Umfang Testamentseröffnung; trennbare Verfügung

Amtliche Leitsätze:

  1. Grundsätzlich ist nur das Original (die Urschrift) einer letztwilligen Verfügung, nicht aber eine einfache Kopie hiervon zu eröffnen. Aus dem Grundsatz, dass die Erbfolge aber auch aus nur noch in Kopie vorhandenen letztwilligen Verfügungen festgestellt werden kann, folgt jedoch, dass in einem solchen Fall ausnahmsweise die Kopie zu eröffnen ist.
  2. Zu eröffnen ist grundsätzlich das gesamte Schriftstück. Eine Ausnahme gilt lediglich bei trennbaren Verfügungen des überlebenden Ehepartners in gemeinschaftlichen Testamenten, da nur die Verfügungen des verstorbenen Ehepartners zu eröffnen sind, § 349 Abs. 1 FamFG. Dabei kommt es für die Frage der Trennbarkeit nicht auf die Wünsche und Geheimhaltungsinteressen der Eheleute, sondern allein auf die konkrete Ausgestaltung und sprachliche Fassung des gemeinschaftlichen Testaments an. Liegt nur eine von einem Ehepartner handschriftlich niedergelegte und sodann von beiden Ehepartnern unterschriebene gemeinsame letztwillige Verfügung vor, in der Formulierungen wie „wir“ und „unser“ gewählt wurden, ist eine derartige Trennung und damit eine nur teilweise Eröffnung nicht möglich.

OLG München (31. Zivilsenat), Beschluss vom 07.04.2021 – 31 Wx 108/21

FamFG §§ 348, 349

I. Einführung

Die Beschwerdeführerin und der Erblasser hatten ein gemeinschaftliches Testament errichtet und zwei Nachträge zu diesem gefertigt. In dem Testament wurde die Beschwerdeführerin als Vorerbin und die beiden Kinder des Erblassers und der Beschwerdeführerin als Schlusserben eingesetzt.

Das Nachlassgericht hat angekündigt, das streitgegenständliche gemeinschaftliche Testament einschließlich der Nachträge vollständig auch gegenüber den Kindern des Erblassers eröffnen zu wollen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beschwerdeführerin.

II. Problem

Die Beschwerde war nach der Entscheidung des OLG München zulässig, aber hatte in der Sache keinen Erfolg.

Bei dem Beschluss des Nachlassgerichts, in welchem angekündigt wurde, die Verfügungen von Todes wegen einschließlich der Nachträge vollständig zu eröffnen, handele es sich zwar formal um eine Zwischenentscheidung, die der Sache nach aber wegen des bereits hieraus folgenden Rechtseingriffs wie eine Endentscheidung zu behandeln sei. Sie sei daher ausnahmsweise mit der Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG anfechtbar (vgl. KG Berlin ZEV 2019, 537; Firsching/Graf/Krätzschel, NachlassR, § 37 Rn. 37; Burandt/Rojahn/Gierl, 3. Aufl. 2019 FamFG § 349 Rn. 3).

Die Beschwerde sei in der Sache jedoch ohne Erfolg. Zu Recht habe das Nachlassgericht angekündigt, auch die Nachträge zum gemeinschaftlichen Testament vom 24.03.2011 und 23.11.2016 vollständig auch gegenüber den Kindern des Erblassers eröffnen zu wollen.

Unerheblich sei dabei, dass der zweite Nachtrag im Original nicht auffindbar ist und nur als Kopie vorliegt. Zwar sei grundsätzlich stets das Original zu eröffnen. Aus dem Grundsatz, dass die Erbfolge aber auch aus nicht vorhandenen Originalurkunden, sondern aus nur noch in Kopie vorhandenen Testamenten festgestellt werden kann (vgl. OLG München ZEV 2017, 634), folge aber, dass in einem solchen Fall konsequenterweise auch die Kopie zu eröffnen ist (vgl. Burandt/Rojahn/Gierl, a.a.O., § 348 Rn. 2; Keidel/Zimmermann, 20. Aufl. 2020 FamFG, § 348 Rn. 15; a.A. MüKoFamFG/Muscheler, 3. Aufl. 2019 FamFG § 348 Rn. 12; Firsching/Graf/Krätzschel, a.a.O. Rn. 34).

Ausgangspunkt für den Umfang der Testamentseröffnung sei die Vorschrift des § 348 FamFG. Nach § 348 Abs. 3 FamFG habe das Gericht den Beteiligten den sie betreffenden Inhalt der Verfügung von Todes wegen bekannt zu geben. Beteiligte seien dabei all diejenigen, denen durch die Verfügung ein Recht (auch aufschiebend bedingt oder befristet) gewährt oder genommen oder deren Rechtslage in sonstiger Weise unmittelbar beeinflusst wird (vgl. vgl. Bumiller/Harders/Schwamb, 12. Aufl. 2019 FamFG, § 348 Rn. 9). Die gemeinsamen Kinder des Erblassers und seiner Ehefrau, die durch das gemeinschaftliche Testament zunächst enterbt werden, seien dabei bereits Beteiligte kraft Gesetzes, wie sich aus § 348 Abs. 2 Satz 1, 7 Abs. 2 Nr. 2 FamFG ergibt (vgl. Bumiller/Harders/Schwamb, a.a.O.; Burandt/Rojahn/Gierl, a.a.O., § 348 Rn. 8). Ob sie auf ihren Pflichtteil verzichtet haben, sei insofern irrelevant (vgl. Firsching/Graf/Krätzschel, a.a.O. § 37 Rn. 30).

Etwas anderes möge für den Schlusserben eines gemeinschaftlichen Testaments gelten, wenn dieser nicht gesetzlicher Erbe des zuerst Verstorbenen sei und wenn von einer freien Widerruflichkeit der Schlusserbeneinsetzung auszugehen sei (vgl. KG Berlin, a.a.O.; OLG Zweibrücken, ZEV 2010, 476; Firsching/Graf/Krätzschel, a.a.O. Rn. 31). Beides sei vorliegend aber nicht der Fall. Bei den Schlusserben handele es sich um die gemeinsamen Kinder und damit gesetzliche Erben der Eheleute. Deren gemeinschaftliches Testament enthalte darüber hinaus unter Ziff. X die Regelung, dass sämtliche in diesem Testament niedergelegten Verfügungen, soweit gesetzlich zulässig, wechselbezüglich sein sollen.

Zu eröffnen sei grundsätzlich das gesamte Schriftstück, auch einzelne ggf. gegenstandslos gewordenen Bestandteile (vgl. Keidel/Zimmermann, 20. Aufl. 2020 FamFG, § 348 Rn. 20, § 349 Rn. 4; Firsching/Graf/Krätzschel, a.a.O. Rn. 34). Etwas anderes gelte nur für solche - trennbaren - Textpassagen, die inhaltlich zweifelsfrei keine Verfügung von Todes wegen darstellen, wovon hier nicht ausgegangen werden könne und was auch beschwerdeseits nicht behauptet werde. Beschwerdeseits werde vielmehr die Auffassung vertreten, dass die konkreten Verfügungen, die gemeinsamen Kinder aktuell nicht beträfen, da sie den zweiten Erbfall regelten und daher das Geheimhaltungsinteresse der Eheleute überwiege. Einen derartigen Ausnahmetatbestand sehe die Regelung des § 348 FamFG jedoch nicht vor. Eine Ausnahme gelte lediglich für gemeinschaftliche Testamente nach § 349 Abs. 1 FamFG. Da grundsätzlich nur die Verfügungen des verstorbenen Ehepartners zu eröffnen seien, müssten danach die Verfügungen des überlebenden Ehepartners nicht bekannt gegeben werden, wenn und soweit es sich tatsächlich um trennbare Verfügungen handele. Auch hier komme es aber nicht auf die Wünsche und etwaige Geheimhaltungsinteressen der Eheleute, sondern schlicht auf die Frage der Trennbarkeit an (vgl. Firsching/Graf/Krätzschel, a.a.O. Rn. 37). Die Verfügenden hätten es durch entsprechende Gestaltungs- und Formulierungsmöglichkeit schließlich selbst in der Hand, eine ihren Geheimhaltungsinteressen entsprechende Regelung zu treffen (vgl. Keidel/Zimmermann, a.a.O., § 349 Rn. 7). Vorliegend könne jedoch aufgrund der gewählten sprachlichen Fassung der jeweiligen Verfügungen gerade nicht von einer Trennbarkeit ausgegangen werden (vgl. Bumiller/Harders/Schwamb, a.a.O. § 349 Rn. 9; MüKoFamFG/Muscheler, a.a.O., § 349 Rn. 3). Es würden nur von einem Ehepartner handschriftlich niedergelegte und sodann von beiden unterschriebene gemeinsame Verfügungen vorliegen, in denen Formulierungen wie „wir“, „unser“, „nach dem Tod des Erstversterbenden“ und „nach dem Tod des Längerlebenden“ vorkommen. Eine Trennung zwischen den Verfügungen der Eheleute sei daher nicht möglich und für eine nur teilweise Eröffnung dementsprechend kein Raum.

III. Fazit

Die Entscheidung des OLG München ist in zweierlei Hinsicht interessant.

Zum einen nimmt sie zu der in der Literatur umstrittenen Frage Stellung, ob aus dem Grundsatz, dass die Erbfolge auch aus nur noch in Kopie vorhandenen letztwilligen Verfügungen festgestellt werden kann, folgt, dass in einem solchen Fall ausnahmsweise die Kopie zu eröffnen ist. Dies bejaht das Gericht in seiner vorliegenden Entscheidung.

Zum anderen verdeutlicht sie, dass bei der Erstellung eines gemeinschaftlichen Testaments besonderes Augenmerk auf die sprachliche und inhaltliche Trennung der Verfügungen gelegt werden muss, wenn die Testierenden ein Geheimhaltungsinteresse an einzelnen Bestimmungen haben. Für die Frage der Trennbarkeit kommt es hingegen nicht auf die Wünsche und Geheimhaltungsinteressen der Testierenden an.


Rezension des Beschlusses des OLG München  v. 07.04.2021 - 31 Wx 108/21; „Umfang Testamentseröffnung / Trennbare Verfügung", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr. 9  September 2021, S.507 f


Wie kann ich Ihnen als Fachanwalt für Erbrecht weiterhelfen?

Zurück