollmächtigte Notar die Eintragung des Eigentumsübergangs gemäß der Auflassung und beantragte die Eintragung der Auflassung und Löschung des Testamentsvollstreckervermerks. Das Grundbuchamt zog darauf die Nachlassakte bei und hörte die Beteiligten zu 2) und 3) an, die einwandten, dass der vereinbarte Kaufpreis dem Grundstückswert nicht entspreche. Sie legten ein Wertgutachten einer öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken vor, nach dem der Wert der Immobilie zur Zeit der Beurkundung der Veräußerung bei 375.000 €, somit um 30.000 € höher liege als im Vertrag vereinbart. Der Sachwert wird darin beziffert auf 373.000 €, der Vergleichswert unter Berücksichtigung einer vergleichbaren Veräußerung aus dem Vorjahr auf 374.000 €.
Das Grundbuchamt hat daraufhin den Antrag kostenpflichtig zurückgewiesen. Wegen des von dem Zweitgutachter ausgewiesenen Mehrwertes von 8,7 % bestünden beim Grundbuchamt jedenfalls Zweifel an der vollen Entgeltlichkeit der Verfügung der Testamentsvollstreckerin.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten. Dieser hat das Grundbuchamt nicht abgeholfen.
II. Problem
Die gegen die Versagung der Eintragung gerichtete Beschwerde war nach Ansicht des OLG München statthaft (§ 71 Abs. 1 GBO), auch im Übrigen zulässig (§ 73 GBO, § 10 Abs. 2 Satz 1 FamFG) und erfolgreich.
Erkläre ein Testamentsvollstrecker Auflassung und Bewilligung, habe das Grundbuchamt die Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers zu prüfen.
Seien im Testamentsvollstreckerzeugnis keine Abweichungen vom gesetzlichen Umfang der Befugnisse angegeben, habe das Grundbuchamt regelmäßig von der gesetzlichen Verfügungsbefugnis auszugehen; denn die Vermutungswirkung des § 2368 Abs. 3, § 2365 BGB gelte auch gegenüber dem Grundbuchamt (Meikel/Böhringer GBO § 52 Rn. 20; Schaub in Bauer/von Oefele GBO § 52 Rn. 21). Die Prüfungspflicht und das Prüfungsrecht des Grundbuchamts seien in diesen Fällen deshalb darauf beschränkt, ob der Testamentsvollstrecker die gesetzlichen Schranken seiner Verfügungsmacht eingehalten, insbesondere nicht über das zulässige Maß hinaus unentgeltlich über Nachlassgegenstände verfügt hat, § 2205 Satz 3 BGB.
Ebenso müsse das Grundbuchamt die Wirksamkeit der Verfügung prüfen und sich nachweisen lassen, wenn der Testamentsvollstrecker über ein Grundstück zu seinen eigenen Gunsten verfügt und deshalb grundsätzlich der Verfügungsbeschränkung nach § 181 BGB unterliegt (BGH NJW 1981, 1271; Palandt/Weidlich § 2205 Rn. 25; Meikel/Böhringer § 52 Rn. 52). Dieser Nachweis müsse ebenfalls nicht in der Form nach § 29 Abs. 1 GBO geführt werden (OLG Köln FGPrax 2013, 105 mit Nachweisen). Liege ein privatschriftliches Testament vor, genüge daher eine beglaubigte Abschrift des Testaments und des Eröffnungsvermerks (MüKo/Zimmermann BGB § 2205 Rn. 101) bzw. auch die Bezugnahme auf die Nachlassakten beim gleichen Gericht, in der die Unterlagen zu finden sind (vgl. Hügel/Zeiser GBO § 52 Rn. 28 sowie Hügel/Wilsch § 35 Rn. 142 und 98). Ein praktisches Bedürfnis hierfür bestehe vor allem deswegen, weil der Nachweis mithilfe eines Testamentsvollstreckerzeugnisses gemäß § 2368 BGB nicht möglich sei. Die Befreiung des Testamentsvollstreckers von der Einschränkung des § 181 BGB sei nämlich nicht in dieses Zeugnis aufzunehmen (OLG Hamm NJW-RR 2004, 1448; Palandt/Weidlich § 2368 Rn. 2).
Danach stehe die grundsätzliche Verfügungsbefugnis der Beteiligten zu 1) in den Grenzen des § 2205 BGB, wie auch die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB fest.
Auch § 2205 Satz 3 BGB stehe hier der Verfügung nicht entgegen.
Unentgeltlich sei die Verfügung über einen Nachlassgegenstand dann, wenn dem aus dem Nachlass hingegebenen Vermögenswert objektiv keine oder keine gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht und der Testamentsvollstrecker subjektiv das Fehlen oder die Ungleichwertigkeit der Gegenleistung erkannt hat oder bei ordnungsgemäßer Verwaltung hätte erkennen müssen (BGH NJW-RR 2016, 457 Rn. 9; OLG München. FamRZ 2017, 147/148; vgl. für entsprechende Verfügungen des Vorerben: Palandt/Weidlich § 2113 Rn. 10; Staudinger/Avenarius BGB § 2113 Rn. 61).
Ein Nachweis der Entgeltlichkeit als Eintragungsvoraussetzung sei jedoch in der Regel nicht in der Form des § 29 Abs. 1 GBO zu führen. Die Rechtsprechung habe daher den allgemeinen Satz aufgestellt, dass eine entgeltliche Verfügung anzunehmen sei, wenn die dafür maßgebenden Beweggründe im Einzelnen angegeben werden, verständlich und der Wirklichkeit gerecht werdend erscheinen und begründete Zweifel an der Pflichtmäßigkeit der Handlung nicht ersichtlich sind (vgl. Demharter § 52 Rn. 23 m.w.N.). Dabei bestehe bei einem Insichgeschäft bzw. einem Näheverhältnis des Testamentsvollstreckers zum Erwerber für das Grundbuchamt regelmäßig Anlass zu einer besonders sorgfältigen Prüfung der Entgeltlichkeit der Verfügung (OLG Düsseldorf FGPrax 2008, 94/96). Andererseits schließe ein Näheverhältnis aber die Annahme der Entgeltlichkeit insbesondere dann nicht aus, wenn keine Anhaltspunkte für eine mögliche Absicht des Testamentsvollstreckers bestehen, die übrigen Erben zu benachteiligen (OLG München FGPrax 2005, 193/194; OLG Frankfurt ZEV 2012, 325/326). Im Rahmen der Prüfung des Grundbuchamts könne auch ein von den Beteiligten erholtes Wertgutachten berücksichtigt werden (vgl. OLG Frankfurt ZEV 2012, 325/327; OLG Düsseldorf FGPrax 2008, 94/96; Hügel/Zeiser § 52 Rn. 82).
Entscheidend sei, dass zu einer objektiven Wertdifferenz immer auch subjektiv hinzukommen müsse, dass der Testamentsvollstrecker von der Teilunentgeltlichkeit der Verfügung weiß oder erkennen musste, dass die Gegenleistung unzulänglich war (BGH NJW 1991, 842/843; MüKo/Zimmermann § 2205 Rn. 72).
Vorliegend könne aufgrund der Einholung des Gutachtens nicht davon ausgegangen werden, dass die Beteiligte zu 1) bei Errichtung des Kaufvertrags und Erklärung der Auflassung davon wusste, dass die Gegenleistung nicht dem Wert des Grundstücks entsprechen könnte.
Es sei auch nicht ersichtlich, dass sich der Beteiligten zu 1) ein angeblicher Unterwertverkauf aufgedrängt hätte und sie bei ordnungsgemäßer Verwaltung dies hätte erkennen müssen. Bei einem derartig geringen Wertunterschied in den Gutachten könne nicht davon ausgegangen werden, dass ein Laie erkennen konnte, dass das Grundstück einen (angeblich) höheren Wert hat.
III. Fazit
Die Entscheidung beschäftigt sich mit der Prüfungspflicht des Grundbuchamts und deren Umfang bei einer Verfügung durch einen Testamentsvollstrecker.
Das Grundbuchamt hat bei einer solchen Verfügung insbesondere zu überprüfen, ob der Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers § 2205 Satz 3 BGB entgegen steht.
Im Rahmen dieser Prüfung ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Unentgeltlichkeit neben dem objektiven auch ein subjektives Element voraussetzt.
Unentgeltlich ist die Verfügung über einen Nachlassgegenstand dann, wenn objektiv keine oder keine gleichwertige Gegenleistung gegeben ist und der Testamentsvollstrecker subjektiv das Fehlen oder die Ungleichwertigkeit der Gegenleistung erkannt hat oder bei ordnungsgemäßer Verwaltung hätte erkennen müssen.
Hat sich der Testamentsvollstrecker bei der Bemessung der Gegenleistung an einem Sachverständigengutachten orientiert, stellt dies ein gewichtiges Indiz für das Fehlen des subjektiven Elements dar.
Rezension des Beschlusses des OLG München v. 12.04.2018 - 31 AR 52/18 „FamFG / Zuständigkeit / Verweisung aus wichtigem Grund", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.7 Juli 2018, S.389 f