Vergütung Nachlasspfleger, Bestellung; COVID-19 Pandemie

Amtlicher Leitsatz:

Die Festsetzung der Vergütung des Nachlasspflegers durch den Rechtspfleger setzt zwingend eine wirksame Bestellung nach § 1789 BGB voraus. Von ihr kann nicht unter Verweis auf die „allgemeine Coronalage“ abgesehen werden. Etwaige Ansprüche des Nachlasspflegers aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder Amtshaftung bei unterlassener Bestellung können im Vergütungsfestsetzungsverfahren keine Berücksichtigung finden.

OLG Zweibrücken (6. Zivilsenat), Beschluss vom 29.10.2020 – 6 W 74/20

BGB §§ 1789, 1915, 1960

I. Einführung

Mit Beschluss aus dem Juni 2020 wurde für die unbekannten Erben der E. die Nachlasspflegschaft angeordnet und der Beteiligte zu 2) als Nachlasspfleger ausgewählt. Die betreffende Bestallungsurkunde wurde dem Beteiligten zu 2) mit dem Hinweis zugestellt, dass aufgrund der Coronalage auf eine persönliche Verpflichtung verzichtet werde. Im Juli 2020 teilte der Beteiligte zu 2) mit, dass die Nachlasspflegschaft aufgehoben werden könne. Gleichzeitig beantragte er die Festsetzung seiner Kosten mit einem Betrag von 164,87 €. Der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Koblenz beantragte für die Landeskasse die Zurückweisung des Vergütungsantrages. Zur Begründung führte er unter Hinweis auf mehrere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs aus, dass aufgrund der fehlenden Verpflichtung keine wirksame Bestellung vorliege. Der Rechtspfleger verwies darauf, dass eine persönliche Verpflichtung des Nachlasspflegers aufgrund der Coronalage nicht erfolgt sei und übersandte die Akte erneut an den Bezirksrevisor mit der Bitte um Überprüfung seiner Auffassung. Nachdem dieser mitgeteilt hatte, dass er an seiner Rechtsauffassung festhalte, hat das Amtsgericht dem Beteiligten zu 2) rechtliches Gehör gewährt und danach mit der angefochtenen Entscheidung antragsgemäß eine Vergütung und Aufwendungsersatz aus der Staatskasse festgesetzt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass auf eine persönliche Verpflichtung des Nachlasspflegers verzichtet werden konnte, da die allgemeine Coronalage diese nicht zugelassen habe. Es handle sich um eine reine Formvorschrift, die auf den Ablauf des Verfahrens grundsätzlich keine Auswirkung habe. Bei dem zuständigen Amtsgericht habe zudem seit Beginn der Coronakrise die Anweisung bestanden, den Publikumsverkehr im Gerichtsgebäude so gering wie möglich zu halten. Dazu habe auch gehört, verzichtbare Termine in Nachlasssachen zu vermeiden.

Auf den Antrag des Bezirksrevisors hat der Rechtspfleger im Erinnerungsverfahren die Beschwerde zugelassen und zugleich der Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Problem

Das OLG Zweibrücken erachtete die Beschwerde als statthaft, zulässig und in der Sache als erfolgreich.

Die Festsetzung der Vergütung in Höhe von 164,87 € für die Tätigkeit des Beteiligten zu 2) als Nachlasspfleger könne keinen Bestand haben.

Das OLG Zweibrücken stellt in seiner Entscheidung dar, dass für die Nachlasspflegschaft nach § 1960 BGB die allgemeinen Regelungen der Pflegschaft gelten, insbesondere die Vorschriften des Vormundschaftsrechts gemäß § 1915 BGB entsprechende Anwendung finden. Die Nachlasspflegschaft sei ein Sonderfall der Pflegschaft für unbekannte Beteiligte und lex specialis zu § 1913 BGB (Ermann BGB § 1960 Rn. 14 m.w.N.). Der Vergütungsanspruch des Beteiligten zu 2) als Nachlasspfleger richte sich nach §§ 1915, 1836 BGB i.V.m. den Vorschriften des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 2014, 1656). Über §§ 1915, 1960 BGB gelte damit auch für den Nachlasspfleger § 1789 BGB. Danach habe das gemäß § 1962 BGB an Stelle des Familiengerichts tätige Nachlassgericht eine Bestellung für den konkreten Fall durch Verpflichtung zu treuer und gewissenhafter Führung der Nachlasspflegschaft vorzunehmen (vgl. OLG Stuttgart NJW-RR 2011, 737; Palandt BGB § 1960, Rn. 9f; MüKo BGB § 1960, Rn. 47; Staudinger BGB § 1960, Rn. 33; Jauernig BGB § 1960 Rn. 5). Bei dieser Bestellung handele es sich um einen mitwirkungsbedürftigen Hoheitsakt der Freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die ausgewählte Person habe ihre Bereitschaft zur Übernahme und zur treuen und gewissenhaften Führung des Amtes zu erklären. Die Bestellung habe konstitutive Wirkung; erst durch sie würden die mit der Pflegschaft verbundenen Rechte und Pflichten begründet (vgl. Beck OGK BGB § 1789 Rn. 4, § 1960, Rn. 79; MüKo BGB § 1789 Rn. 2). Die ausgewählte Person habe daher vor der Aufnahme der Tätigkeit auf eine förmliche Bestellung hinzuwirken (vgl. OLG Hamm FamRZ 2014, 672). Die wirksame Bestellung erfordere stets die persönliche Anwesenheit der für das Amt ausgewählten Person (vgl. Palandt BGB § 1789 Rn. 1; Juris-PK BGB § 1789 Rn. 4; Schulz/Hauß Familienrecht § 1789 BGB, Rn. 2; Beck OGK BGB § 1789 Rn. 5; MüKo BGB § 1789 Rn. 7 jew.m.w.N.).

Entgegen der Ansicht des Rechtspflegers handele es sich damit nicht um eine bloße Formvorschrift ohne Auswirkung auf das weitere Verfahren. Dies treffe für den Bereich der gerichtlichen Betreuung zu, bei der in Ermangelung einer Verweisung auf § 1789 BGB in § 1908i Abs. 1 S. 1 BGB die Wirksamkeit bereits mit der Bekanntgabe des Beschlusses an den Betreuer (§ 287 Abs. 1 FamFG) eintrete. Die Verpflichtung des Betreuers habe deshalb anders als die eines Pflegers keine konstitutive Bedeutung, sondern diene der Wahrnehmung der Überwachungsfunktion des Gerichts (vgl. Keidel FamFG § 289 Rn. 1 m.w.N.).

Dagegen könne das Amt eines Nachlasspflegers und die damit verbundene Vertretungsbefugnis ohne Einhaltung der zwingenden Formvorschriften zur Bestellung nicht wirksam begründet werden. Die bloße Anordnung der Pflegschaft, die Auswahl einer Person für das Amt des Pflegers oder schlüssiges Verhalten wie die Übersendung einer Niederschrift zur Unterzeichnung würden nicht genügen; auch der Übersendung der Bestallungsurkunde komme nur deklaratorische Bedeutung zu (vgl. BGH FamRZ 2017, 1846; OLG Hamm FamRZ 2014, 672; OLG Dresden Beschl. 17.11.2016, 18 WF 1167/16, BeckRS 2016, 117297; BeckOGK BGB § 1789 Rn. 5, 1960 Rn. 79; MüKo BGB § 1789, Rn. 12).

Es habe daher nicht im Ermessen des Rechtspflegers gestanden, von einer Bestellung des Nachlasspflegers abzusehen. Hierfür habe es an einer rechtlichen Grundlage gefehlt, nachdem die Ausnahmevorschriften der §§ 1791 a Abs. 2, 1791 b Abs. 2 BGB nicht einschlägig gewesen seien. Der pauschale Verweis auf die Coronalage und die bei dem Amtsgericht Neuwied bestehende Anweisung, verzichtbare Termine in Nachlasssachen zu vermeiden, führe zu keinem anderen Ergebnis. Auch in Zeiten von Corona sei eine Bestellung des Nachlasspflegers unter Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln etwa in einem größeren Dienstzimmer, Besprechungsraum oder Sitzungssaal möglich.

Ungeachtet der Frage, inwieweit die angeführte Weisung für den in sachlicher Unabhängigkeit tätigen Rechtspfleger bindend sein könnten, handele es sich bei der Bestellung nach § 1789 BGB jedenfalls nicht um eine verzichtbare Amtshandlung. Unschädlich sei dagegen ein Verzicht auf den Handschlag, da es sich bei § 1789 S. 2 BGB um eine reine Ordnungsvorschrift handelt (vgl. MüKo BGB § 1789 Rn.3).

Der Vergütungsanspruch des Pflegers entstehe wie alle anderen mit dem Amt verbundenen Rechte und Pflichten erst mit der wirksamen Bestellung (vgl. MüKo BGB § 1789 Rn. 14). In der obergerichtlichen Rechtsprechung sei teilweise vertreten worden, dass für vor der wirksamen Bestellung erbrachte Tätigkeiten gleichwohl ein Vergütungsanspruch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nach § 242 BGB bestehen könne (vgl. OLG Braunschweig, FamRZ 2017, 1412; OLG Koblenz, FamRZ 2010, 1173). Dies solle zumindest dann gelten, wenn konkrete Einzelmaßnahmen wegen besonderer Eilbedürftigkeit auf ausdrückliche Veranlassung des Gerichts vor der förmlichen Bestellung ergriffen wurden (vgl. OLG Saarbrücken FamRZ 2012, 888; OLG Frankfurt, Beschluss vom 19. September 2016 - 6 WF 125/16 -, juris; OLG Dresden Beschl. 17.11.2016, 18 WF 1167/16, BeckRS 2016, 117297). Diesem pragmatischen Ansatz habe der Bundesgerichtshof jedoch eine klare Absage erteilt, da die Begründung eines Vergütungsanspruchs über § 242 BGB dem Grundsatz der Rechtssicherheit und -klarheit zuwiderlaufen würde und das Verfahren zur Festsetzung der Vergütung keinen Raum für die Entscheidung über materiell-rechtliche Zahlungsansprüche bietet (vgl. BGH FamRZ 2017, 1846; NJW-RR 2018, 325; ebenso OLG Brandenburg FamRZ 2008, 1478). Auch für zwangsläufig vor der Bestellung liegende Tätigkeiten bestehe ein Vergütungsanspruch nicht (vgl. BGH NJOZ 2020, 1099 entgegen OLG Frankfurt, Beschl. 22.09.2017, 8 WF 2/17, BeckRS 2017, 159403).

Soweit grundsätzlich in den Fällen einer nicht erfolgten Bestellung Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder aus Amtshaftung in Betracht kommen könnten, habe hierüber nicht der Rechtspfleger im Vergütungsfestsetzungsverfahren zu entscheiden, da deren Grundlagen ebenfalls außerhalb des Vergütungsrechts angesiedelt seien (vgl. BGH a.a.O.).

Der Antrag des Beteiligten zu 2) unterlag daher der Zurückweisung.

III. Fazit

Die COVID-19 Pandemie zwingt die Justiz oftmals bisher ungenutzte und pragmatischere Wege zu gehen. Die vorliegende Entscheidung zeigt jedoch für das Recht der Nachlasspflege Grenzen auf.

Nach dem OLG Zweibrücken setzt die Festsetzung einer Vergütung des Nachlasspflegers durch den Rechtspfleger zwingend dessen förmliche Bestellung nach § 1789 BGB voraus. Ein Absehen von diesem Erfordernis ist nach der Entscheidung nicht möglich.

Dem trotz fehlender Bestellung tätig gewordenen Nachlasspfleger verbleibt nur die Möglichkeit, seine Vergütungsansprüche gestützt auf eine Geschäftsführung ohne Auftrag oder eine Amtshaftung geltend zu machen.


Rezension des Beschlusses des OLG Zweibrücken  v. 29.10.2020 - 6 W 74/20; „Vergütung Nachlasspfleger / Bestellung / COVID-19 Pandemie", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr. 5 Mai 2021, S.278 ff


Wie kann ich Ihnen als Fachanwalt für Erbrecht weiterhelfen?

Zurück