Transmortale Vollmacht; Insichgeschäft; potentieller Erbe; Grundbuchordnung

Leitsatz:

  1. Zur Verwendung transmortaler Vollmachten durch einen potenziellen Erben. (amtlicher Leitsatz)
  2. Der grundbuchliche Vollzug einer Eigentumsübertragung durch zugelassenes Insichgeschäft, das der Bevollmächtigte aufgrund einer transmortalen Vollmacht des verstorbenen eingetragenen Berechtigten sowie in eigenem Namen an sich vornimmt, ist nicht zwingend von einem Erbennachweis nach § 35 GBO abhängig, auch wenn der Bevollmächtigte als potenzieller Alleinerbe in Betracht kommt (Ergänzung zu OLG Schleswig vom 15.7.2014, 2 W 48/14; Abgrenzung zu OLG Hamm vom 10.1.2013, I-15 W 79/12). (amtlicher Leitsatz)

OLG München, Beschluss vom 04.08.2016 - 34 Wx 110/16

BGB §§ 133, 164, 167, 172, 181, 925
GBO §§ 13, 19, 20, 22, 29, 35 Abs. 1

I. Einführung

Die Beteiligte ist im Grundbuch gemeinsam mit ihrem Ehemann als Eigentümer/in eines Grundstücks je zur Hälfte eingetragen. Ihr Ehemann ist 2014 verstorben. Das Grundbuchamt hat aufgrund Einsicht in die beim selben Gericht geführten Nachlassakten festgestellt, dass ein eröffnetes gemeinschaftliches eigenhändiges Testament der Eheleute vorliegt, wonach diese sich gegenseitig zu alleinigen und unbeschränkten Erben einsetzen. Ein Erbschein ist bisher nicht beantragt.

Zu notarieller Urkunde vom 30.3.2015 überließ die Beteiligte, handelnd zugleich in eigenem Namen und für die Erben ihres Ehemannes, aufgrund im Original vorgelegter und notariell beglaubigter Generalvollmacht, dessen ideellen hälftigen Miteigentumsanteil an dem Grundbesitz an sich selbst zum Alleineigentum. Die Auflassung ist erklärt, deren Eintragung im Grundbuch bewilligt und beantragt. Nach der Urkunde bevollmächtigen sich die Eheleute unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB „über unseren Tod hinaus“ gegenseitig, (u. a.) über den ihnen hälftig zu gleichen Teilen gehörenden, im Einzelnen bezeichneten Grundstücksanteil zu verfügen und alle Erklärungen abzugeben und Rechtshandlungen vorzunehmen, die zur Übertragung des Eigentums erforderlich sind.

Auf den Vollzugsantrag hin hat das Grundbuchamt eine Zwischenverfügung erlassen. Durch den Tod des Erblassers sei Universalsukzession eingetreten, das Eigentum von selbst auf die Beteiligte als Alleinerbin übergegangen. Für eine rechtsgeschäftliche Übertragung sei kein Raum. Zur Eintragung der Beteiligten solle ein Erbschein vorgelegt und Grundbuchberichtigung beantragt werden.

Nach fruchtlosem Ablauf der gesetzten Frist hat die Rechtspflegerin die Eintragungsanträge zurückgewiesen und dies mit der fehlenden rechtsgeschäftlichen Übertragungsmöglichkeit nach Rechtsübergang begründet.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten, der das Grundbuchamt nicht abgeholfen hat.

II. Problem

Die Beschwerde war nach Ansicht des OLG erfolgreich.

Die Beschwerde sei begründet, da die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Umschreibung des den Regeln des Alleineigentums folgenden Bruchteilseigentums (BGH NJW 2007, 2254 Rn. 11) gegeben seien und das Grundbuchamt dementsprechend zur Eintragung anzuweisen ist.

Durch Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch solle eine (Mit-)Eigentumsübertragung aufgrund Auflassung (§ 873 Abs. 1, § 925 Abs. 1, § 1008 BGB) vollzogen werden. Hierbei habe das Grundbuchamt nach § 20 GBO die Einigung zu prüfen. Dazu müsse ihm die Einigung in grundbuchmäßiger Form (§ 29 GBO) so nachgewiesen sein, wie sie sachenrechtlich zur Herbeiführung der Rechtsänderung notwendig ist (Demharter § 20 Rn. 38), also bei Handeln eines Vertreters der Nachweis einer wirksamen Vollmacht.

Die Beteiligte habe sich durch die im Original vorgelegte Vollmachtsurkunde (“Generalvollmacht“) legitimiert (vgl. § 172 BGB). Die Vorlage schaffe den Rechtsschein, dass die Vertretungsmacht fortbesteht.

Die nach § 167 BGB wechselseitig erteilte Vollmacht regele zwar nicht ausdrücklich einen Geltungsbeginn, lege aber ausdrücklich fest, dass sie über den Tod hinaus gelten solle. Dies entspricht einer sogenannten transmortalen Vollmacht. In diesem Fall legitimiere sie dazu, die Erben auch im Grundbuchverkehr hinsichtlich des Nachlasses zu vertreten (OGL München FGPrax 2012, 14; FamRZ 2013, 402; OLG Frankfurt ZEV 2012, 377). Die Rechte des Bevollmächtigten würden sich in diesem Fall vom Erblasser ableiten, nicht von den Erben, die diese jedenfalls als isolierte Vollmacht frei widerrufen können (Demharter § 19 Rn. 83; Amann MittBayNot 2013, 367/368). Die Vollmacht sei ersichtlich im umfassendsten Sinne gewollt. Sie gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie im Fall der (Allein-)Erbenstellung des Bevollmächtigten nicht gelten soll. Die ebenfalls enthaltene explizite Erwähnung bankbezogener Geschäfte deute darauf hin, dass die Vollmacht gerade Nachweisproblemen vorbeugen sollte, die nach Erbfällen im Verkehr mit Banken erfahrungsgemäß auftreten können.

Im Grundbuchverkehr sei die materielle Erbenstellung grundsätzlich unerheblich, solange nicht der Nachweis in Form der in § 35 Abs. 1 GBO bezeichneten Urkunden erbracht ist. Denn insoweit bestehe ein Nachweistypenzwang, der andere Beweismittel ausschließt (Hügel/Wilsch GBO, § 35 Rn. 24). Für die Wirksamkeit der Einigung (§ 20 GBO) wäre es auch schwer verständlich, dass der transmortal Bevollmächtigte zwar aufgrund dessen wirksam auf Dritte übertragen kann (RGZ 88, 345/348; OLG Frankfurt ZEV 2012, 366; Palandt/Weidlich Einf v § 2197 Rn. 10; Hügel/Wilsch § 35 Rn. 80), nicht aber - bei Befreiung nach § 181 BGB - auf sich selbst.

Die Wirksamkeit der Auflassung aufgrund transmortaler Vollmacht werde auch nicht dadurch infrage gestellt, dass mit dem Erbfall der Nachlass mit dem Eigenvermögen der Beteiligten als potenzieller Erbin zu einer rechtlichen Einheit verschmolzen sein kann, wodurch die Annahme eines Fortbestehens der Vollmacht für den Alleinerben auf eine gesetzlich nicht vorgesehene Fiktion hinausliefe und wofür auch kein zwingendes Bedürfnis bestünde.

Teile von Rechtsprechung (OLG Stuttgart JFG 12, 274; NJW 1947/1948, 627) und Literatur (Staudinger/Reimann BGB, Bearb. November 2011 Vorbem zu §§ 2197 ff. Rn. 70; J. Mayer in Bamberger/Roth BGB, § 2197 Rn. 43; Bestelmeyer, Rpfleger 2015, 11) würden allerdings davon ausgehen, dass die für den Alleinerben erteilte Vollmacht grundsätzlich mit dem Erbfall durch Konfusion erlösche. Dies werde im Wesentlichen aus der Logik begründet: es erscheine nämlich unmöglich, von Stellvertretung zu sprechen, wo eine solche nicht infrage stehe (OLG Stuttgart JFG 12, 272/274; NJW 1947/1948, 627 f.), es also an einer Personenverschiedenheit fehle (Bestelmeyer Rpfleger 2015, 11), die § 164 BGB voraussetze. Nach der neueren Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm (DNotZ 2013, 689) könne der Vollmachtsurkunde im Grundbuchverkehr zwar grundsätzlich weiterhin Legitimationswirkung zukommen; diese entfalle jedoch, wenn der Urkundsbeteiligte sie dadurch aufhebt, dass er ausdrücklich erklärt, als Alleinerbe berufen zu sein. Dann laufe seine Erklärung nämlich darauf hinaus, dass er eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung als Vertreter abgegeben habe, obwohl deren Wirkungen nur ihn selbst als den vertretenen Alleinerben treffen können (OLG Hamm DNotZ 2013, 689/690). Für eine Fiktion des Fortbestands der Vollmacht sei in diesem Fall kein Raum.

Andere Stimmen (MüKo-BGB/Schubert § 168 Rn. 14; KEHE/Volmer GBO § 35 Rn. 26; Schaub in Bauer/von Oefele GBO AT VII Rn. 112; Meikel/Böttcher GBO Einl E Rn. 80; Palandt/Ellenberger § 168 Rn. 4; Amann MittBayNot 2013, 367/370; Keim DNotZ 2013, 692; Lange ZEV 2013, 343; Mensch ZNotP 2013, 171) verneinen mit teils unterschiedlichen Ansätzen entweder bereits eine Konfusion, weil die darunter verstandene Vereinigung von Schuld und Forderung in einer Person (vgl. BGHZ 48, 214/218) für die Vertretungsmacht schon nicht passe (Lange ZEV 2013, 343) oder aber den Wegfall der von der vorgelegten Urkunde ausgehenden Legitimationswirkung (MüKo/Schubert; KEHE/Volmer, Meikel/Böttcher, Amann, Keim, Mensch je a. a. O.).

Die notarielle Urkunde belege in den für das Grundbuchamt maßgeblichen Erklärungen zur Auflassung ein Rechtsgeschäft, das sich aus zwei Willenserklärungen unterschiedlicher Rechtssubjekte zusammensetzt (Palandt/Ellenberger Einf v § 145 Rn. 1). Denn die nach § 181 BGB zum Insichgeschäft befugte Beteiligte hat hier für die von ihr nicht namhaft gemachten Erben ihres verstorbenen Ehemannes als Veräußerer und für sich als Erwerberin die nach § 20 GBO erforderlichen Erklärungen abgegeben.

Allerdings habe das Grundbuchamt, wenn ihm - auch außerhalb der vorgelegten Eintragungsunterlagen - konkrete Anhaltspunkte für das Erlöschen der Vollmacht bekannt geworden sind, diesen im Rahmen des Legalitätsprinzips nachzugehen (vgl. OLG Frankfurt Rpfleger 1977, 103; Hügel/Reetz V Rn. 131). Etwaigen Zweifeln an der Wirksamkeit der Vollmacht in diesem Fall dadurch zu begegnen, dass dem Antragsteller aufgegeben wird, die fehlende (Allein-)Erbenstellung nachzuweisen, wäre aber überzogen (vgl. Weidlich MittBayNot 2013, 196/199; siehe auch LG Bremen Rpfleger 1993, 235 mit Anm. Meyer-Stolte). Denn selbst wenn die (Allein-)Erbenstellung der Beteiligten aufgrund des privatschriftlichen Ehegattentestaments infrage kommt, sei deren Verfügungsbefugnis über Erbschaftsgegenstände ohne den die Erbenstellung bezeugenden Erbschein und dem von ihm ausgehenden öffentlichen Glauben (vgl. §§ 2365 f. BGB) Beschränkungen ausgesetzt, die es rechtfertigen und im Interesse eines sicheren Rechtsverkehrs auch notwendig machen, vom Fortbestand der Vollmacht auszugehen (KEHE/Volmer § 35 Rn. 26; Keim DNotZ 2013, 690/693; Weidlich MittBayNot 2013, 196/199; Meyer-Stolte Rpfleger 1993, 235/236).

Das Legalitätsprinzip (Demharter Einleitung Rn. 1; Hügel/Holzer § 1 Rn. 110) steht dem auch im Übrigen nicht entgegen. Im Antragsverfahren folgt daraus die Pflicht des Grundbuchamts, zu verhindern, dass das Grundbuch - materiell - unrichtig wird (Hügel/Holzer § 1 Rn. 112). Eine derartige Gefahr besteht hier nicht.

Der strenge Grundsatz des Erbennachweises (nur) durch die in § 35 GBO aufgeführten Urkunden werde nicht durchbrochen. Denn eine berichtigende Eigentumsumschreibung wegen nachträglicher Unrichtigkeit durch eingetretene Erbfolge (vgl. Demharter § 22 Rn. 15) sei nicht beantragt. Nichts zwingt aber einen mit transmortaler Vollmacht ausgewiesenen und deren Rechtsscheinwirkungen nicht infrage stellenden Beteiligten nach dem Erbfall dazu, statt einer Auflassung an sich nur den verfahrensrechtlichen Weg der Berichtigung (§§ 22, 35 GBO) zu wählen, um nach Grundbucheintragung als Eigentümer im Rechtsverkehr legitimiert zu sein (vgl. § 891 BGB).

III. Fazit

Das OLG München hatte vorliegend die oftmals unterschiedlich beantwortete Frage, ob die einem Alleinerben vom Erblasser erteilte postmortale Vollmacht grundsätzlich mit dem Erbfall durch Konfusion erlischt, zu beantworten.

Dies war vorliegend problematisch, da die Alleinerbin vorliegend die Vollmacht dazu nutzte, nach dem Tod des Erblassers die Auflassung an sich selbst zu erklären und den Grundbesitz so auf sich zu übertragen. Sie wählte gerade nicht den Weg der Grundbuchberichtigung (§§ 22, 35 GBO). Dies mag insofern vorteilhaft sein, als hierdurch die Kosten für die Erteilung eines Erbscheins gespart werden können.

Das Gericht verneint hier einen Verlust der Legitimationswirkung der Vollmacht und gestattet den von der Erbin gewählten Weg.

Eine transmortale Vollmacht kann somit oftmals ein geeignetes Mittel sein, um die Kosten für den Erbschein und Nachweisschwierigkeiten zu vermeiden.


Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Burandt
Rezension des Beschlusses des OLG München v. 04.08.2016 - 34 Wx 110/16 „Transmortale Vollmacht / Insichgeschäft / Potentieller Erbe / Grundbuchordnung", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr.11 November 2016, S.670 ff


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