Zuwendungsverzicht; Erbvertrag

Amtliche Leitsätze:

  1. Die Bindungswirkung des § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB hindert einen durch Erbvertrag eingesetzten Erben nicht daran, gem. § 2352 S. 2, S. 3 BGB iVm § 2349 BGB auch mit Wirkung für seine eigenen Abkömmlinge auf die erbvertragliche Zuwendung zu verzichten.
  2. § 2352 S. 3 BGB findet auch auf vor dem 1.1.2010 abgeschlossene Erbverträge Anwendung, sofern der Zuwendungsverzicht nach dem Stichtag abgeschlossen wurde.

OLG Köln (2. Zivilsenat), Beschluss vom 02.06.2021 – 2 Wx 145/21

BGB § 2352 S. 3
EGBGB Art. 229 § 23 Abs. 4

I. Einführung

In einem Erbvertrag aus dem Jahr 1968 hatten sich der Erblasser und seine vorverstorbene Ehefrau wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt. Zum Alleinerben des Längstlebenden war der im Jahre 1959 geborene Sohn des Erblassers berufen worden. Zu Ersatzerben für den Fall seines Vorversterbens waren seine Abkömmlinge eingesetzt worden. Ferner hieß es: „Auch behält sich der Längstlebende von uns nicht den einseitigen Rücktritt von den Bestimmungen bezüglich seines Todes vor.

Im Jahr 2019 schlossen der Erblasser und sein Sohn einen notariell beurkundeten Zuwendungsverzichtsvertrag. Darin verzichtete der Sohn des Erblassers „mit Wirkung für sich und seine Abkömmlinge“ auf das ihm nach dem Erbvertrag zustehende Erbrecht „insoweit, als hierdurch die Wirksamkeit der von K. [= Erblasser] beabsichtigten Verfügungen von Todes wegen, nämlich der Neuregelung der Ersatzerbfolge für den Fall, dass W. [= Sohn des Erblassers] vorverstirbt oder aus einem sonstigen Grund als Erbe wegfällt, sowie der Anordnung einer Nacherbfolge zu Lasten von W. [=Sohn des Erblassers] und der Anordnung der Testamentsvollstreckung (sowohl in Form der Dauervollstreckung, als auch eine Abwicklungsvollstreckung und Nacherbenvollstreckung) verhindert werden würde.“ Im Folgenden erteilte der Sohn des Erblassers „hiermit mit Wirkung für sich und seine Abkömmlinge ausdrücklich seine Einwilligung in die Änderung der Ersatzerbfolge, in seine Beschwerung mit der Nacherbfolge und der Testamentsvollstreckung.

Durch notariell beurkundetes Testament vom selben Tage berief der Erblasser seinen Sohn zum alleinigen befreiten Vorerben sowie die Beteiligten zu 2) bis 4) zu Ersatzerben für den Fall des Vorversterbens sowie des sonstigen Wegfalls seines Sohnes und zu Nacherben auf den Tod des Sohnes. Für den Fall des Erbantritts seines Sohnes ordnete der Erblasser, da der Sohn „aufgrund seines Alters und seines Gesundheitszustandes nicht dazu in der Lage sein wird, das ihm durch diese letztwillige Verfügung zugefallene Vermögen zu verwalten“, bis zum Tod des Sohnes Dauertestamentsvollstreckung an. Für den Fall des Eintritts der Ersatzerbfolge ordnete er Testamentsvollstreckung zum Zwecke der Auseinandersetzung an. Zum Testamentsvollstrecker bestimmte er den Beteiligten zu 5).

Im Jahr 2020 verstarb der Sohn des Erblassers. Der Erblasser verstarb im Jahr 2021.

Der Beteiligte zu 5) hat, gestützt auf das Testament aus dem Jahr 2019, die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses beantragt. Dem Antrag ist die Beteiligte zu 1) als Tochter des Sohnes des Erblassers mit dem Vorbringen entgegengetreten, diesem Testament und dem Zuwendungsverzicht stehe die bindende Einsetzung der Abkömmlinge des Sohnes des Erblassers zu Ersatzerben im Ehevertrag aus dem Jahre 1969 entgegen.

Das Nachlassgericht hat die Tatsachen festgestellt, welche zur Begründung des Antrages auf Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses erforderlich sind. Gegen diesen Beschluss hat die Beteiligte zu 1) Beschwerde eingelegt und im Wesentlichen geltend gemacht, der Zuwendungsverzicht und damit auch das Testament seien im Hinblick auf die Bindungswirkung der Ersatzerbeneinsetzung im Erbvertrag und nach § 138 BGB unwirksam. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache zur Entscheidung dem Oberlandesgericht vorgelegt.

II. Problem

Das OLG Köln erachtete die Beschwerde als zulässig aber in der Sache als erfolglos. Das Nachlassgericht habe mit Recht die Tatsachen festgestellt, welche zur Begründung des Antrages auf Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses erforderlich sind. Die Anordnung der Testamentsvollstreckung sei wirksam; eine Bindungswirkung der Berufung der Abkömmlinge des Sohnes des Erblassers zu Ersatzerben im Erbvertrag aus dem Jahre 1968 stehe dem nicht entgegen.

Die Beschwerde verkenne, dass die Bindungswirkung des § 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB einen durch Erbvertrag als Dritten eingesetzten Erben nicht daran hindern könne, gemäß § 2352 Satz 2 BGB auf die Zuwendung zu verzichten, dies nach Satz 3 der Bestimmung in Verbindung mit § 2349 BGB auch mit Wirkung für seine eigenen Abkömmlinge. Im Umfang des Zuwendungsverzichts werde der überlebende Ehegatte frei von der Bindungswirkung (OLG Köln FamRZ 1983, 837, 838; Staudinger/Schotten, § 2352 Rz. 29).

Da der Erbfall nach dem Stichtag des 01.01.2010 eingetreten ist, stehe der Anwendbarkeit des § 2352 Satz 3 BGB gemäß Art. 229 § 23 Abs. 4 EGBGB nicht entgegen, dass der Erbvertrag zwischen dem Erblasser und seiner Ehefrau bereits im Jahre 1968 geschlossen worden war.

Nicht zu verkennen sei im vorliegenden Fall allerdings die Besonderheit, dass der im Erbvertrag als Alleinerbe bedachte Sohn des Erblassers in dem Zuwendungsverzichtsvertrag im Jahre 2019 auf diese Erbeinsetzung nicht in vollem Umfang verzichtet habe: Der Sohn des Erblassers habe nicht auf die Zuwendung - also die Einsetzung zum Alleinerben - schlechthin verzichtet, sondern lediglich auf die Stellung als uneingeschränkter Vollerbe und sich anstelle dessen mit einer Berufung lediglich zum Vorerben und der Anordnung einer Testamentsvollstreckung einverstanden erklärt. Ein derartiger teilweiser Zuwendungsverzicht, durch den es dem Erblasser eröffnet wird, den durch die Zuwendung Begünstigten durch die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft sowie einer Testamentsvollstreckung zu beschweren, unterliege keinen rechtlichen Bedenken (BGH NJW 1978, 1159; Staudinger/Schotten, § 2352 Rz. 13 m.w.N.). Darauf beschränke sich im vorliegenden Fall demnach auch die Erstreckungswirkung des § 2349 BGB zu Lasten der Abkömmlinge des Sohnes: Unwirksam sei der Zuwendungsverzicht des Sohnes des Erblassers insoweit, als er sich auf die Stellung seiner Abkömmlinge als Ersatzerben schlechthin bezieht. Denn im Rahmen der §§ 2349, 2352 BGB könne der Erbe auf die Zuwendung zu Lasten seiner Abkömmlinge nicht weitergehend verzichten, als er dies für seine eigene Person tut. Es sei unzulässig, die Wirkung des Verzichts auf die Erstreckungswirkung zu Lasten der Abkömmlinge zu beschränken (Staudinger/ Schotten, § 2349 BGB Rz. 6 m.w.N.). Da der Sohn des Erblassers nicht auf seine Berufung zum Erben als solche verzichtet hatte, habe die Erstreckungswirkung des Zuwendungsverzichts aus dem Jahre 2019 nach diesen Grundsätzen lediglich dazu geführt, dass der Erblasser durch spätere letztwillige Verfügung wie diesen selbst auch die Abkömmlinge seines Sohnes mit der Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft sowie einer Testamentsvollstreckung beschweren habe können, nicht aber ihnen die im Erbvertrag bindend eingeräumte Stellung als Ersatzerben schlechthin entziehen habe können.

Entgegen der Auffassung der Beschwerde sei dieser vom Sohn des Erblassers erklärte beschränkte Zuwendungsverzicht in Ansehung der Erstreckungswirkung auch nicht unwirksam wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB. Denn in dem Umfang, in welchem der eingesetzte Erbe für sich selbst verzichtet, begegne die entsprechende Erstreckungswirkung grundsätzlich keinen Bedenken. Ein Ausnahmefall mag dann gegeben sein, wenn ein todkranker Verzichtender in der sicheren Erwartung seines baldigen Todes allein deshalb einen Erbverzicht vereinbart, um das Erbrecht seiner Abkömmlinge auszuschalten (Staudinger/Schotten, § 2349 Rz. 4). Davon könne im Streitfall indes nicht die Rede sein, da der Sohn des Erblassers die genannten Beschränkungen - auch - für seine eigene Person hingenommen habe und nichts dafür ersichtlich sei, dass er bei Vertragsschluss todkrank war und von seinem baldigen Versterben ausging.

Eine durch den Zuwendungsverzicht zulässig gewordene Beschwerung auch der Abkömmlinge des Sohnes als Ersatzerben sei dem Testament aus dem Jahr 2019 im Wege der Auslegung zu entnehmen. Zwar habe der Erblasser nicht den Fall in den Blick genommen, dass die Einsetzung der Beteiligten zu 2) bis 4) zu Ersatzerben unwirksam ist. Indes mache die beabsichtigte Entziehung der Ersatzerbenstellung der Abkömmlinge des Sohnes deutlich, dass es dem Erblasser um eine möglichst weitgehende Einschränkung ihrer erbrechtlichen Stellung ging. Aufgrund dessen sei die vollständige Enterbung der Abkömmlinge des Erblassers als Ersatzerben im Wege der Auslegung auf eine hier noch zulässige Beschwerung mit einer Vor- und Nacherbschaft verbunden mit der Anordnung einer Testamentsvollstreckung zu beschränken. Da es dem Erblasser erkennbar um eine weitestmögliche Begünstigung der Beteiligten zu 2) bis 4) gegangen sei, seien diese Nacherben ebenso wie sie es nach dem Willen des Erblassers gewesen wären, wenn sein Sohn Vorerbe geworden wäre. Einer Beschwerung der Abkömmlinge des Erblassers als (Ersatz-)Vorerben mit der Testamentsvollstreckung stehe auch nicht entgegen, dass die Dauervollstreckung mit einer gesundheits- und altersbedingten Unfähigkeit des Sohnes des Erblassers zur Verwaltung des Vermögens begründet worden ist und unterstellt werden könne, dass bei den Abkömmlingen solche Umstände nicht vorliegen. Die Motivation des Erblassers, den Abkömmlingen des Sohnes die Erbenstellung schlechthin zu entziehen, lasse seinen Willen erkennen, deren Erbenstellung im rechtlich zulässigen Rahmen im Interesse der Beteiligten zu 2) bis 4) weitestmöglich einzuschränken, wozu nach dem Umfang des für seine eigene Person erklärten Zuwendungsverzichts des Sohnes neben der Beschränkung auf die Vorerbenstellung auch die Beschwerung der Abkömmlinge des Sohnes mit der Dauertestamentsvollstreckung gehörte.

III. Fazit

Die Bindungswirkung eines Erbvertrages kann insoweit beseitigt werden, als der bedachte Dritte gemäß § 2352 Satz 2 BGB auf die Zuwendung verzichtet. Im Rahmen von § 2352 Satz 3 BGB in Verbindung mit § 2349 BGB kann der bedachte Dritte dies auch mit Wirkung für seine eigenen Abkömmlinge tun. Im Umfang des Zuwendungsverzichts entfällt sodann die Bindungswirkung.

Für die Anwendung von § 2352 Satz 3 BGB stellt die Entscheidung klar, dass die Vorschrift auch auf vor dem 1.1.2010 abgeschlossene Erbverträge anwendbar ist, sofern der Zuwendungsverzicht nach diesem Stichtag abgeschlossen wurde.


Rezension des Beschlusses des OLG Köln  v. 02.06.2021 - 2 Wx 145/21; „Zuwendungsverzicht / Erbvertrag", in: FuR - Familie und Recht - Zeitschrift für Fachanwalt und Familiengericht, Nr. 11  November 2021, S.627 f


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